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Der Leopard Filmkritik

Der Leopard (1963) – Filmkritik

„Das opulenteste Puppenhaus der Filmgeschichte“

Giuseppe Tomasi di Lampedusa mag jetzt nicht der eingängigste Name auf diesem Erdenrund sein: Den Titel seines einzigen Romans hat aber wohl jeder halbwegs kulturell interessierte Mensch schon einmal gehört: DER LEOPARD, gerne auch bezeichnet als der größte Roman Siziliens, hat seinen festen Platz im Kanon der Weltliteratur und ist auch 60 Jahre nach Erscheinen durchaus eine Lektüre wert. 1963 verfilmte Luchino Visconti, der sich mit ROCCO UND SEINE BRÜDER bereits unsterblich um den italienischen Film verdient gemacht hatte, di Lampedusas Roman als 183-minütiges, schwelgerisches Epos. Koch Films brachte die Familienchronik nun am 09.11. diesen Jahres im aufwändigen, von Martin Scorsese und Kameramann Giuseppe Rotunno überwachten Remaster ins Heimkino. Zeit sich den Lieblingsfilm des GOODFELLAS-Regisseur einmal vorzunehmen.

© Koch Films

Burt Lancaster gibt den altehrwürdigen Don Fabrizio, Fürst von Salina, in der Bevölkerung geschätzt und geachtet. Man verbringt die Tage mit Beten, Essen und Affären mit Dorfschönheiten, bis die Aufständischen unter Giuseppe Garibaldi in Sizilien einfallen und die alte Weltordnung langsam, aber sicher ins Wanken gerät. Don Fabrizio spürt: Die Herrschaftsform des Risorgimento wird nicht mehr lange Bestand haben. Visconti schwelgt in seiner Adaption in geradezu lächerlich schönen Bildern. Das Set- und Kostümdesign ist einfach hinreißend zu nennen, die Detailverliebtheit sucht seinesgleichen. Solche Filme werden heutzutage nicht mehr gedreht, huscht es einem beim Schauen hin und wieder durch die Gedanken. Zu jedem Zeitpunkt hat man das Gefühl, hier tatsächlich auf mysteriöse Weise im Jahr 1860 getätigte Originalaufnahmen gestoßen zu sein, die Immersion in den Film ist auf rein technischer Ebene perfekt zu nennen. Nino Rotas eingängiger Score unterstützt die filmische Zeitreise adäquat. Die melancholische Transzendenz seiner GODFATHER-Kompositionen wird jedoch nicht ganz erreicht. Es fehlt ein wenig Seele, ein wenig Tiefe.

Der Leopard Filmkritik
Don Fabrizio (Burt Lancaster) schaut ins jüngeres Ich: Tancredi Falconeri (Alain Delon) // © Koch Films

Wie es auch dem ganzen Film ein wenig an Seele fehlt: Es wurde bereits festgestellt, basierend auf der technischen Ebene alleine ist das hier absolut herausragend. Leider bleibt beim Zuschauer stets eine gewisse Distanz zu den Figuren bestehen. Sie wirken eher, wie von unsichtbarer Hand geführte Puppen, als wie Menschen aus Fleisch und Blut. Die Liebeswirren von Fabrizios Neffen, Tancredi Falconeri (Alain Delon), sie finden einfach statt, ohne dass man groß daran investiert wäre. Es sollte auch erwähnt werden, dass Visconti nur fünf der acht Kapitel des Romans adaptierte. Er verzichtet auf eine Art Parallelepisode, in welcher wir auch einen Blick auf die unterste soziale Stufe Siziliens werfen, sowie auf die Epiloge, in denen der Leser den Tod von Don Fabrizio und das Ende von Falconeris 30-jähriger, nicht sonderlich berauschender Ehe geschildert bekommt.

© Koch Films

Der Verfilmung geht dabei ein wenig die Tragik der Romanvorlage ab. Wir verabschieden uns auf einem der schönsten (wenn nicht sogar der schönsten) Ballszenen der Filmgeschichte von unseren Hauptfiguren und können so noch in der Illusion des Luxus schwelgen. Es sind kleine, subtile Einschübe, mit denen Visconti auf den drohenden Verfall hinweist. Im Vorspann präsentiert er uns eine Reihe von Statuten, dem Anschein nach seit Ewigkeiten dort stehend, hat der Zahn der Zeit spürbar an ihnen genagt. Sicher, noch werden sie gepflegt, doch letztendendes werden auch sie irgendwann vergangen sein.

Der Leopard Filmkritik
Remastered Edition von © Koch Film

Es ist furchtbar schwer DER LEOPARD zu rezensieren. Die Ausstattung und das Ensemble ist überwältigen, während man über die gesamte Laufzeit hindurch von einer seltsamen Leere erfüllt ist. Deshalb fällt auch das Aussprechen eines klaren Fazits schwer. Als Abhaken der filmischen „Bucket List“ taugt er ziemlich gut, schließlich wählte das „Sight and Sound“ Magazin unser Raubtier auf Platz 57 ihrer „Greatest Film of All Time“-Liste (und nein, auf Platz 1 ist hier mal nicht CITIZEN KANE). Eine Sitzung ist dieses Gesellschaftsepos in jedem Falle wert, das finale Urteil ist ja immer noch Geschmacksache. Aber solch einen Klassiker in der Sammlung stehen zu haben, macht beim Besuch natürlich immer Eindruck, zwinker, zwinker.

Der Leopard Filmkritik
Angelica Sedara (Claudia Cardinale) // © Koch Films

Über jeden Zweifel erhaben ist jedoch die Blu-ray von Koch Films. Ein unfassbar klares Bild, sowie ein spannendes Interview mit dem Produzenten Gorffredo Lombardi machen viel Freude.

Titel, Cast und CrewDer Leopard (1963)
Poster

Release
ab dem 09.11.2018 als 4K-Remastered Edition auf Blu-ray erhältlich
Bei Amazon kaufen (Affiliate Link)
RegisseurLuchino Visconti
Trailer
DarstellerBurt Lanchaster (Prinz Don Fabrizio Salina)
Claudia Cardinale (Angelica Sedara)
Alain Delon (Tancredi Falconeri)
Romolo Valli (Vater Pirrone)
Terence Hill (Count Cavriaghi)
Evelyn Stewart (Carolina)
DrehbuchSuso Cecchi D'Amico
Pasquale Festa Campanile
Enrico Medioli
Massimo Franciosa
Luchino Visconti
MusikNino Rota
KameraGiuseppe Rotunno
SchnittMario Serandrei
Filmlänge186 Minuten
FSKab 12 Jahren

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