Mitten im Paranoia-Kinojahrzehnt entstand DER DIALOG von Francis Ford Coppola. Ein intensiver Film mit seiner Mischung aus Charakterstudie und Spionagethriller. Über den Film, seinen Regisseur und Gene Hackman, in einer seiner besten Rollen, wurde viel gesprochen und geschrieben. Da es aber in der Handlung um eine „Nebenfigur“ geht, wenn man so will, derjenige, der die geheime Aufnahme an seinen Auftraggeber liefert, soll sich dieser Text um zwei Handwerke in der Filmproduktion drehen, die normalerweise nicht im Vordergrund stehen: der Schnitt und der Ton. DER DIALOG ist nicht nur ein Werk von Coppola und Hackman, sondern auch eines von Walter Murch – auch wenn offiziell Richard Chew die Credits für den Schnitt innehat. Murch hatte – wie er in seinen Gesprächen mit Michael Ondaatje erzählt, die im Buch „Die Kunst des Filmschnitts“ veröffentlicht wurden – wesentlichen Einfluss auf das Endergebnis ausgeübt. Aber erst einmal kurz zur Story:
Handlung
Harry Caul (Gene Hackman), der Abhörspezialist aus San Francisco bekommt den Auftrag das Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau in der Mittagspause aufzunehmen. Das ist nicht leicht, da beide immer an einem sehr belebten Platz unterwegs und extrem misstrauisch sind. Doch es gelingt Harry dennoch. Als er seine Arbeit persönlich beim Auftraggeber und Firmenchef (Robert Duvall) abgeben will, ist dieser nicht da. Doch sein Stellvertreter Martin Stett (Harrison Ford) will etwas zu energisch das Band an sich nehmen. Harry wird skeptisch und verlässt ohne Übergabe das Gebäude. Er beschließt, sich noch einmal den Aufnahmen zu widmen. Er entdeckt einen neuen Dialogfetzen, der ihn so sehr beunruhigt, dass er fürchtet, die Abgehörten mit der Aufnahme in Lebensgefahr zu bringen. Harry ist so etwas schon einmal passiert, früher in New York und das endete tragisch.

Einfluss auf die Handlung
Coppola erhielt die Idee durch einen Artikel im Life Magazin über einen Überwachungstechniker namens Hal Lipset. Das Drehbuch schrieb er bereits Ende der 1960er Jahre. Coppola konnte mit dieser Thematik fast prophetisch das Thema der Watergate-Affäre vorwegnehmen. DER DIALOG wurde zwischen DER PATE (1972) und DER PATE II (1974) gedreht. Der Film war überhaupt erst durch den Erfolg des Mafiadramas möglich, jedoch war die Drehzeit extrem begrenzt, da Coppola schnell mit dem Dreh von DER PATE II beginnen musste. Zeit und Geld ging dem Team aus und es konnten zehn geplante Drehtage nicht erfüllt werden. Dass sollte Walter Murch im Schnittraum richten. Zum Beispiel die Traumsequenz von Harry, ist eigentlich im Drehbuch eine Szene gewesen, in der Harry Ann in einem Park trifft. Jedoch wurde die vorherige aufwändige Verfolgungsszene zum Park nie gedreht und deswegen konnte die Parkszene hier eingesetzt werden. Die erste Langfassung betrug viereinhalb Stunden bevor der Film weiter gekürzt wurde und nach ersten negativen Testvorführungen weiter umstrukturiert wurde.

Harry ist mehr als der Protagonist
Beispiellos ist der Beginn von DER DIALOG. In einer langen Einstellung zoomt die Kamera immer weiter auf einen belebten Platz auf ein Pärchen heran, was sich unterhält. Aber auch der Ton verändert sich stetig zwischen starken Umgebungsgeräuschen und dem Dialog. Nicht nur der Blickwinkel wird fokussiert, sondern auch der Ton. Später erfahren wir, dass es sich um ein starkes Richtmikrofon mit Zielvisier handelt und wir deswegen dem Dialog nicht folgen können, wenn die Personen nicht zu sehen sind. Diese erste Szene auf dem Union Square vor dem Westin St. Francis in San Francisco führt uns in die gewissenhafte und komponierende Arbeit von Harry Caul ein. Sätze, die wir nicht verstehen, werden später in analoger Arbeit von Harry aus anderen Tonaufnahmen hineingeschnitten. Er schaltet sogar einen selbstgebauten Modulator dazwischen, um den letzten fehlenden Satz zu identifizieren.
„Er würde uns umbringen, wenn er es könnte.“
Die eng gefasste Perspektive, die Informationslücken und die subjektive Wahrnehmung der Hauptfigur machen DER DIALOG so spannend. Das Publikum rätselt mit, was es zu bedeuten hat, denn auch Harry wird bis zum Ende nicht vollständig verstehen, was geschehen wird. Die Verschwörung, die Hintergründe und das Machtgefüge sind nicht greifbar und wird immer wieder durch den übermächtigen Gegner untermauert.

Die Abhöraktion vom Beginn kennzeichnet auch die komplette Inszenierung. DER DIALOG ist eine Charakterstudie seiner Hauptfigur. Die Kamera bleibt permanent bei Harry und beobachtet ihn, auch wenn er gerade nichts sagt. Er ist eine schüchterne Person, verschlossen, aber dennoch wegen seines Erfolgs beliebt. Konkurrenten versuchen ihn auszufragen und sich mit ihm zu messen. Der Wettstreit im Abhören wirkt heute etwas altbacken, da jeder seine eigene Wanze in Form eines Smartphones bei sich hat, aber die Analyse dieser Arbeit findet umso genauer statt. Um auf Walter Murch zurückzukommen, der neben dem Filmschnitt auch noch für den Ton und Tonschnitt mitverantwortlich war, ist DER DIALOG fokussiert auf die Art und Weise, wie solche Handwerker arbeiten.

Diese Besessenheit geht natürlich auf Kosten der Persönlichkeit. Caul, sein Nachname bedeutet ins Deutsche übersetzt Glückhaube, was mit seinem dünnen Regenmantel, den er trägt, obwohl es nie regnet, unterstrichen wird. Aufgrund seiner Arbeit versteckt er seine Persönlichkeit. Unzählige Schlösser befinden sich an seinen Türen, selbst sein Arbeitsplatz ist ein Käfig aus Maschendraht. Seine Figur wird später noch einmal wunderbar in STAATSFEIND NR. 1 (1998) weiterentwickelt, jedoch mit mehr Fokus auf das Actionfilmgenre. Harry Cauls Persönlichkeit zeigt sich jedoch erst richtig ab der Hälfte des Films. Ab diesem Zeitpunkt verstummen zum großen Teil die Dialogszenen und die Aufmerksamkeit gilt den Bildern und dem Ton. Die letzte große Dialogszene ist die kollegiale Party nach der Abhörmesse und die Information, was Harry in New York widerfahren ist. Der Blick ist ab jetzt frei auf eine verletzliche Person, die so etwas nicht noch einmal erleben will. Doch zuletzt kann man seine Aufnahme als Baustein in einer größeren Verschwörung sehen, ohne dass Harry wusste, was passieren wird. Der Gegner ist übermächtig und treibt ihn dazu, am Ende seine Wohnung komplett nach Wanzen zu untersuchen. Selbst das Parkett und die Türrahmen werden herausgerissen. Die letzte Einstellung zeigt ihn mit seinem Saxophon in einer entkernten, zerstörten Wohnung. Interessant ist die letzte, ungewöhnliche Kameraperspektive schräg von oben. Vielleicht der Ort der Überwachung?

DER DIALOG auf Ultra HD Blu-ray

Francis Ford Coppolas DER DIALOG (THE CONVERSATION) erscheint an seinem 50-jährigen Jubiläum zum ersten Mal auf Ultra HD Blu-ray dank einer authentischen 4K-Restaurierung. Eine remasterte Blu-ray erscheint ebenfalls. Die Filme von Coppola sind bei Studiocanal stets in guten Händen wie zum Beispiel bereits APOCALYPSE NOW (1979) und zuletzt ONE FROM THE HEART (1982). Bei so einem Klassiker und damaligen Gewinner der Goldenen Palme in Cannes darf ein üppiges Bonusmaterial (140 Min.) nicht fehlen. Im Zusammenhang mit Walter Murch, liegt die Empfehlung auf dem Q & A (43 Min.). Zusätzlich enthält die 50th Anniversary Edition noch Featurettes, Audiokommentare von Coppola und Murch, Screen Test, Drehbuchbesprechungen, den Kurzfilm NO CIGAR (1956) und eine Bildergalerie. Das Artwork ist von Laurent Durieux – in meinen Augen einer der besten Plakatkünstler unserer Zeit. Klare Kaufempfehlung.
Fazit
Der Film ist ein Gespräch zwischen zwei Genres: Charakterstudie und Paranoia-Krimi zur gleichen Zeit. DER DIALOG war damals bereits treffsicher zeitgenössisch und hat an seiner fokussierten Intensität auch heute nichts eingebüßt.
Titel, Cast und Crew | Der Dialog (1974) OT: The Conversation |
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Poster | ![]() |
Release | seit dem 18.07.2024 auf UHD/Blu-ray, Einzel-Blu-ray und DVD erhältlich. Direkt beim Label bestellen. |
Regie | Francis Ford Coppola |
Trailer | |
Besetzung | Gene Hackman (Harry Caul) John Cazale (Stan) Allen Garfield (William „Bernie“ Moran) Cindy Williams (Ann) Frederic Forrest (Mark) Michael Higgins (Paul) Elizabeth MacRae (Meredith) Teri Garr (Amy Fredericks) Harrison Ford (Martin Stett) Robert Duvall (Der Direktor) |
Drehbuch | Francis Ford Coppola |
Kamera | Bill Butler |
Musik | David Shire |
Schnitt | Richard Chew |
Filmlänge | 109 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter