„Ein Mann sieht Rot“
1974 kommt die Charles Bronson-Verfilmung des Romans „Der Vigilant“ als EIN MANN SIEHT ROT in die Kinos. Sie fachte schon damals hitzige Diskussionen über Selbstjustiz und Gewalt an. Die fragwürdigen Botschaften des Films sind bis heute nicht unkritisch zu betrachten und gehören diskutiert. Diese Kontroverse verhalf dem Film zu einem nennenswerten Erfolg und es folgten vier Fortsetzungen mit Charles Bronson als Paul Kersey. Bereits 2016 wurden Pläne für eine Neuverfilmung angekündigt und 2018 unter der Leitung von Eli Roth (HOSTEL, DEATH PROOF) und mit Bruce Willis (DAS FÜNFTE ELEMENT, STIRB LANGSAM) als Paul Kersey umgesetzt. Auch nach 30 Jahren wird die Geschichte um den rachedurstigen Paul Kersey mit viel Kritik empfangen. In einer Zeit in der die Polizei immer öfter offener Feindschaft gegenüberstehen, gießt da ein Film über Selbstjustiz nicht noch das sprichwörtliche Öl ins Feuer?
Inhalt
Paul Kersey ist erfolgreicher Arzt, liebevoller Vater und treuer Ehemann. Die Familie Kersey ist die Blaupause des amerikanischen Traums. Doch die Idylle wird von einem zum anderen Tag zerstört, als Tochter und Frau im eigenen Haus überfallen werden. Was als einfacher Raub geplant war, läuft gewaltig aus dem Ruder. Lucy Kersey wird beim Versuch ihre Tochter zu retten erschossen und Jordan Kersey kommt schwer verletzt in ein Krankenhaus. Für Paul bricht eine Welt zusammen. Die Hoffnung auf Gerechtigkeit wird ihm dabei auch schnell genommen, als er realisiert, dass der Kriminalpolizei Mittel und Personal fehlen, um dem Verbrechen angemessen nachzugehen. Hilflosigkeit wandelt sich in Wut und Rache um und so beschließt der gesetzestreue Mann von einst nun die Gerechtigkeit in seine eigenen Hände zu nehmen.
Helden braucht das Land
Unter den Top 10 erfolgreichsten Filmen aller Zeiten sind allein vier Superheldenfilme. Das liegt sicher nicht nur an der bunten und fantasievollen Gestaltung dieser Charaktere und Welten. Der Wunsch nach Gerechtigkeit und einem Helden, der für diese einsteht, ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Eli Roth vergleicht die Figur des Paul Kersey in DEATH WISH daher gerne mit diesen überspitzten Heldentypen. Im Gegensatz zu IRON MAN oder CAPTAIN AMERICA ist hier jedoch keine Superdroge oder Hightech im Spiel. Vielmehr wird ein realistischer Ansatz gesucht, in den sich jeder Mann hineinversetzen soll. Die Grundidee ist hierbei gar nicht problematisch, sondern vielmehr die Konsequenzlosigkeit. Aber ich greife zu weit vor.
Solider Actionfilm
Im Kern ist DEATH WISH ein guter Actionfilm und Bruce Willis zeigt das, was er am besten kann: Grimmig schauen und bösen Kerlen eins aufs Dach geben. Mit 63 Jahren ist er nun nicht mehr der Jüngste, dementsprechend hat sich auch die Action angepasst. Willis rennt nicht mehr wie John McClane in STIRB LANGSAM durch die Gegend, vielmehr ist hier das Vorgehen von Paul Kersey geplant und kontrolliert. Das passt gut zum Beruf des Chirurgen der Hauptfigur und hebt auch die Brutalität der Szenen hervor. Gewalt spielt eine große Rolle im Film, taucht aber nicht so häufig auf wie man zuerst vermuten würde. Die wirklich gut in Szene gesetzte Action bietet einen starken Kontrast zu den sehr ruhigen Passagen, in denen die andere Seite von Paul Kersey dargestellt wird. Den gebrochenen und verzweifelten Vater spielt Bruce Willis überzeugend. Emotionen sind nicht gerade das Markenzeichen von Bruce Willis, aber er schafft es trotzdem die Zuschauer mitzunehmen. Der Film erarbeitet sich streckenweise sogar Verständnis und fast schon Mitleid für seine Hauptfigur. Hierfür dienen besonders die einsamen Einstellungen von Paul Kersey im leeren Haus, das nicht mehr sein Heim zu sein scheint. Bis hierhin ist DEATH WISH also gar nicht so schlecht.
Warum muss man DEATH WISH anders bewerten ?
Der große Unterschied zwischen DEATH WISH und Vertretern seines Genre liegt aber im vorher bemerkten Ansatz. Der übliche Actionknaller ist laut und übertrieben. So ein Feuerwerk schaut man sich an und weiß, wie unwirklich die Situationen gerade sind. Genau hier möchte Eli Roth Realismus und kritische Fragen einbringen. Der Realismus gelingt bis auf weite Strecken gut, aber das kritische Hinterfragen bleibt auf der Strecke. Die Polizei wird zwar nicht unfähig, sondern durchaus intelligent durch Dean Norris (BREAKING BAD, THE DOOM) und Kimberly Elise (DOPE, ALMOST CHRISTMAS) dargestellt, ist aber überfordert und machtlos. Es wirkt schon sehr zynisch, wenn an der Pinwand mit den ungelösten Fällen im Revier nur der Hinweis „We need a bigger board!“ hängt. Den ganzen Film über bleibt die Polizeiarbeit auch eher ein Witz, wohingegen die Taten von Paul Kersey als moralisch tragfähig und richtig dargestellt werden. Kritische Stimmen gibt es kaum, bis auf ein paar Einspieler von bekannten amerikanischen Radiosendern und der Figur von Pauls Bruder Frank, dargestellt durch Vincent D’Onofrio (FULL METAL JACKET, JURASSIC WORLD), scheint es niemanden wirklich zu stören, dass jemand das Gesetz in die eigenen Hände nimmt. Aber auch diese Stimmen verstummen schnell, wenn das Argument Familie fällt. Schnell baut sich ein regelrechter Kult in den Medien und YouTube auf. Der Reeper, wie Paul genannt wird, wird gefeiert und Konsequenzen werden vernachlässigt. So wird zwar erwähnt, dass Nachahmer verletzt oder sogar getötet wurden, Auswirkungen hat dies aber keine. Auch Paul Kersey scheint keine Konsequenzen aus seinem Tun zu haben. Verletzungen oder Verfolgung durch die Polizei sind minimal und so bleibt er immer moralisch überlegen.
Fazit
DEATH WISH ist kein purer Actionfilm. Handwerklich ist der Film von Eli Roth gut, moralisch aber äußerst fragwürdig. „Heiligt der Zweck die Mittel“ ist die allumfassende Frage. Über die gesamte Strecke des Films bleibt die Antwort zu einseitig. Wenn der Abspann von DEATH WISH startet, könnte man denken, die Message ist: Wir sollten in Wilder Westen-Manier doch alles in die eigenen Hände nehmen. Das ist selbst für die Zielgruppe ab 18 unzureichend. Der Zuschauer sollte auf jeden Fall vieles hinterfragen und dieser „Heldengeschichte“ nicht trauen.
Fragt sich, ob DIE NACKTE KANONE noch eine Chance auf einen Oscar hat / kann Käsekuchen nicht widerstehen / sollte ohne Korrekturlesen nichtmal ’ne SMS schreiben.
Hm, die Action-Szenen fand ich eher durchschnittlich inszeniert, Mark Goldblatt hat sie nur ansehnlich zusammen montiert. Das gleiche kann man dann von den Dialogen leider nicht sagen, wo öfters mitten im Satz gegen geschnitten wird, was ich persönlich immer unschön finde, da es holprig wirkt. Insgesamt lässt der Film auch sein Ziel vermissen, man kann nicht erkennen, worauf Carnahans Drehbuch jetzt hinaus will, gerade weil es sich zunehmend darum drückt, irgendeine Aussage zu tätigen. Für mich ein misslungener Film, vielleicht neben DER MANN OHNE GNADE, der ähnlich erfolglos um Relevanz rang, der schlechteste der Reihe. Und das liegt tatsächlich weder an Willis noch an Roth.