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Der schwarze Hengst (1979) – Filmkritik

„Die kindliche Freiheit“

Wer hier anfängt mit den Augen zu rollen und einen typischen Pferdefilm erahnend weiterklicken möchte, dem sage ich HALT. Denn DER SCHWARZE HENGST ist meilenweit von den üblichen Vertretern entfernt, nach dem Motto: Mädchen lebt auf Reiterhof, Geldnot oder ein Schicksalsschlag zerstört das idyllische Leben, ein wildes Pferd wird gezähmt, am Ende gewinnen alle bei einem großen Turnier und die Beteiligten können in den Sonnenuntergang galoppieren. Lustigerweise kommen genau zwei dieser Mustervorlagen zu Beginn auf der Blu-ray als Trailer-Appetithappen. Nein, DER SCHWARZE HENGST ist aus den 70er Jahren, hat seine Ursprünge im New Hollywood und einen Produzenten am Ruder, der keine Kompromisse zulässt: Francis Ford Coppola.

Alec Ramsay (Kelly Reno) // © Capelight Pictures

Handlung

Der zwölfjährige Alec Ramsay (Kelly Reno) überlebt einen Schiffbruch. Seine rettende Schwimmhilfe ist ein wilder Araberhengst, der sich ebenfalls auf dem Schiff befand. Beide landen auf einer einsamen portugiesischen Insel. Alec gelingt es, das Vertrauen des ungestümen Pferds zu gewinnen. Beide werden nach mehreren Wochen endlich von ein paar Fischern gerettet und zurück in die Heimat von Alec, ein Vorort von New York namens Flushing gebracht. „Der Schwarze“, wie ihn Alec nennt, ist auf keinen Fall etwas für Mutters Garten und so trifft er durch Zufall auf den Farmbesitzer Henry Dailey (Mickey Roony), der glücklicherweise auch noch ehemaliger Rennpferd-Trainer ist und so ein schnelles Pferd hat er noch nie gesehen.

Wenn ich selbst diese Inhaltsangabe lese, habe ich sicherlich immer noch keinen dazu gebracht, den Film zu schauen. DER SCHWARZE HENGST basiert auf dem Kinderbuch THE BLACK STALLION von Walter Farley, was die Handlung in eine simple Bahn lenkt. Aber ich denke, spätestens bei der Inszenierung werdet ihr Augen machen, denn ich habe es gleich von den ersten Filmminuten an getan.

Alec Ramsay (Kelly Reno) // © Capelight Pictures

Die Inszenierung

Gleich mit den ersten Bildern ist schon so viel Spannung und Gefühl für die Geschichte zu sehen, die man in der heutigen Fließband-Filmproduktion gänzlich vermisst: Eine winzige Pferdestatue wird in der Wüste vom Wind freigelegt, die Titel erscheinen und nach einem harten Filmschnitt erscheinen Wellen, die von einem Schiffsbug durchbrochen werden. Alec langweilt sich auf dem Schiff, schleicht über die Decks und trifft auf den wilden Araberhengst, den mehrere Männer versuchen zu bändigen. Ein Pferd auf einem Kreuzfahrt-Schiff in den 40er Jahren ist so irreal, dass auch wir bereits wie unsere Hauptfigur ins Staunen geraten. Dann die Havarie, Flammen und Wellen bedrohen die Mitreisenden und ein Pferd springt über Board, Alec hinterher und die Kamera gleich mit. Die Stille unter Wasser hat etwas Beruhigendes und das brennende Schiff hüllt die Bilder in ein warmes Licht. Auftauchen, Alec kommt der Schiffsschraube gefährlich nahe und dann gelingt es ihm kurz vor der eigenen Ohnmacht den vorbeischwimmenden Hengst an der Mähne zu packen.

Alec Ramsay (Kelly Reno) // © Capelight Pictures

Ballard, Deschanel und Coppola

In der heutigen Filmproduktion wäre alles an Drahtseilen im Studio vor einer grünen Leinwand entstanden. Nicht so bei einer Francis-Ford-Coppola-Produktion. Die Regieführung von Carroll Ballard (AMY UND DIE WILDGÄNSE, WENN DIE WÖLFE HEULEN) spiegelt sich im Verhalten des Arabers wieder: wild, immer wieder die Richtung wechselnd und stets mit der Schönheit der Bilder von Kameramann Caleb Deschanel zur Ruhe kommend. Die Filme von Ballard sind in der Freiheit der Landschaft entstanden, wie auch DER SCHWARZE HENGST. Vor allem die Momente von Alec und seinem vierbeinigen Freund an der Küste bleiben in Erinnerung. Die Felsen, das Meer und der weite Himmel lassen den muskulösen schwarz glänzenden Hengst wie eine lebendige antike Skulptur erscheinen. Die Interaktionen des jungen Schauspielers und des energiegeladenen Pferds sind natürlich und emotional zu gleich.

Alec Ramsay (Kelly Reno) // © Capelight Pictures

Dies ist dem Pferdetrainer Glen Randall zu verdanken, der sozusagen der vierbeinigen Hauptrolle ein spannendes Schauspiel abringen kann. Die meisten Szenen wurden mit dem texanischen Araber Cass Ole gedreht. Aber gut trainierte Pferde hat man auch schon oft gesehen, wäre da nicht der damals dreizehnjährige Kinderschauspieler Kelly Reno. Dieser Bengel schaut in die Kamera, als ob er schon ein Dutzend Leben hinter sich hätte und springt ohne Sattel auf diesen wilden Gaul, als ob es alles Reiter-Leben waren. Kelly Reno wuchs auf einer Farm auf und sobald er laufen konnte, konnte er auch reiten. Es ist eine wahre Freude beiden hierbei zuzusehen und Produzent Coppola, der in dieser Zeit mitten in der dramatischen Produktion von APOCALYPSE NOW steckte, bezahlte Ballard und Deschanel die Hubschrauber-Miete, um dieses Bild von Freiheit in Tempo und Schönheit einzufangen. Wie gesagt, im 21. Film-Jahrhundert sitzt kein Minderjähriger auf einem wilden Pferd.

Zusammen mit der Schauspiel-Legende Mickey Roony als unkonventioneller Pferdetrainer, macht diese Abenteuergeschichte über den Traum eines Jungen unglaublich viel Spaß. Roony bringt Momente zum Schmunzeln und die Musik von Carmine Coppola (Vater von Francis Ford Coppola) die passende Untermalung der stimmungsvollen Bilder.

Alec Ramsay (Kelly Reno) und Henry (Mickey Roony) // © Capelight Pictures

Die Blu-ray

Der schwarze Hengst 1979 Review
DER SCHWARZE HENGST & DER SCHWARZE HENGST KEHRT ZURÜCK im Doppelpack von capelight

DER SCHWARZE HENGST kommt leider ohne ein Mediabook daher. Gerade hier hätte sich sicher ein Filmwissenschaftler bei dem Zusammentreffen von New-Hollywood-Ästhetik mit einer Kinderbuchgeschichte gern die Finger wundgetippt. Aber dafür ist das HD-Bild ein Traum, was nur noch von einer tadellosen 35-mm-Projektion übertroffen werden kann. Lediglich die dunklen Szenen sind etwas verrauscht. Die deutsche Synchronisation tendiert dazu, vor allem bei der Synchronstimme des Jungen, leicht zu übersteuern, aber beim Finale ganz ohne Filmmusik nur mit den Geräuschen eines Pferderennens ist Gänsehaut garantiert. Der Film erscheint zusammen mit der Fortsetzung DER SCHWARZE HENGST KEHRT ZURÜCK (1983), welcher an dieser Stelle später besprochen wird. Somit kommt für dieses Blu-ray-Bundle ein perfektes Preis-Leistungsverhältnis von capelight pictures zustande.

Alec Ramsay (Kelly Reno) // Capelight Pictures

Fazit

Was bei diesem Film so viel Spaß macht, abgesehen von der mutigen Filmproduktion, ist die Art wie die Geschichte erzählt wird. Keine langen Debatten, ob ein Kind auf die Rennbahn gehört, kein Weglaufen von Alec, weil er sich missverstanden fühlt und keinen sinnlosen Gegenspieler für das Finale. Alle erkennen sofort, dass „Der Schwarze“ und Alec zusammengehören. Keiner traut sich, dieses Leben von kindlicher Freiheit zu beenden. Unbedingt ansehen!

Titel, Cast und CrewDer schwarze Hengst (1979)
OT: The Black Stallion

Poster

Release
ab dem 12.04.2019 auf Blu-ray erhältlich zusammen mit DER SCHWARZE HENGST KEHRT ZURÜCK (1983)
Bei Amazon kaufen
RegisseurCarroll Ballard
Trailer
DarstellerKelly Reno (Alec Ramsey)
Mickey Rooney (Henry Dailey)
Teri Garr (Alec's Mother)
Clarence Muse (Snoe)
Hoyt Axton (Alec's Father)
Michael Higgins (Neville)
DrehbuchMelissa Mathison
Jeanne Rosenberg
William D. Wittliff
RomanvorlageNach dem Roman BLITZ, DER SCHWARZE HENGST von Walter Farley
MusikCarmine Coppola
KameraCaleb Deschanel
SchnittRobert Dalva
Filmlänge112 Minuten
FSKab 6 Jahren

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