„Kindheitstraum“
Der 1993 erschienene Film SUPER MARIO BROS gehört zu den kuriosesten filmischen Erscheinungen, nicht nur der 90er, sondern auch überhaupt. Wie man auf die Idee kam, auf Basis der bunten und kindgerechten Pilzkönigreichwelt eine dystopische, entfernt an BLADE RUNNER erinnernde Welt zu imaginieren, die bevölkert von merkwürdigen Echsenmenschen ist und einem Yoshi, der wie ein echter Raptor aussieht, kann man wohl nur damit erklären, dass es in der Pre-Production-Phase besonders stark in Kalifornien geschneit hat. Ein Running Gag der Filmgeschichte, der Nintendo auf 30 Jahre Abstand davon nehmen ließ, ihre IPs für die Hollywood zu lizensieren.
2023 versucht man mit dem berüchtigten Illumination Studio im Hintergrund, den italienischen Klempner erneut auf die Leinwand zu schicken. DER SUPER MARIO BROS. FILM hat nicht nur die kulturelle Last seines Vorgängers im Geiste zu schultern, sondern auch die generelle Skepsis der Öffentlichkeit vor Videospielverfilmungen im Rücken. Letztgenannte wird wohl auch dieser Film noch nicht vollständig ins Positive kehren können, aber zumindest dürfte Dennis Hoppers Bowser Interpretation nun so langsam ins kulturelle Obskurum verschwinden.
Brooklyn: Für die Brüder Mario und Luigi (Stimmen im Original: Chris Pratt und Charlie Day) läuft es nicht sonderlich rosig. Zwar haben sie sich gerade mit ihrem Sanitärdienstleistungsgewerbe Marios Bros. selbstständig gemacht, doch trotz mehr oder weniger aufwendig produziertem Werbeclip bleiben die Aufträge aus. Vielleicht liegt ihr wahres Talent aber auch ganz woanders. Durch einen dummen Zufall landen die beiden Schnurrbartträger aus Leidenschaft in der Parallelwelt des Pilzkönigreiches, wo anthropomorphe Pilzwesen namens Toads, krawattentragende Affen (Seth Rogen) und blaue Pinguine in friedlicher Eintracht leben. Bedroht wird diese Harmonie von Bowser (Jack Black), der Finsternis über das Königreich bringen will, sollte ihn nicht dessen Prinzessin Peach (Anya Taylor-Joy) ehelichen. Als Bowsers Truppen Luigi entführen, macht sich Mario mit der resoluten Prinzessin und einem besonders ehrgeizigen Toad (Keegan-Michael Key) auf, das Pilzkönigreich zu retten. Kleiner Haken: Er ist wahrlich kein Held und für die Begebenheiten in der fremden Welt denkbar schlecht ausgestattet. Zum Glück gibt es die sagenumwobenen Power-Ups, die für ihre Konsument:innen Wachstum, Feuerspeien oder Fliegen im Angebot haben.
Es sollte schon vor dem Lösen des Kinotickets klar sein, dass man sich den Mario-Film nicht wegen einer besonders ausgefeilten Geschichte ansehen wird. Dem Film geht es vielmehr darum, in seinen knapp 90 Minuten möglichst viele Erinnerungen an den größeren Mario-Kosmos zu evozieren. Im ersten Drittel des Filmes funktioniert das, gerade auch ob des extrem hohen Tempos, erstaunlich gut. Bis auf ein paar absurd unpassende Needle-Drops, die ein wenig so wirken, als seien sie von einer künstlichen Intelligenz platziert worden, speist sich der Film komplett aus teilweise geremixten Titel aus den Mario-Spielen. Auch wechselt die Animation in den Actionsequenzen gerne mal in Spieltypische zweidimensionale.
Nur leider wird die tiefe Leere, die DER SUPER MARIO BROS. FILM ausstrahlt, danach ziemlich schnell evident. Die Handlung wird nicht durch logisch motivierte Aktionen vorangetrieben, sondern nur durch das nächste Easter-Egg, das auf Biegen und Brechen platziert werden muss. Zudem ist Mario einfach per Definition kein interessanter Charakter. In den Spielen funktioniert er als reine Oberfläche, die Seele wird durch die Eingaben der spielenden Person indoziert. Dieses an Videospiele an sich definierende Element kann nicht in einen Film gerettet werden, weshalb es wohl auch nicht verwunderlich ist, dass die paar gelungenen Videospielverfilmungen der Vergangenheit auf Spielen basierten, die sich mehr durch ihr explizites Storytelling als durch ihre Mechanik auszeichneten.
Filme wie MAD MAX: FURY ROAD oder THE RAID haben ja gezeigt, dass ein reiner Mechanikfilm durchaus gelingen kann. Vielleich wäre dies auch eine lohnendere Herangehensweise an den Mario-Film geworden. Denn seien wir ehrlich, kein Mensch braucht eine Originstory des bekanntesten Klempners der Welt. Vielleicht muss ein Mario-Film, wie die Spiele, direkt in medias res starten, mit einem klaren Ziel und Mario, der unaufhaltsam nach vorne laufen muss. Die Figuren kennt ohnehin jedes Kind, egal ob 4 oder 40.
Positivistisch gesehen, könnte man DER SUPER MARIO BROS. FILM als etwas verfrühte Feier zum 50-jährigen Jubiläum seiner Titelfigur begreifen, als animierten Firmenmilestonekatalog, bei dem sich die Chefetage auf die Schulter klopft und die Tradition für sich sprechen lässt. Nur bekommt man diese Kataloge meist als gute:r Kund:in umsonst per Post zugeschickt und lässt sie auf dem Beistelltisch liegen, falls mal Besuch vorbeikommt und muss nicht 10 Euro aufwärts in einem Kinobesuch dafür lassen. Nostalgie ist eine gemeine Waffe und das hat Hollywood schon lange verstanden. Das Evozieren von länger verblassten Jugenderinnerungen vor dem zeitaktuellen Nintendo-Gerät täuscht zu Anfang recht funktionabel über die bloße Konsumexistenz des Filmes zurück und dann folgt garantiert irgendwann der jede Diskussion erstickende Satz: „Es ist ja auch ein Film für Fans“. Und wir alle wissen, dass damit auch schon jeder Qualitätsanspruch a priori verloren ist. Die Postcreditszene verweist auf die unabdingbare Fortsetzung, die dann bestimmt wirklich rasant wird. Auf ein Franchise mehr oder weniger in den Kinosälen kommt es ja eigentlich auch nicht mehr an.
Titel, Cast und Crew | Der Super Mario Bros. Film (2023) OT: The Super Mario Bros. Movie |
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Poster | |
Release | Kinostart: 06.04.2023 demnächst auf UHD, Blu-ray und DVD erhältlich. Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Regisseur | Aaron Horvath Michael Jelenic |
Trailer | |
Originalstimmen | Chris Pratt (Mario) Charlie Day (Luigi) Keegan-Michael Key (Toad) Anya Taylor-Joy (Princess Peach) Jack Black (Bowser) Fred Armisen (Cranky Kong) Seth Rogen (Donkey Kong) |
Drehbuch | Matthew Fogel |
Musik | Koji Kondo Brian Tyler |
Schnitt | Eric E. Osmond |
Filmlänge | 92 Minuten |
FSK | ab 6 Jahren |