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Das Urteil von Nürnberg (1961) – Filmkritik & Review zum Mediabook

„Recht und Schuld der Filmgeschichte“

Immer wieder findet man diesen Klassiker der Filmgeschichte in den Listen der Besten aller Zeiten. Nicht ohne Grund hält sich der im Original betitelte „Judgment at Nuremberg“ seit Jahren in den IMDb-Top 250 mit 8,2 von 10 Punkten. Es wurde nun Zeit, dass sich jemand hierzulande diesem Film annimmt und ihm ein HD-Master spendiert. Capelight hat sich den sicherlich nicht rosigen Umsatzzahlen dieses Films gestellt und jetzt ist es, dank dem Berliner Label, wieder möglich DAS URTEIL VON NÜRNBERG zu einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis für die eigene Filmsammlung zu erstehen. Vorher konnte man nur auf die DVD der United Artist-Edition zu hohen Wiederverkaufspreisen zurückgreifen. Stellt sich mir und auch vielen Filmfans da draußen die Frage, ob dieser Klassiker mit dem Entstehungsjahr von 1961 immer noch seinen filmischen Reiz hat.

Das Urteil von Nürnberg Mediabook Review
Irene Hoffmann (Judy Garland) und Dan Haywood (Spencer Tracy) // © capelight

Inhalt

1948 trifft der amerikanische Richter Dan Haywood (Spencer Tracy) in Nürnberg ein, um dort den Prozess über die führenden Juristen der NS-Zeit in Deutschland zu leiten und ein Urteil zu fällen. Die Anklage wird durch den motivierten Colonel Tad Lawson (Richard Widmark) vertreten. Die vier Angeklagten werden von dem charismatischen Hans Rolf (Maximilian Schell) vertreten. Rolf sieht im Haupt-Angeklagten Dr. Ernst Janning (Burt Lancaster) ein Vorbild und unternimmt alles in seiner Macht stehende, um diesen vor einem Todesurteil oder einer lebenslangen Haftstrafe zu verschonen. Richter Haywood ist nicht gerade die erste Wahl, oder wie er selbst sagt, nicht einmal die zehnte gewesen, weil er aus einer ländlichen Region der USA kommt und mit dem Dritten Reich nur durch die Medien in Kontakt gekommen ist. Er ist auch das Zentrum der Geschichte, denn mit ihm lernen die Zuschauer einen Blick in das Deutschland der Nachkriegszeit kennen, bekommen ein Gespür für die Kultur und sind mit ihm auf der Suche nach der Antwort auf die Frage: Wer hat von den Gräueltaten der Nazis gewusst und nichts dagegen unternommen?

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© capelight

Ein mehrschichtiger Blick in die Geschichte

Der Film ist mit seinen drei Stunden Laufzeit ein wahres Monument aus den 60er-Filmjahren inklusive einem mit Musik unterlegten Intro und einer mehrminütigen Intermission. Das Staraufgebot kann sich definitiv sehen lassen und zu den bereits genannten Größen kommt Marlene Dietrich als Nazi-General-Witwe Berthold und ein äußerst schnittiger William Shatner (STAR TREK) als Captain Harrison Byers hinzu. Man muss sich vor dem Film dem geschichtlichen Zusammenhang jedoch bewusst werden: Interessant ist vor allem, dass der Film 1961 gedreht wurde, als der Kalte Krieg auf Hochtouren lief, die Handlung jedoch 1948 spielt. Hier ist die Verurteilung der Kriegsverbrecher medial schon gar nicht mehr interessant, denn ein Machtkampf zwischen den USA und Russland manifestiert sich in der Trennung Deutschlands. Dies wird auch zum Nebenthema der Geschichte, denn Menschen hatten in dieser Zeit bereits Angst vor dem nächsten Konflikt.

Aber DAS URTEIL VON NÜRNBERG findet durch Haywood einen eigenen Zugang zu 1948. Er ist ein einfacher, herzensguter Richter, der sich dieser Aufgabe kaum gewachsen sieht, vor allem wegen seines schon fortgeschrittenen Alters. Aber dennoch nimmt er die Herausforderung an und versteckt sich nicht nach den langen Arbeitstagen. Er erkundet die Stadt, die Menschen und ermittelt, wie so etwas passieren konnte. Ein bisschen ungewohnt ist dieser Ansatz, da man immer denkt, bei Gerichtsverhandlungen darf man sich nicht von anderen beeinflussen lassen. Aber hier ist es sinnvoll, da Haywood Deutschland nicht kennt. Selbst über 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kann immer noch keine simple Antwort auf die Frage nach der Schuld der Zivilbevölkerung finden. Was den Film aber dann zum Geniestreich werden lässt, ist die Stellungnahme des Angeklagten Ernst Janning, gespielt von Burt Lancaster (DER LEOPARD, THE TRAIN) kurz vor dem Urteil.

Das Urteil von Nürnberg Mediabook Review
Hans Rolf (Maximilian Schell) und Tad Lawson (Richard Widmark) // © capelight

Die Inszenierung ist trotz des Alters und dem einfachen Handlungsort immer noch spannend. Die ausgewogenen Schwarz-Weiß-Aufnahmen des ungarisch-amerikanischen Kameramanns Ernest Lazlo zeigen auch bildlich, dass der Fall weder ein Schwarz oder Weiß kennt, sondern alles differenziert in Grautönen betrachtet wird. Die Performance der Schauspieler ist immer noch beeindruckend, vor allem Maximilian Schell, der den Oscar für die beste Hauptrolle gewann. DAS URTEIL VON NÜRNBERG von Regisseur Stanley Kramer ist in diesen politisch brisantem Nachwehen der McCarthy-Ära (Wikipedia) auch ein mutiger Schritt gewesen.

Das Urteil von Nürnberg Mediabook Review
Richter Haywood und Frau Berthold (Marlene Dietrch) // © capelight

 

Das Mediabook

Das Urteil von Nürnberg Mediabook Review
Mediabook Cover © capelight

Allem voran ist das Mediabook wirklich ein optischer Hingucker geworden. Ein mattschwarzer Einband mit Schrift und Bildern in Hochglanz. Vorder- und Rückseite sind ausgezeichnet gedruckt und produziert. Auch beim Booklet wurde sich mit dem Layout wieder viel Mühe gegeben und die Fotografien werten den leider eher schwachen Booklet-Text extrem auf. Man hat gleich das Gefühl, monumentale Filmgeschichte in den Händen zu halten. Das HD-Bild ist kontrastreich und scharf, diese restaurierte Version kann sich sehen lassen und auch der Ton ist trotz seines Alters klangreich. Es lohnt sich auch, den Film in Originalsprache zu sehen, da die Verständigungsprobleme während der Gerichtsverhandlungen gut ins Geschehen verwoben sind. Die knapp eine Stunde langen Extras mit einem Gespräch von Drehbuchautor Abby Mann und Maximilian Schell (20 min) und ein Tribut an Stanley Kramer (15 min) runden dieses Stück Filmgeschichte perfekt ab.

Fazit

Wer behauptet, sich mit Filmklassikern auszukennen, sollte DAS URTEIL VON NÜRNBERG auf jeden Fall gesehen haben. Es ist immer noch eine anspruchsvolle Suche nach den Schuldigen und einem gerechten Urteil, über die man im 21. Jahrhundert immer noch diskutieren kann. Das Mediabook von capelight ist tadellos und darf in keiner anspruchsvollen Filmsammlung fehlen.

TitelDas Urteil von Nürnberg (1961)
OT: Judgment at Nuremberg
RegisseurStanley Kramer
PosterDas Urteil von Nürnberg Filmkritik
Release2-Disc Mediabook von capelight
Bei Amazon kaufen
Trailer
SchauspielerSpencer Tracy (Chief Judge Dan Haywood)
Burt Lancaster (Dr. Ernst Janning)
Richard Widmark (Col. Tad Lawson)
Marlene Dietrich (Mrs Bertholt)
Maximilian Schell (Hans Rolf)
Judy Garland (Irene Hoffman)
Montgomery Clift (Rudolph Petersen)
William Shatner (Capt. Harrison Byers)
Werner Klemperer (Emil Hahn)
Kenneth MacKenna (Richter Kenneth Norris)
DrehbuchAbby Mann
KameraErnest Laszlo
MusikErnest Gold
SchnittFrederic Knudtson
Technische DatenBildformat: 1,66:1 (HD 1080p, 23,98 fps)
Tonformat: Deutsch, Französisch in Stereo 2.0
Untertitel: Deutsch
Filmlänge188 min
AltersfreigabeAb 12 Jahren freigegeben

Ein Gedanke zu „Das Urteil von Nürnberg (1961) – Filmkritik & Review zum Mediabook“

  1. Der Film zeigt einige Veränderungen und fügt neue Komponenten hinzu im Vergleich zu den realen Prozessen. In der Historie gab es keinen schuldbewussten Richter wie bei der Figur von Burt Lancaster.

    Bemerkenswert ist hier auch das Gericht außerhalb des Gerichtssaals, wenn Richter Haywood mehrfach Personen befragt. Die Figur von Schell wird außerhalb des Gerichts nicht gezeigt – nur am Ende nach dem Urteilsspruch.

    Das Mediabook ist wertig gestaltet – kann ich zustimmen. Der Preis ist auch sehr gering.

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