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Cotton Comes to Harlem (1970) – Filmkritik

Das Black Cinema ist vielseitig. COTTON COMES TO HARELM ist ein früher Vertreter dieser Ära und dank seiner Bestandteile bereits ein vollwertiges Gesamtpaket. Man kann sogar von einem Unterhaltungsfilm sprechen, denn für Blaxploitation ist er eindeutig zu brav und für politisches Kino ein wenig zu oberflächlich. Aber wir werden später herausfinden, dass der Soul Cinema Beitrag um jene Subgenre herumtänzelt und trotz seiner Witze und Verfolgungsjagden weiß, welche gesellschaftspolitische Aussagen er machen will. Eines lässt sich vornweg verkünden: COTTON COMES TO HARLEM ist ein gelungener Auftakt für die zweite Reihe der Black Cinema Collection von Wicked Vision. Diese Blu-ray-Premiere ist nicht nur einer der Gründe sich den Film von Schauspieler Ossie Davis näher anzusehen.

© Wicked Vision

Handlung

Reverend Deke O’Malley (Calvin Lockhart) ist ein gefeierter Mann in Harlem. Wenn er sich pompös aus seinem Luxuswagen schält, jubelt ihm die Black Community des New Yorker Stadtteils zu. Er verspricht seiner Glaubensgemeinschaft den Bau einer „schwarzen Arche“, damit sie zu ihren afrikanischen Wurzeln zurückkehren können. Für 100 Dollar kann sich jeder von ihnen Anteile am Unternehmen kaufen. Ob nun Passagiertickets und Ländereien im Paket dabei sind, ist unklar, Hauptsache endlich aus diesem Unterdrückerland verschwinden. Deke ist jedoch kein Messias, er ist Geschäftsmann, Blender und Schausteller in einem, und dazu noch mit guten Kontakten zu den staatlichen Behörden ausgestattet. Die schauen weg, wenn er den Ärmsten für etwas Hoffnung das Bargeld aus der Tasche zieht. Bei einer Verkaufsveranstaltung klaut ihm eine Bande Maskierter mit Maschinengewehren die frischen Einnahmen, die in einem großen Baumwollbündel versteckt sind. Die Detectives Gravedigger Jones (Godfrey Cambridge) und Coffin Ed Johnson (Raymond St. Jacques) verfolgen sofort die Diebe des Abzockers. Die Verfolgungsjagd geht in einem Feuerball gründlich schief und die Moneten sind verschwunden, wie auch der Reverend. Digger und Coffin müssen sich nun durch ganz Harlem arbeiten. Hier gibt es jede Menge Gruppen, die 87.000 Dollar gebrauchen können.

© Wicked Vision

Kulturenspaß

COTTON COMES TO HARLEM ist vor allem Unterhaltung. Klischees werden genüsslich ausgeschlachtet, lustige Situationen brechen immer wieder das rabiate Vorgehen der Cops und es gibt jede Menge Charaktere, die ihren kleinen Beitrag an der übersichtlichen Handlung haben. Jetzt kann man natürlich anmerken, dass hier vor allem schwarze Stereotypen bedient werden: eine schwarze Schönheit, die ihren Körper zu Ablenkung einsetzt, ein Reverend, der eher eine Schwäche für prächtige Anzüge hat als für die Sorgen seiner Schäfchen und ein gerissener Gauner, der selbst alten Damen die Geldbörse vom Strumpfband schneidet. Aber Regisseur Ossie Davis bringt diese Karikaturen auf Augenhöhe mit seinen Filmfiguren. Außerdem haben wir hier eine fast ausschließlichen People-of-Color-Besetzung, die alle augenscheinlich ihren Spaß haben. Die zwei einzigen Weißen im Film sind ein italienischer Mafioso, der in Harlem das organisierte Verbrechen anführt und ein naiver Cop, der es nicht schafft, seine Hosen anzubehalten. Dem Cop wird wegen seiner Potenz noch gehörig mitgespielt, aber in den letzten Jahrzehnten gingen so viele ungerechtfertigte Polizeikontrollen auf das Konto der „Pigs“, dass diese Albernheit für einen willkommenen Lacher sorgt.

© Wicked Vision

Neben diesen amüsanten Spielern der Geschichte, nimmt Ossie Davis die Gemeinschaft ordentlich gesellschaftskritisch auf den Arm. Die Bewohner von Harlem haben bereits ihre Kultur, wie zum Beispiel das Varieté im legendären Apollo Theater, der eigenwillige Einrichtungsgeschmack oder der farbprächtige Kleidungsstil. Warum also zurück nach Afrika? Aber in diesem Konflikt wird auch deutlich, wie vielen Menschen ihre kulturelle Identität weggenommen wurde, als sie in den USA zu Leibeigenen wurden. Nicht ohne metaphorische Bedeutung wird nach einem großen Baumwollbündel gesucht. COTTON COMES TO HARLEM gelingt es aber mit dem pointierten Finale wieder etwas Luft aus Harlems Konflikten rauszulassen.

© Wicked Vision

Der Film hieß zum Start in Deutschland WENN ES NACHT WIRD IN MANHATTAN. Vielleicht traute man dem Publikum nicht zu, den Stadtteil Harlem zu kennen. Im Kern ist es aber eine Kriminalgeschichte, die auf dem gleichnamigen Roman (im deutschen Verlag „Schwarzes Geld für weiße Gauner“) von Chester Himes basiert. Aus der Feder des Autors stammen noch weitere Abenteuer um die Polizisten Gravedigger (Grubengräber) und Coffin (Sargnagel), jedoch wesentlich härter in ihrer Erzählweise. Diese Gewalt kommt immer wieder bei den Cops im Film zum Vorschein, wenn sie Verdächtige „befragen“. Vor allem bleibt die Misshandlung des Gaunerkumpels in Erinnerung, der offensichtlich unter Drogen steht und schwer unter dem Verlust seines Freundes leidet. Aber auch die chauvinistische Behandlung von Dekes Partnerin Iris (Judy Pace) fordert zu unserem Widerstand im 21. Jahrhundert auf. COTTON COMES TO HARLEM macht hier klar, nur weil es sich um schwarze Detectives handelt, fassen sie niemanden mit Samthandschuhen an. Das folgende Misstrauen und der Protest ihnen gegenüber ist garantiert.

© Wicked Vision

Auftakt in HD

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COTTON COMES TO HARLEM ist ein toller Auftakt zur zweiten Black Cinema Collection von Wicked Vision. Mit Nummer 11 gibt es eine HD-Premiere auf Blu-ray, der Film liegt ebenfalls auf DVD bei. Bild und Ton sind wieder einmal respektvoll restauriert. Ganz nach dem Motto: „Never Change a Running System“ bleibt die Verpackung wie gehabt. Wer im Labelshop bestellt, erhält einen schönen Schuber für diesen und die kommenden Titel der Reihe. Im 32-seitigen Booklet geht Christoph N. Kellerbach umfangreich auf den Schriftsteller der Buchvorlage ein und vergleicht damit den Film. Ein kleines Upgrade gibt es beim Bonusmaterial. In der vorherigen Collection hat uns Prof. Dr. Andreas Rauscher noch allein in die Welt des Blaxploitations geführt, jetzt hat er Gesellschaft. Zusammen mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger folgen sie dem „Aufstand“ des Black Cinema. Die gute halbe Stunde ist abwechslungsreich produziert und das Gespräch ist mit Bildern, Trailer und Clips durchweg unterhaltsam, ohne zu sehr in die Filmtheorie abzudriften – eine gute Weiterentwicklung.

© Wicked Vision

Fazit

Auch wenn COTTON COMES TO HARLEM zu einem Kultfilm des Black Cinema etwas die Zähne fehlen, ist es ein cooler Trip, der durch die Straßen Harlems peitscht. Dank Schauspielstar Ossie Davis wird auch hinter der Kamera dafür gesorgt, dass der Spaß selbst heute, nicht zur oberflächlichen Karikatur verkommt.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewCotton Comes to Harlem (1970)
Deutscher Titel: Wenn es Nacht wird in Manhattan
Poster
RegisseurOssie Davis
Releaseseit dem 27.06.2022 auf Blu-ray in der Black-Cinema-Collection.

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Trailer

Englisch
BesetzungGodfrey Cambridge (Grave Digger Jones)
Raymond St. Jacques (Coffin Ed Johnson)
Calvin Lockhart (Rev. Deke O'Malley)
Judy Pace (Iris)
Redd Foxx (Uncle Budd / Booker Washington Sims)
Emily Yancy (Mabel)
John Anderson (Capt. Bryce)
Lou Jacobi (Goodman)
Eugene Roche (Lt. Anderson)
J.D. Cannon (Calhoun)
DrehbuchArnold Perl
Ossie Davis
Buchvorlagenach dem Roman von Chester Himes
FilmmusikGalt MacDermot
KameraGerald Hirschfeld
SchnittRobert Q. Lovett
Filmlänge97 Minuten
FSKAb 16 Jahren

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