„Tanz der Ewigkeit“
Kevin Costner mit Federn im Haar und Waschbrett vor der Brust. Das sind meine TV-Erinnerungen an DER MIT DEM WOLF TANZT aus jungen Jahren. Mehr ist aus über drei Stunden Laufzeit nicht übrig geblieben. Die Liebe zu diesem Filmblog entsteht daraus, viele Klassiker gänzlich neu zu entdecken. Gut 20 Jahre nach meinem „ersten Tanz mit dem Wolf“ begab ich mich wieder auf die Reise in den wilden Westen. Die Schönheit und kreative Kraft des Films traf mich wie ein Blitz.
Das Wiener Filmlabel Winkler Film hat nun endlich eine HD-Neuauflage für DER MIT DEM WOLF TANZT im deutschsprachigen Raum herausgebracht, da man für die 2008er Blu-ray von Kinowelt Sammlerpreise zahlen muss. Winkler Film hat sich für eine Veröffentlichung in zwei Versionen, der Kinofassung (181 min) und der Extended Version (237 min), entschieden. Ob das Sinn macht, erfahrt ihr unten im Vergleich und bei der Blu-ray-Review. Jetzt kurz zur Handlung und zum umfangreichen Lobgesang von meiner Seite.
Handlung
Der Bürgerkrieg tobt im Herzen Amerikas. Dunbar (Kevin Costner) ist schwer verletzt und nutzt die Chance zur Flucht, als seine Sanitäter noch kurz eine Pause machen wollen, bevor sie ihm sein Bein amputieren. Er zwängt sich in die Stiefel, stiehlt ein Pferd und reitet selbstmörderisch vor den Reihen der Südstaaten-Truppen entlang. Alle schießen auf ihn, doch keiner trifft. Durch seinen Mut oder die Erkenntnis, dass die Südstaatler wohl nicht treffen können, stürmt seine Kompanie nach vorn und gewinnt die Schlacht. Der Kompanieführer ist von Dunbars Mut so beeindruckt, dass er seinen persönlichen Arzt kommen lässt. Dunbar behält sein Bein, wird Leutnant und kann versetzt werden, wohin er möchte. Er entscheidet sich für die Führung von Fort Sedgewick im tiefen amerikanischen Nirgendwo mit dem Wunsch die Weiten der Prärie zu sehen, „bevor es sie nicht mehr gibt“. Die Besetzung im Fort ist schon längst geflohen und Dunbar baut das Camp allein neu auf. Eines Tages trifft er auf die Sioux-Indianer. Das erste Misstrauen wird Stück für Stück abgebaut und Dunbar erkennt seine tiefe Verbundenheit zu dem Stammesvolk. Aber auch auf Steht mit einer Faust (Mary McDonnell) hat er ein Auge geworfen und sie auf ihn. Einen Wolf gibt es natürlich auch.
Ein Wechselspiel
Als ich Freunden und Bekannten erzählte, dass ich gerade DER MIT DEM WOLF TANZT in zwei Versionen schaue und auf sieben Stunden Sehvergnügen kam, wurde dieser Fakt gleich ignoriert und eine nostalgische Stimmung legte sich über deren Erinnerungen. Für viele ist es ein wundervoller Film mit viel Liebe zur Natur und einem emotionalen Blick auf die Ureinwohner Amerikas. Einige sprachen auch von traurigen Momenten, an die sie sich viele Jahre später immer noch betroffen zurückerinnern.
Mir ging beim Sehen beider Versionen ein Licht auf: In vielen Filmkritiken plädiere ich dafür, eine Verbundenheit vom Zuschauer zu den Figuren herzustellen. Die schönsten Bilder helfen nicht weiter, wenn man nicht nachvollziehen kann, was die Protagonisten fühlen. Drehbuchautor Michael Blake, der hier die Drehbuchadaption zu seinem eigenen Roman schrieb, ist dies perfekt gelungen. Er und Kevin Costner bedienen sich zusätzlich einem Wechselspiel von Licht und Dunkelheit in der Tonalität der Handlung. Es gibt schöne Momente voller Naturverbundenheit, Liebe und Freundschaft. Diese werden aber immer wieder durch Gefahr, Gier oder Hass unterbrochen. So spielt uns das Leben, jeder kennt es, es gibt gute und schlechte Momente. Die Schlechten braucht man, um sich der Guten bewusst zu werden. Als Cinephiler und Hobby-Filmwissenschaftler kommen manche Szenen etwas zu simpel gestrickt daher, aber Himmel noch eins, es funktioniert.
Die Produktion
Kevin Costner hat zusammen mit seinem Produzenten Jim Wilson etwas Einzigartiges geschaffen. Nicht nur künstlerisch, sondern auch wirtschaftlich. Dem gerade einmal 35 Jahre alte Kevin Costner gelang es, Blake für ein Drehbuch zu begeistern und Jim Wilson kratzte spärliche 15 Millionen Dollar Budget für dieses Epos zusammen. Um Kosten zu sparen, führte Costner Regie, spielte die Hauptrolle und produzierte zusammen mit Wilson. Was an sich schon eine Wahnsinnsleistung ist, wurde durch den Wunsch in der Natur zu drehen weiter verstärkt – selbst die Innenaufnahmen sind vor Ort gedreht worden. Mit einer Vielzahl von Laien-Schauspielern zu arbeiten, machte das Unterfangen nicht leichter. Es wurde zu einem Herzensprojekt und am Ende zu einem Familienunternehmen voller neuer Freundschaften.
Costners Frau und seine Kinder spielen beispielsweise in der Rückblende von Steht mit einer Faust mit, sein Vater lässt sich bei der Bürgerkriegs-Schlacht in „den Kopf schießen“ und selbst der Drehbuchautor bekommt eine kleine Rolle. Die Dreharbeiten mit bis zu 400 Pferden und die kurze Drehzeit bei Sonnenaufgang oder -untergang, um perfektes Licht zu bekommen, schränken den Drehplan ein. Außerdem wurde mit zwei echten Wölfen gedreht, was extrem schwierig ist und wie Kevin Costner im Audiokommentar so treffend sagt: „Es hat mich die Hälfte meiner Lebenszeit gekostet mit diesen Wölfen zu drehen“. Die Drehtage beliefen sich am Ende auf 106 volle Arbeitstage. Diese Hingabe sieht man bei jedem Bild. Die echten Wildtierkadaver, die Costner aus dem Wasserloch zieht, das Lagerfeuer voller Asche, welches schon seit Stunden brennt und der echte Schnee zum Filmende sind nur einige Beispiele. Die viele Arbeit zahlte sich aus. DER MIT DEM WOLF TANZT erhielt sieben Oscars und spielte sein Ausgaben um ein Vielfaches wieder ein. Besonders schön ist, dass im Jahr 1991 der Film die deutschen Kinocharts mit 6,7 Millionen Zuschauern anführte.
Naturromantik
Für mich ist der Film vor allem eine utopische Darstellung des Lebens in der Natur und ich meine das nicht im negativen Sinne, sondern im erstrebenswerten. Sicherlich manches ist stark überzeichnet – es regnet zum Beispiel so gut wie nie im Film, außer zur dramatischen Verstärkung. Aber diese Panoramabilder schüren den Wunsch durch die menschenleere Weite im Herzen Nordamerikas zu streifen, was leider im 21. Jahrhundert unmöglich geworden ist. DER MIT DEM WOLF TANZT vermittelt viel durch seine Bilder und weniger durch seinen Dialog. Die wenigen gesprochenen Worte bekommen so noch mehr Bedeutung und schaffen es sogar, den schönsten Sonnenuntergang im Hintergrund verblassen zu lassen. Die viele Anspielungen auf Umweltverschmutzung, die menschliche Gier nach Überfluss – deutlich im Töten der Büffel nur wegen ihres Fells in Szene gesetzt – lässt diesen knapp 30 Jahre alten Film buddhistische Weisheiten ins Heute verströmen.
Kameramann Dean Semler (MAD MAX 2, APOCALYPTO) zeigt, wie man die schönsten Bilder mit wenig Ausstattung und natürlichem Licht zu drehen vermag. DER MIT DEM WOLF TANZT wurde auch viel auf 16-mm-Film gedreht, neben den üblichen 35 mm. Man sieht es der Bildqualität aber kaum an. Neben der offensichtlichen Liebesgeschichte überzeugte mich vor allem die Entstehung einer Freundschaft. Nicht nur die von Dunbar zu Strampelnder Vogel (Graham Greene) – beide sind sich von Anfang an sympathisch – sondern auch die zu Wind in seinem Haar (Rodney A. Grant). Der ist zu Beginn auf Konfrontationskurs, aber Dunbar erarbeitet sich seinen Respekt, was ihn zu einem Freund werden lässt, der für ihn durch Feuer gehen würde. Zu Recht hat Wind in seinem Haar den Gänsehautmoment zum Filmschluss bekommen, wenn er seine Freundschaft in die Schluchten der Rocky Mountains ruft. Beide Schauspieler sind indianische Nachfahren und mit einem besonderen Schauspieltalent gesegnet sowie einer Leinwandpräsenz, die nicht zu ignorieren ist.
Unvergessen ist die Szene mit den Büffeln, wenn Dunbar von einem „Erdbeben“ geweckt wird und im nebulösen Dunst erkennt, dass eine riesige Büffelherde aufgetaucht ist. Daraufhin folgt er zusammen mit dem Stamm einer tiefen Schneise, die die Büffel wie eine Naturgewalt in der Landschaft hinterlassen haben. Ein Bild, das auch den Verlust dieser Tierart perfekt symbolisiert.
Vergleich Kinofassung und Extended Version
Wenn man es geschichtlich genau nimmt, sind beide Versionen im Kino gelaufen. Ursprünglicher Gedanke von Costner und Wilson war es, die 181-minütige Version in den USA zu zeigen und die Langfassung hauptsächlich in Europa. Aber durch den großen Kassenerfolg liefen 1990 bis 1991 beide Versionen in den Kinos. Volle 46 Minuten unterscheiden sich die Schnittfassungen voneinander. Die Längere beinhaltet auch eine mehrminütige, mit Musik unterlegte Intermission-Pause. Die kürzere Schnittfassung haftet sich mehr an die Hauptfigur und deren Entwicklung von Dunbar zu Der mit dem Wolf tanzt. Es gibt kaum Szenen ohne ihn. Man folgt ihm quasi auf dem Fuße und lernt nicht nur schonend die Bräuche der Indianer kennen, sondern konzentriert sich auf seine persönliche Veränderung.
Persönlich empfehle ich jedoch die Langversion mit knapp vier Stunden. Man kann das Filmvergnügen, dank der Pause, auch gut auf zwei Abende aufteilen. Hier enthält zu Beginn die Figur des Lt. Elgin (Charles Rocket) mehr Raum. Dadurch erkennt man ihn zum Ende auch besser wieder. Größter Pluspunkt bei dieser Version sind die vielen Szenen mit den Sioux, die nicht nur ihrem gesellschaftlichen Verhalten stärkere Konturen verleihen, sondern sie auch vielschichtiger machen. Man sieht zum Beispiel, dass die Wilderer aufgespürt und umgebracht wurden. Viele weitere Extraszenen lassen die Sioux nicht unbedingt so gewaltfrei erscheinen wie es in der kurzen Fassung den Eindruck erweckt. Ebenfalls fehlt eine sehr schöne Szene, in der Strampelnder Vogel einen geheimen Platz an Der mit dem Wolf tanzt weitergibt. Sie müssen dort feststellen, dass bereits der weiße Mann seine Spuren hinterlassen hat, Tiere wegen des Fells jagt und die Gewässer mit Müll verschmutzt.
Die Langfassung ergibt im großen Ganzen ein authentischeres Bild und somit geht die Kaufempfehlung ganz klar an die Extended Version.
Die Blu-ray
Das HD-Bild ist traumhaft, vor allem, wenn man bedenkt, dass viel mit natürlichem Licht gearbeitet und manche Szenen auf 16 mm gedreht wurden. Wenige Helligkeitsunterschiede sind jedoch auf den Umstand zurückzuführen, dass wie erwähnt 80 % in der Natur gedreht wurde. Es ist schwierig, in den Morgen- und Abendstunden ein konstantes Licht für einen flüssigen Schnitt zu halten. Der Ton liegt in 5.1 sowie 7.1 in Deutsch und Englisch vor. Der Film ist aber bereits in gutem Stereo klangstark und gut abgemischt. Vor allem die Oscar prämierte Filmmusik von John Barry ist perfekt in die Szenen eingepasst. Die Extras reichen bequem für einen weiteren Filmabend und kommen auf gute zwei Stunden mit Making-Of, zwei Dokumentationen und Aufnahmen von den Dreharbeiten.
Besonders hörenswert ist der Audiokommentar, leider ohne UT, von Kevin Costner und Jim Wilson, die ein paar Jahre später noch einmal in Erinnerungen schwelgen. Beide gingen eine sehr fruchtbare Filmpartnerschaft ein, die noch WYATT EARP, THE POSTMAN und MR. BROOKS hervorbrachte. Auch wenn dieses Release DER MIT DEM WOLF TANZT endlich aus den überteuerten Ebay-Auktionen befreit, ist es sehr schade, dass man sich beim Kauf für eine Version entscheiden muss. Im Zeitalter der Collector’s Editionen, wo Fans auch gern mal 20-30 € auf den Tisch legen, hätte eine Veröffentlichung mit beiden Versionen viel Freude bereitet und eine Extra-CD mit der Filmmusik zu panischen Blindkäufen geführt. Zumal die technischen Details und Extras bei beiden Versionen identisch sind. Lediglich die Covers unterscheiden sich und die Filmlänge. Die Amaray-Hüllen sind stilvoll unauffällig gehalten, was das wunderschöne Kinoplakatmotiv noch einmal besonders hervorhebt.
Fazit
DER MIT DEM WOLF TANZT lässt immer noch Kinofeeling vor dem Fernseher verströmen. Das Reisen in vergangene Zeiten gelingt bereits beim ersten Hufschlag. Viele Jahre später ist es immer noch beeindruckend, was Kevin Costner und sein Team mit vergleichsweise niedrigem Budget und extrem viel Herzblut geschaffen haben: Einen zeitlosen Klassiker zum Weinen, Lachen und Träumen, der die Zuschauer immer noch zu einer friedlichen Koexistenz mit der Natur antreibt. Wir haben Glück mit diesem Film, die Weiten der Prärie zu sehen, wie es sie schon lange nicht mehr gibt, immer und immer wieder, vielen Dank dafür.
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter