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Der Hexentöter von Blackmoor (1970) – Filmkritik

Wer kennt ihn nicht? Jess Franco, geboren 1930 in Madrid als Jesús Franco Manera. Seine Filmografie verzeichnet schlappe 206(!) Titel, in einem Zeitraum von 1957 bis 2013. Dazu gesellen sich 182 Einträge als Drehbuchautor, weitere als Schauspieler, Produzent und mehr. Ein echtes Arbeitstier war der Spanier, der im stolzen Alter von 82 Jahren in Málaga, Spanien im April 2013 verstarb. Früher oder später stolpert jeder Filmfreund über einen Franco-Film, ob im Kino oder auf dem heimischen TV-Bildschirm. Für viele ist der Konsum eines seiner Werke Anlass für eine längere, ärztliche Behandlung, andere wiederum verehren diesen aus der Art geschlagenen Regisseur. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Roger Corman ist nicht von der Hand zu weisen, denn so wie der US-Regisseur, musste auch Franco immer mit minimalen Budgets das größtmögliche Ergebnis einfahren. Allerdings ist das auch schon die einzige Parallele zu Corman. Dass bei solch einer Vielzahl an Filmen nicht alles Gold ist was glänzt, sollte jedem klar sein.

© Beta Film & Koch Films

Wenn es einen Begriff gibt, der im gleichen Atemzug mit Jess Franco genannt wird, dann ganz sicher Sexploitation. Selbst einem geübten Filmfreund können die Werke des Jess Franco schwer zu schaffen machen. Abseits aller Hollywoodkonventionen brannte der Spanier immer wieder seinen eigenen, extravaganten Stil auf die Leinwände, dem sehr oft das Prädikat des Minderwertigen und Anstößigen anhaftet. In den letzten Jahren hat sich die Meinung zu Franco und seinen Arbeiten etwas zu seinen Gunsten verändert. Gejagt von der Zensur sind seine Filme bis heute in unterschiedlichen Fassungen und Qualitäten erhältlich. Für einen leichten Einstieg in diese krude Welt ist DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR bestens geeignet. Gleichzeitig muss aber auch erwähnt werden, dass kaum ein anderes Werk so sehr von Francos Arbeit abweicht. Es ist aber auch die Produktion, bei der angeblich das größte Budget für den Spanier zur Verfügung stand. Neben Francos „Spezialgebiet“ erwartet uns in DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR allerhand pseudohistorische Geschichte, mit etwas Folter und Sadismus gewürzt. Die Story orientiert sich an George Jeffreys, der von 1648 bis 1702 lebte. Den größten Einfluss auf Francos Film dürfte jedoch Michael Reeves erfolgreicher DER HEXENJÄGER (WITCHFINDER GENERAL, 1968) gehabt haben. Die gleiche Thematik behandelt auch HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT (MARK OF THE DEVIL, 1970) – Platz 30 unserer Liste der Horrorfilme aus den 1970er – der kurz nach diesem hier besprochenen Film die Hexenjagd in den Kinos fortführte.

© Beta Film & Koch Films

Inhalt

England im 17. Jahrhundert: Georg Jeffreys (Christopher Lee) wird vom Königshaus des James II. zum obersten Richter des Landes ernannt. Damit ist er gleichzeitig der oberste Hexenjäger, der mit Hilfe seiner eifrigen Folterknechte eine Welle aus Angst und Schrecken durch das Land treibt. Oberstes Ziel von Jeffrey ist der Kampf gegen die Rebellen, die einen Umsturz planen, wie auch alle anderen politischen Gegner der Krone. Wenn bei dieser Jagd noch ein paar Frauen in das Netz des fanatischen Richters gehen, werden die kurzerhand als Hexen angeklagt und zu Tode gefoltert. So geschah es auch mit Alicia Gray (Margaret Lee). Trotz des Gnadengesuchs ihrer Schwester Mary (Maria Rohm) wird die angebliche Hexe verbrannt. Doch auch Mary und ihr Liebhaber Harry Sefton (Hans Hass Jr.), der Sohn des Lords von Wessex (Leo Genn), sind im Visier des eifrigen Richters geraten, denn Jeffreys vermutet, dass auch Harry ein Mitglied der Rebellenorganisation ist.

Hexenjagd an den Kinokassen

Die Sets wie auch die Garderobe der Darsteller sind üppig ausgestattet, viel üppiger als es Franco in den folgenden Jahren bei seinen weiteren Projekten erleben durfte. Sichtbare Einschnitte gab es nur bei den Kämpfen, welche nicht über die epischen Dimensionen, wie man sie von Hollywood Blockbustern gewohnt ist, verfügen. Hier muss man sich mit einer Handvoll Personen zufriedengeben, die das Geschehen mit aller Leidenschaft auf der Leinwand präsentieren. Als gelungen kann man vor allem den spannenden Score von Bruno Nicolai bezeichnen. Der großartige Nicolai hat uns über viele Jahre hinweg mit immer wieder neuen, fantastischen Klängen die besten Filme versüßt. Was dagegen weniger gut gefällt, ist die deutsche Synchronstimme von Christopher Lee, die hier von Heinz Drache kommt. Vielen dürfte Heinz Drache aus den Edgar-Wallace-Filmen bekannt sein. Da ist Lees Originalstimme auf der englischen Synchro viel einnehmender und passender zu seinem sadistischen und fanatischen Charakter Jeffrey. Francos Stammschauspieler Howard Vernon ist auch mit von der Partie. Diesmal ist er der Mann fürs Grobe: der Henker und Folterknecht von Jeffreys. Den weiblichen Part belegt die bezaubernde Maria Rohm, die ebenfalls öfters beim Spanier vor der Kamera anzutreffen ist. Hier darf sie wieder einmal blankziehen.

© Beta Film & Koch Films

Mit dem deutschen Titel DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR wollte der Filmverleiher zum einen eine Nähe zum bekannten DER HEXENJÄGER (WITCHFINDER GENERAL, 1968) aufbauen, zum anderen zu den in Deutschland beliebten Edgar-Wallace-Filmen wie beispielsweise der ähnlich klingende DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE (1968) oder DER WÜRGER VON SCHLOSS BLACKMOOR (1963). Der Name Blackmoor taucht, wie zu vermuten war, zu keiner Zeit im DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR auf.

Viele Köche verderben …

… den Brei, was auch bei diesem Werk zum Teil zutrifft, vor allem in Bezug auf das Drehbuch. Zu keiner Zeit schafft es die Story, den komplexen Charakter von Jeffreys adäquat auf der Leinwand zu bringen. Die kurzen Szenen in Gefangenschaft zum Ende hin, der innere Konflikt, der in dem gemarterten Richter tobt, der Fanatismus und Wahnsinn kommen einfach zu spät und sind viel zu knapp geraten. Der echte Lord Jeffreys, mit dessen Geschichte sich Lee ausführlich im Zuge seiner Rolle befasste, muss ein sehr ambivalenter Charakter gewesen sein:

„… er begab sich in die Londoner Elendsviertel, wo er tagelang betrunken war und herumhurte – ein wahrer Jekyll und Hyde. Er benahm sich wie ein Tier und urteilte dann über andere …“ [1].

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Sir Christopher Lee drehte noch weitere Filme mit Jess Franco, darunter DER TODESKUSS DES DR. FU-MAN CHU (FU-MANCHU Y EL BESO DE LA MUERTE, 1967), DIE FOLTERKAMMER DES DR. FU-MAN CHU (EL CASTILLO DE FU-MANCHU, 1968), NACHTS WENN DRACULA ERWACHT (EL CONTE DRACULA, 1969) und auch denn sehr kontroversen DIE JUNGFRAU UND DIE PEITSCHE (DE SADE 70, 1970) den Lee selber als einen seiner größten Fehler bezeichnete [1]. Franco und sein Produzent Harry Alan Towers trieben bei DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR das gleiche Spiel mit Lee, was sie schon in DIE JUNGFRAU UND DIE PEITSCHE abzogen. „Was ich nicht wusste, war, dass während meiner Abwesenheit vom Set alle möglichen abstoßenden, wenn auch zutreffenden, Szenen gedreht wurden. In meiner Drehbuchkopie waren sie nicht. Hätte ich das gewusst, hätte ich nicht mitgemacht…“ [1]. Zum Beispiel der Moment als sich Jeffreys an Mary vergeht: Da sieht der Zuschauer eine Männerhand über ihren nackten Körper wandern, die angeblich Lees sein soll, aber nicht ist.

© Beta Film & Koch Films

Genie oder Wahnsinn?

Wer jetzt mit dem Gedanken spielt, sich etwas näher mit den Werken des Jess Franco zu beschäftigen und einen Einstieg sucht, dem würde ich folgende Filme für den Anfang empfehlen: DER SCHRECKLICHE DR. ORLOFF (GRITOS EN LA NOCHE, 1962), DAS GEHEIMNIS DES DR. Z (MISS MUERTE, 1966), NECRONOMICON – GETRÄUMTE SÜNDEN (1968) und DIE SÄGE DES TODES (1981). Wer allerdings die volle Dröhnung Franco wünscht, der greife beispielsweise zu VAMPYROS LESBOS: DIE ERBIN DES DRACULA (VAMPYROS LESBOS, 1971) oder EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES (LA NUIT DES ÉTOILES FILANTES, 1973), auch bekannt unter dem Titel DAS GRAUEN AUF SCHLOSS MONTSERRAT. Bitte keine voreiligen Schlüsse wegen der reißerischen deutschen Titel aufkommen lassen, hier torkeln weder Romeros noch Fulcis Zombiehorden durchs Bild, ebenso wenig gibt es ein Gore- oder Splatter-Fest.

Dass Franco ganz besonders die Frauen liebte, zeigt er in vielen seiner Filme, er bezeichnete sich selbst als Voyeur. Immer wieder gibt es nackte Haut in allen Lebenslagen zu bewundern. Egal ob die Frau als Opfer, als Verführerin oder als Täterin abgelichtet wird. Bei diesem Regisseur ist die Garderobe seiner Darstellerinnen sehr dünn bestückt. Doch das ist nur ein Aspekt bei Francos Filmen. Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt ist sein ständiger Versuch, eine andere, uns fremde Welt bildlich einzufangen. Eine Parallelwelt, in der jedwede Logik abhandengekommen ist, die direkt neben unserer existiert. In poetisch, surrealen, fast schon schwermütigen Bildern versucht der Spanier immer wieder diese Welten einzufangen, so auch in EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES. Eine nähere Betrachtung und Analyse des Films lohnen, da er jede Menge Symbolik und Hinweise parat hält. Für den Rezipienten ist es bei der Erstsichtung fast nicht möglich den Moment des Überganges zu identifizieren, daher lohnt sich immer ein zweiter oder sogar dritter Blick.

© Beta Film & Koch Films

Noch eine Warnung zum Schluss: Jess Franco ist nichts für Freunde des Mainstreams oder einfacher Story, wo am Ende alles erklären. Eine nähere Betrachtung von Francos Werk bedarf große Ausdauer, eine hohe Leidensfähigkeit und vor allem einer stetigen Mitarbeit. Einzutauchen in ein Universum, das unserem ähnelt und doch so fremd ist. Ein Universum in dem Schund und Genialität sich die Hand reichen, in dem aber ganz sicher die ein oder andere Perle aus dem Dunkel der Nacht befreit wird. Hinzu kommt, dass Franco in seiner umfangreichen Karriere rund 40 Pseudonyme benutzte, eine gute Übersicht dazu findet sich hier [2].

Das Mediabook

Cover des Mediabooks

Zum ersten Mal wird mit der vorliegenden Veröffentlichung DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR in HD und ungeschnitten präsentiert. Auch wenn das Mediabook ein Schmuckstück ist, stellt sich die Frage, ob der Preis von ca. 45 Euro für einen Jess-Franco-Film gerechtfertigt ist. Das muss der geneigte Fan für sich selbst entscheiden. Zumal die Beschaffenheit im Inneren nicht mehr ganz den Glanz der Verpackung widerspiegelt: Das betrifft vor allem die Kunststoff-Trays für die einzelnen Scheiben. Nach nur zweimaligem Benutzen hat sich einer dieser sogenannten Trays bei mir schon verabschiedet, schade. Entweder ein Materialfehler oder einfach an der falschen Stelle gespart. Bei den Extras hat Koch Films sich dafür wieder mächtig ins Zeug gelegt: Neben einer überflüssigen Einleitung von Christian Kessler gibt es die Dokumentation „Franco-Philes“ über Jess Franco (ca. 70 Minuten), die deutsche Super-8-Fassung (ca. 33 Minuten), Trailer, TV-Spot, eine Bildergalerie und ein 16-seitiges Booklet. Außerdem finden wir eine separate Soundtrack-CD mit dem Original-Score von Bruno Nicolai sowie zwei DVDs, eine mit umfangreichen Bonusmaterial und eine mit der Integral-Fassung (110 Minuten). Die internationale Fassung (103 Minuten) und die deutsche Kinofassung (79 Minuten) haben es auf Blu-ray geschafft. Das Bild der HD-Fassung ist überraschend gut geworden. Sie bietet uns neben einem sehr scharfen Bild eine farbenfrohe Farbpalette, ausgewogene Kontraste und einen glasklaren Ton. Es gibt, wie bei vielen Filmen des Spaniers, mehrere Fassungen von DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR, die auch mit verschiedenen Enden von Jeffreys aufwarten. Alle drei Fassungen haben hier jedoch ein identisches Finale. Leider fanden diese unterschiedlichen Schlussteile nicht den Weg in die Extras.

© Beta Film & Koch Films

Fazit

In Francos Version der Inquisition spürt man zu jeder Zeit den Versuch, sich an Michael Reeves bekanntem DER HEXENJÄGER anzulehnen, doch es bleibt bei einem Versuch. Trotz großartiger Darsteller und schöner Sets, die das Auge erfreuen, wird die Freude durch eine schwache Story und Dialoge getrübt. Der Spagat zwischen Historie, Sexploitation und Folter überzeugt nicht auf ganzer Linie. Im Gegensatz zu DER HEXENJÄGER fehlt Francos Darstellung die Ernsthaftigkeit dieser sadistischen Scheinheiligkeit, die Michael Reeves so großartig in seinem Film einfängt. So bleibt DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR als ein merkwürdiges Erlebnis in Erinnerung, das den Zuschauer, trotz einiger Folterszenen, am Ende unbewegt zurücklässt.

© Stefan F.

Quellen:

Titel, Cast und CrewDer Hexentöter von Blackmoor (1970)
OT: Il Trono di Fuoco
Poster
Releaseab dem 09.07.2020 im Mediabook ( Blu-ray + 2 DVDs + Soundtrack-CD) erhältlich

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RegisseurJesús Franco
Trailer
BesetzungSir Christopher Lee (Richter Jeffreys)
Maria Schell (Mutter Rosa)
Leo Genn (Lord von Wessex)
Hans Hass Jr. (Harry Sefton)
Maria Rohm (Mary Gray)
Howard Vernon (Jack Ketch)
Margaret Lee (Alicia Gray)
DrehbuchEnrico Colombo
Jesús Franco
Michael Haller
Harry Alan Towers
Anthony Scott Veitch
KameraManuel Merino
FilmmusikBruno Nicolai
SchnittDerek Parsons
Gertrud Petermann
Filmlänge110 Minuten
FSKab 16 Jahren

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