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Dein Schicksal in meiner Hand (1957) – Filmkritik

„Spindoctors“

Vor fast 70 Jahren war man sich der Macht der Medien bewusst und was sie in den falschen Händen bewirken kann. Monopole sind immer eine schlechte Idee, vor allem wenn es um Informationen geht. Der Kolumnist J. J. Hunsecker, der auf dem echten Zeitungskolumnist Walter Winchell beruht, nutzt in diesem Filmklassiker seine Macht in der Presse wie auch in seiner TV-Show zu seinem Vorteil. Der Einfluss basiert auf einem Grundgerüst aus Netzwerken, in dem jeder ihm einen Gefallen schuldet. Klingt nach Mafia? Ist es auch ein bisschen. Doch DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND, der im Original SWEET SMELL OF SUCCESS heißt, hat nicht den einflussreichen Medienmogul als Protagonisten. Der Film noir beschäftigt sich mit ein paar Gehaltsstufen darunter, mit dem PR-Agenten Sidney Falco. Denn der kann vielleicht noch das moralisch Richtige tun oder ist es bereits für alle in diesem Geschäft zu spät?

© MGM

Handlung

PR-Agent Sidney Falco (Tony Curtis) ist verzweifelt. Der mächtigste Zeitungskolumnist J. J. Hunsecker (Burt Lancaster) macht einen Bogen um seine Talente. Nicht etwa, weil die Künstler, die er betreut nicht erfolgreich sind, Hunsecker hat ihn aus seiner Zeitungsspalte verbannt. Sidney hatte versprochen die Schwester Susan Hunsecker (Susan Harrison) und den einfachen Jazzgitarristen Steve Dallas (Martin Milner) auseinander zu bringen. Für einen Club-Musiker ist J. J.s geliebte Schwester viel zu schade, auch wenn es die junge Liebe anders sieht. Sidney ist jedoch hartnäckig und zieht alle Register Steve zu diffamieren, um beim Medienkönig wieder in der Gunst zu stehen. Und dafür schreckt er vor nichts zurück.

© MGM

Poesie mit Biss

Für alle die gern Filme in der Originalversion – in diesem Fall englisch – schauen, ist SWEET SMELL OF SUCCESS die Königsklasse. Wer den geschwinden Dialogen voller Anspielungen und Doppeldeutigkeiten in einer Fremdsprache vollumfänglich folgen kann, den kann man nur beglückwünschen. Lancaster und Curtis sprechen ohne Punkt und Komma, vor allem wenn sie sich am Ende zusammentun, um die junge Liebe zu beenden. Man merkt hier deutlich wie viel Wert damals auf ein Drehbuch gelegt wurde. Viele Möglichkeiten – abgesehen von den Darstellern – gab es nicht, das Publikum in die Kinos zu locken. In DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND wird beides gekonnt ausgespielt, ein mitreißendes Drehbuch und zwei Superstars in für sie ungewöhnlich harten Rollen.

© MGM

„Match me, Sidney.“

Es bleibt wenig Zeit, um über Gesagtes nachzudenken oder die Charaktere zu definieren. Im Galopp geht es Zeile um Zeile weiter und das ist, neben dem ausgezeichneten Informationsnetzwerk, die wichtigste Fähigkeit eines Journalisten. Jemanden in Grund und Boden zu argumentieren ist selbst heute noch eine mächtige Eigenschaft der Medienschaffenden. Die flirrenden Schwarzweißbilder im nächtlichen New York von Kameramann James Wong Howe sind beeindruckend, kommen aber gegen den fein ausbalancierten Dialog von den Drehbuchautoren Clifford Odets und Ernest Lehman nicht an. Warum der Dialog so gut funktioniert, liegt zum einen an dem Wissen der langjährigen Medienkarriere von Ernest Lehman und zum anderen am Verhältnis der beiden Protagonisten, welche die Darsteller mit Haut und Haar verkörpern zu wissen. Das alles ist auch Regisseur Alexander Mackendrick zu verdanken, der nicht die erste Wahl des Studios war.

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Der Mächtige und sein Gefolgsmann

Sidney will vor allem Geld verdienen, aber noch viel mehr giert er nach der Anerkennung von Hunsecker, der Showbusiness und Politik geschickt zu lenken weiß und bestimmt, was die Zeitungen und dementsprechend die öffentliche Meinung ist. Hunsecker nutzt seinen Einfluss aus Gefallen, um stets an der Macht zu bleiben. Immer wieder bekommt er Tipps und Hinweise auf die nächste Topstory, die er meist ablehnt, denn die besten Schlagzeilen sind die, die er exklusiv hat. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn er den Tod einer jungen Dame als romantischen Selbstmord deklariert. In seinem Schatten versucht Sidney immer näher heranzukommen, wirft seinem Idol ein paar Schlagzeilen zu. Doch Hunseckers Interesse wird erst erweckt, als Sidney sich um die familiären Angelegenheiten kümmert. Seine Schwester hat jemand Besseres verdient als diesen Jazz-Musiker. Zuerst versucht es Sidney noch mit den Mitteln der Medien und verbreitet Lügen in der Zeitung – zur damaligen Zeit kommt die Verbindung zu Kommunisten und Marihuana einer öffentlichen Verbannung gleich. Diese Medienlenkung gelingt ihm über die Umwege der Zuhälterei. Doch es gelingt nicht komplett. Sidney wird nach anfänglichem Zögern auch noch die letzte moralische und gesetzliche Grenze überschreiten, das Fälschen von Beweismitteln.

© MGM

Eines macht diesen Film noir besonders, denn es gibt so etwas wie ein gutes Ende, was nur selten vorkommt. Im Finale werden die Durchtriebenen gegeneinander ausgespielt und Susan wird den Intrigensumpf verlassen. Sie befreit sich aus dem Einfluss ihres Bruders und beginnt ein eigenes Leben. Dieses Ende macht DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND auch heute noch zu einem packenden Film, denn sonst endeten Hollywoodfilme der damaligen Zeit mit einem Kampf zwischen den beiden männlichen Protagonisten. Einer stirbt und der andere bekommt das Mädchen. Die Frau galt es zu retten oder ihre Liebe zu gewinnen. Hier jedoch sieht Susan in den beiden durchtriebenen Öffentlichkeitslenkern keine Zukunft für sich und verlässt sie im Sonnenaufgang am Broadway.

© MGM

Der Erfolg noch Heute

DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND ist zeitlos geblieben. Heute wartet zwar keiner mehr vor dem Morgengrauen auf die Frühausgabe der Tageszeitung, um zu wissen welche Nachrichten die Tagesthemen bestimmen. Durch die Digitalisierung der Nachrichten- und Medienwelt ist die Branche zu einem 24-Stunden-Betrieb geworden, der nahezu unendlich Informationen bereitstellt. Für jede Information und jede Meinung gibt es Abnehmer. In den 1950er-Jahren gab es wenige Zeitungen und TV-Sendungen, die bestimmt haben, was die Gesellschaftsthemen sind. Heute gehorcht die öffentliche Meinung dem Algorithmus von Technologiekonzernen, dem eigenen Mediennutzungsverhalten und der Intensivität der Schlagzeile. Je kürzer, je knallharter und je unreflektierter die Nachricht ist, umso besser kommt zu sie durch den Äther an ihre Followers und Nutzer. J.J. Hunsecker hätte heute einen YouTube-Kanal, einen Podcast und unzählige Follower im Social Media. Sidney Falco wäre sein Redakteur und würde Sponsorenverträge mit den tagesaktuellen Top-Themen verknüpfen.

Fazit

Es ist ein schneller und unbequemer Film. Wer das System hier nicht schnell genug durchschaut, bleibt auf der Strecke. DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND wirkt, auch dank der einnehmenden Darsteller und echten New Yorker Szenen, noch lange nach, wenn man bereits ganze Staffeln von Webserien vergessen hat. Zeitlos und sehenswert.

 

Gesehen im Zuge meiner Filmchallenge #FLUXScorseseMasterclass.

© Christoph Müller

 

Titel, Cast und CrewDein Schicksal in meiner Hand (1957)
OT: Sweet Smell of Success
Poster
ReleaseKinostart: 25.04.1958 (BRD)

In HD mit deutscher Synchronisation nur als VoD verfügbar.
Auf Blu-ray als UK-Import von Arrow Video erhältlich.
RegieAlexander Mackendrick
Trailer

Englisch
BesetzungBurt Lancaster (J. J. Hunsecker)
Tony Curtis (Sidney Falco)
Susan Harrison (Susan Hunsecker)
Martin Milner (Steve Dallas)
Sam Levene (Frank D’ Angelo)
Barbara Nichols (Rita)
Robert Carson (Lou)
Jeff Donnell (Sally)
David White (Elwell)
Joe Frisco (Herbie Temple)
Emile Meyer (Lt. Harry Kello, NYPD)
Edith Atwater (Mary)
DrehbuchClifford Odets
Ernest Lehman
KameraJames Wong Howe
MusikElmer Bernstein
SchnittAlan Crosland
Filmlänge96 Minuten
FSKab 16 Jahren

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