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Der_Hauptmann Max Hubacher

Der Hauptmann (2017) – Filmkritik

„Nur Befehle befolgt“

Soziales Gewissen, Geschichtsaufarbeitung und Politikbildung sind alles Begriffe, die mir vor einem Kinobesuch zum Film wie DER HAUPTMANN, der sich mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzt, im Kopf kreisen. Meine Geschichtslehrerin hatte bei meiner Schulbildung ganze Arbeit geleistet und die nüchternen Fakten einer grausamen Vergangenheit Deutschlands gelehrt, so dass ich, trotz meiner Geburt 40 Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches, immer noch bei solchen Filmen Schuldgefühle bekomme. Sicherlich ist das gut so, damit solch grausame und fanatische Politik nicht zurückkehren kann, aber als mitfühlender Mensch ist die Sichtung eines Zweiten Weltkriegsdramas immer mit extrem hohem Unwohlsein für mich verbunden. Wenn die Handlung auf wahren Begebenheiten beruht und die handwerklichen Geschicke des Filmteams auf hohem Niveau sind, ist dieses Unwohlsein schon so stark, dass ich mit mir ringen muss mich diesem Leiden überhaupt auszusetzen. DER HAUPTMANN erfüllt diese Kriterien und wird zu einem monochromen Blick in die höllischen Abgründe der menschlichen Grausamkeit.

Der_Hauptmann Max Hubacher
© Weltkino Filmverleih GmbH

Inhalt

Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist nur noch einen Wimpernschlag entfernt. Die deutsche Bevölkerung fiebert jedoch nicht auf dieses Ereignis hin. Die Menschen sind ausgelaugt, kämpfen erbittert um das letzte Bisschen, was ihnen der Krieg noch nicht genommen hat. Fahnenflüchtige treiben in den Dörfern ihr Unwesen, ziehen raubend und stehlend durch die Häuser. So auch der Gefreite Herold (Max Hubacher), der aus Angst vor seiner Hinrichtung als Fahnenflüchtiger durch die winterliche Landschaft hetzt. Er findet das verlassene Gefährt eines Hauptmanns mit all seinen Dokumenten und Uniformen. Nach Wärme suchend, zieht Herold den dicken SS-Mantel über und schlüpft mit Hilfe seines schauspielerischen Talents in eine Rolle, die er gut kennt: „Den Hauptmann“. Freytag (Milan Peschel), ebenfalls ein bataillonsloser Soldat, trifft auf den neuen „Hauptmann Herold“ und erkennt ihn gleich als seinen neuen Vorgesetzen an. Dem charismatischen Offizier werden noch weitere Soldaten folgen und die „Kampftruppe Herold“ wird grausam durch die Lande ziehen.

Der_Hauptmann Max Hubacher
© Weltkino Filmverleih GmbH

In Hollywood seine Sporen verdient

Robert Schwentke (geb. 1968) ist sicher mit ähnlicher geschichtlicher Pädagogik wie ich aufgewachsen. Man kann sagen, dass er sich in Hollywood einen Namen gemacht hat. Es können nicht viele deutsche Regisseure behaupten mit Stars wie Bruce Willis, Morgan Freeman, Kate Winslet, John Malkovich, Ryan Reynolds oder Jeff Bridges zusammengearbeitet zu haben. Qualitativ spricht man bei seinen US-Produktionen eher von Mittelmaß: ALLEGIANT, INSURGENT, R.E.D. oder R.I.P.D. das sind alles konkrete Auftragsarbeiten mit Bestseller-Literatur oder Comicvorlagen als Grundlage. Die Geschichte um die „Kampfgruppe Herold“ war jedoch schon immer in seinem Interesse und nach 13 Jahren Hollywood kehrte er für die deutsche Produktion DER HAUPTMANN in seine Heimat zurück.

Der_Hauptmann Max Hubacher Frederick Lau
© Weltkino Filmverleih GmbH

Keine Hilfe für den Zuschauer

Kameramann Florian Ballhaus hat ohne Zweifel das Talent seines Vaters Michael Ballhaus geerbt. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen wirken zu Beginn distanziert und erinnern eher an Archivaufnahmen. Aber mit dem schauspielerischen Einsatz von Max Hubacher als Willi Herold ist diese Distanz vorbei. Das Geschehen wird greifbar. Die Bilder sind gut komponiert und gewinnen der winterlichen Landschaft auch etwas Schönheit ab. Die Schauspielerbesetzung ist durchweg gelungen, Frederick Lau stößt sein freundliches Image ab und wird zu dem nach Gewalt süchtigen Kipinski.

Der_Hauptmann Frederick Lau
© Weltkino Filmverleih GmbH

Milan Peschel ist als Gefreiter Freytag die Sympathiefigur für uns Zuschauer, der eine gehorsame und beobachtende Rolle übernimmt. Aber diese wird dem Publikum nach der ersten Filmhälfte  genommen und auch Freytag muss unmenschliche Befehle befolgen. DER HAUPTMANN will ganz und gar nicht gefallen, er macht uns zu Zeitzeugen, kaut uns durch und spuckt das, was von uns übrig ist, auf den schlammigen Boden. Das ist von Robert Schwentke, der ebenfalls das Drehbuch geschrieben hat, auch so gewollt. Es gibt keinen moralischen Kompass, jeder ist auf sich selbst gestellt. Ab wann würde man selbst ins Geschehen eingreifen und die Gräueltaten beenden? Aber bei der Rezeption dieses Films sind wir zum Nichtstun verbannt.

Der_Hauptmann Alexander Fehling
© Weltkino Filmverleih GmbH

Fazit

DER HAUPTMANN ist ein qualitativ hochwertiger Film aus einer Welt, in der es keine Freude und moralische Orientierung gibt. Wer sich diesem monochromen Blick in die Hölle des blinden Gehorsams aussetzen möchte, wird zwei intensive Geschichtsstunden erfahren. Auch wenn der Abspann etwas über das Ziel hinausschießt, bleibt der Film ein gelungenes gesellschaftspolitisches Statement.

Eine sehr lesenswerte Filmkritik zum Blu-ray-Release findet ihr auf Die Nacht der lebenden Texte“.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewDer Hauptmann (2017)
PosterRobert Schwentke
Releaseab dem 15.03.2018 im Kino
ab dem 07.09.2018 auf Blu-ray und DVD
Bei Amazon bestellen:
RegisseurRobert Schwentke
Trailer
SchauspielerMax Hubacher (Willi Herold)
Milan Peschel (Freytag)
Frederick Lau (Kipinski)
Bernd Hölscher (Schütte)
Waldemar Kubus (Lagerleiter Hansen)
Alexnder Fehling (Offizier Junker)
DrehbuchRobert Schwentke
KameraFlorian Ballhaus
MusikMartin Todharow
SchnittMichal Czarnecki
Filmlänge 119 Minuten
FSKab 16 Jahren

 

 

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