„Das Charles-Bronson-Prinzip“
Spätestens mit KALTER SCHWEIß (1970) von Terence Young entwickelte sich der Name Charles Bronson langsam immer mehr zu einem eigenen Subgenre des Thriller-Action-Kinos:
Einzelgänger mit Schnauzbart nimmt das Gesetz in die eignen Hände und vertritt es mit Fäusten und einem lockeren Abzug an der Waffe.
Dabei ist er entweder selber ein Outlaw, der sich gegen die eigenen Leute stellt, oder ein furchtloser Normalo mit Vergangenheit, der die Bösen mit ihren eigenen Waffen schlägt. Ohne viele Worte zeichnet er sich dadurch aus, dass er dahin geht, wo es weh tut. Ob als Auftragskiller in KALTER HAUCH (THE MECHANIC, 1972), Melonenfarmer mit militärischem Hintergrund in DAS GESETZ BIN ICH (MR. MAJESTYK, 1974), oder Architekt und Familienvater in der EIN MANN SIEHT ROT-Reihe (DEATH WISH, 1974 – 1994), sehen wir immer wieder den gleichen Typus Held. Bei aller Brutalität in seinem Handeln, vertritt er eine höhere, fast alttestamentarische Macht zum Wohle der Schwächeren. In Zusammenarbeit mit namhaften Regisseuren wie Don Siegel, Michael Winner, oder J. Lee Thompson entstehen so actionreiche 70er Jahre Genreperlen im Geiste der Figur des uramerikanischen Westener. Bei aller Coolness und handwerklicher Klasse, kann man den meisten dieser Filme eine gewisse konservative, eher dem republikanischen Geist der amerikanischen Gesellschaft zugewandte Grundphilosophie nicht abstreiten. Das Böse kann nur mit Waffengewalt und eigenen Gesetzen bekämpft werden und ist so einer höheren, oft schwerfälligen und korrumpierbaren Instanz wie der des Staats immer überlegen. Genau an dieser spannenden Schnittstelle beginnt DAS GESETZ IST DER TOD.
Die Handlung
Ein grausames Massaker an einer Mormonenfamilie, dem alle drei Frauen und Kinder zum Opfer fallen, bringt Polizeichef Barney Doyle (Daniel Benzali) und Zeitungsreporter Garret Smith (Charles Bronson) auf den Plan. Da Doyle als neuer Bürgermeister von Denver kandidieren möchte, will er diesen Mord schnell aufgeklärt haben. So lässt er den während der Tat abwesenden Familienvater (Charles Dierkop) verhaften, um der Öffentlichkeit erste Erfolge präsentieren zu können. Doch für Reporter Smith geht der Fall tiefer. Er gewinnt das Vertrauen des Verdächtigen und so einen besonderen Blick auf zwei archaisch mormonische Sektengemeinden. Ihre Anführer sind die seit Jahren verfeindeten Brüder Willis (Jeff Corey) und Zeenas (John Ireland). Beide bezichtigen sich jeweils gegenseitig den vielfachen Mord beauftragt zu haben und beschwören einen Familienkrieg in bester Westerntradition in den Bergen Colorados herauf. Zusammen mit Jastra (Trish Van Devere), der Verlegerin einer Provinzzeitung in der Nähe von Zeenas Farm, versucht Smith den blutigen Konflikt vermittelnd zu verhindern und den wahren Drahtzieher hinter dem Mord aufzudecken. Steckt wirklich die religiös motivierte Fehde dahinter, oder vielleicht eine dritte Instanz mit ganz anderen Interessen?
Die Themen des Films
A Country For Old (White) Men
In diesem Film bestimmen weiße, alte Männer die Handlung. Ihre Entscheidungen treffen sie in elitären Räumen und lassen sie von ihren Untergebenen draußen, in einer noch heute urtümlichen Westernlandschaft durchführen. Da sind zum einen die beiden religiösen Führer die mit ihren fundamentalistischen Ideen ihre jeweilige Gemeinde in einen heiligen Krieg schicken. Ihnen sei zugute zu halten, dass sie dabei auch selbst in die Schlacht ziehen. Und da sind Politiker, sowie reiche Geschäftsmänner, die in luxuriösen Hotels ganz nebenbei die Geschicke ihrer Stadt zum Wohle ihrer eigenen Interessen lenken wollen. Zwischen diesen beiden Welten kann sich nur ein Journalist mit einer gewissen Freiheit bewegen und so zu einem finalen Aufklärer der Wahrheit werden. Wen das entfernt an die aktuellen USA erinnert, wo ein über 60 jähriger weißer Mann in einem elitären Weißen Haus, mithilfe reicher Industrieller und religiöser Gruppen, seine Sicht der amerikanischen Werte durchzusetzen versucht und die Presse als eigentliche Bedrohung seines weißen Amerikas ansieht, der findet bei diesem Spät-Bronson einige spannende Parallelen. Fast schon prophetisch mutet der ganz und gar nicht perfekte Film zumindest in diesem Punkt an. Interessant auch, dass der Held in diesem Szenario dabei selber weiß, über 60 und ein Mann ist.
Ohne jemals selber auf einen der bösen Jungs zu schießen, geschweige denn ihn umzubringen, geht Bronson hier einen seinem schon fortgeschrittenen Alter entsprechenden, fast würdigen Gang Richtung finaler Gerechtigkeit. Auch wenn er zum Schluss mal kurz auf alte Boxertugenden zurückgreifen muss, beschreitet er einen weitestgehend gewaltfreien Weg, um sein Ziel zu erreichen. Dabei ist er weiterhin der unerschrockene Einzelkämpfer wie wir ihn aus all seinen Filmen kennen. Ob das wirklich von den Machern so gewollt war oder eher unfreiwillig genauso daher kommt ist da vielleicht gar nicht mehr so wichtig. Frauen sind in diesem Szenario entweder Opfer oder hübsche Staffage dieser alten Männer. Nur die verwitwete Verlegerin darf ein wenig auf Bronsons Augenhöhe agieren. Das ist auch heute noch sicher keine ganz unbekannte Konstellation. Noch sind junge Helden, besonders weibliche, nicht in der Position wirklich ein relevantes Gegengewicht zur real weißen Altherrenwelt sein zu dürfen. Sind wir mal ehrlich, Wonder Woman und Captain Marvel sind weder real noch wirkliche Vorbilder für einen modernen Feminismus. Wenn Mann/Frau möchte, kann man diesen Film durchaus auch unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Wer sich bei DAS GESETZ IST DER TOD auf diese Thematiken konzentriert und die darin enthaltenen Westernmotive erkennen möchte, sieht zumindest keinen schlechten Film.
Kein schlechter Film ist aber auch kein Guter
Der Film beginnt verheißungsvoll mit einer düsteren Titelmusik von Robert O. Ragland (AMERICAN MONSTER), die ein wenig an Jerry Goldsmith´s DAS OMEN erinnert. Doch dieses musikalische Thema wird uns erst wieder beim Abspann begleiten. Schade, denn gerade dieses mystische Grundmotiv hätte die interessante Thematik einer missbrauchten Religiosität zur Durchsetzung egoistischer Machtansprüche noch stärker unterstützen können. Doch das unausgegorene Drehbuch, was gerade zum Schluss hin, die Handlung immer mehr in Richtung einer TV-Krimifolge a la MORD IST IHR HOBBY hin entwickelt, weiß mit dieser Grundidee auf Dauer nichts anzufangen. Gerade die Mischung aus Western und religiösem Fanatismus, die in einem recht gut aufgebauten Shootout zwischen den beiden Familien kulminiert, wird leider nicht konsequent zu Ende erzählt. So schwankt alles auf ein lauwarmes Finale hinaus, was einen eher enttäuscht ob seiner verschenkten Möglichkeiten zurück lässt, als wirklich zu begeistern.
Bronson oder nicht Bronson?
Ein in die Jahre gekommener Actionsenior, der nicht mehr das tut wofür er sich eine große Fangemeinde erspielen konnte. Ist das noch Bronson? In seiner Grundhaltung schon. Immer noch kann er mit seiner Aura und seinem mimischen Understatement überzeugen. Doch wirklich spannend und überraschend ist das alles nicht mehr. Auch Regisseur J. Lee Thompson (immerhin mal oscarnominiert für DIE KANONEN VON NAVARRONE) packt hier eher die inszenatorische Gehhilfe aus, als mit wirklich actionreichen Tempo gegen sein eigenes Pensionsalter anzuschleichen. Hin und wieder blitzen zwar alte Stärken in Form klug komponierter Einstellungen auf, dennoch wirkt alles ein wenig zu altersweise. Die bereits achte Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Hauptdarsteller hat beide zu einer gemächlicheren Gangart übergehen lassen. Das war angesichts der Zeit auch nicht unbedingt eine falsche Entscheidung. Bei Cannon Films selbst waren mit Sylvester Stallone, Chuck Norris, Jean Claude van Damme und Michael Dudikoff, die weitaus beweglicheren Helden im Actionsortiment. So besannen sich die Macher dieses Films bei einer der letzten Produktionen im Hause Golan/Globus (Konkurs Ende 1989) eher auf eine seniorengerechtere Herangehensweise. Das hat durchaus einen gewissen Alterscharme, wäre aber ohne Bronson eher ein Kandidat für die VHS-Wühltheke beim nächsten 80er-Jahre-Flohmarkt.
Die Blu-ray im Mediabook
Außer den obligatorischen Trailern im unbearbeiteten VHS-Look weist diese Veröffentlichung keinerlei Extras auf. Das ist schade, denn ein bisschen mehr Hintergrund zu diesem doch eher unausgereiften Film wären durchaus interessant. Wenn der Film selbst schon nicht völlig überzeugen kann, möchte man vielleicht ein wenig mehr darüber erfahren, warum er vielleicht nicht so geworden ist wie man ihn gerne gehabt hätte. Das Bild ist sehr gut und vermittelt echtes Filmfeeling. Zu mehr als einer Vervollständigung der eigenen Charles-Bronson-Blu-ray-Collection reicht es aus meiner Sicht allerdings nicht wirklich.
Fazit
Nur für eingefleischte Fans des grimmigen Charles, Politologen und Anthropologen auf der Suche nach der Allmacht „böse weiße Männer“ im amerikanischen Film und müde gewordene Actionfans, die vielleicht selber schon jenseits der 60 sind und beim sonntäglichen Abenteuerfilm die Ehefrau nicht mit zu viel Krawumm erschrecken wollen, geeignet.
Winnetou, Erol Flynn und Harold Lloyd sind die Helden seiner Kindheit / Weint leidenschaftlich bei E.T. / Will seit er 10 ist, Filmregisseur werden / Liebt komplexe Filmmusik und hält überhaupt nichts von kommerziellen Soundtracks mit Popsongs, die im Film gar nicht vorkommen / Würde gerne mit Agent Cooper im Double R Diner einen Kaffee-Marathon bestreiten / Das beste Auto der Welt: ein DeLoreon natürlich
Schöne, einzelne Themen aufschlüsselnde Kritik zu dem Film. Thompson soll während der Dreharbeiten erkrankt sein und mehr als ein Drittel von Regieassistent Robert Ortwin fertig gestellt worden sein. Thompson war ja ein Meister „in der Kamera“ zu schneiden, doch hier gibt es immer wieder Einstellungen und Fahrten, die völlig konzeptlos wirken und wie einfach nur durchgefilmt. Das konnte ih mir erst erklären, als ich von Thompson Ausfall hörte. Beim nachfolgenden KINJITE – TÖDLICHES TABU ist Thompson diesbezüglich wieder voll auf der Höhe. Bronson selbst soll wohl nach DEATH WISH III – DER RÄCHER VON NEW YORK ruhigere Rollen gefordert haben. DER MORDANSCHLAG, der in seiner Betulichkeit inszenatorisch an die frühen 1960er erinnert, und eben DAS GESETZ IST DER TOD waren solche Filme. Aufgrund des ausbleibenden Erfolgs trieb man Bronson aber wieder zur Gewalt zurück. Die Freundschaft zu Menahem Golan zerbrach letztlich daran, da dieser Jahre nach Bronsons Abschied von der Leinwand einen weiteren „Death Wish“-Film einforderte, der vor Gewalt nur so strotzt und die Figur des Paul Kersey engültig mit Serienkillern wie Michael Myers oder Jason Vorhees auf eine Stufe stellt. Ach Gott, jetzt bin ich ins Schwafeln gekommen. Vielen Dank auf jeden Fall für diese, dem Film gerecht werden wollende, seriöse Kritik.
Vielen Dank!