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Corsage (2022) – Filmkritik

„Monotonie einer Kaiserin“

Kaiserin Elisabeth von Österreich, kurz „Sissi“, ist sicherlich neben Winnetou eine der wenigen, wirklich ikonischen und generationenverbindenden popkulturellen Figuren des deutschsprachigen Raumes. Romy Schneiders verkitschte Darstellung der Mädchen- bis Schicksalsjahren einer Kaiserin gehört zum weihnachtlichen Kulturgut. Wir mögen das eigentlich nicht, aber auch wie DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL und das traditionelle Weihnachtsessen nimmt man es lieber Jahr um Jahr hin, als durch arge Kritik einen Familienstreit vom Zaun zu brechen.

Corsage (2022) – Filmkritik
© Ricardo Vaz Palma / Alamode Film

Marie Kreutzer dreht bevorzugt (und zumeist auch sehr gut) Filme über Beziehungs- und Lebenskonstrukte, die sich auf einem Prüfstand befinden und so langsam ins Obsolete abzuwandern drohen. Auch in CORSAGE beobachten wir die kürzlich 40 Jahre alt gewordene Elisabeth (Vicky Krieps, Gewinnerin des „Un Certain Regard“ in Cannes für die beste darstellerische Leistung), wie sie darunter leidet, am Hof nur noch rein repräsentative Rollen auszuüben. Die Politik findet hinter verschlossenen Türen statt, sie hat sich beim Reitunterricht und Staatsbesuchen adrett zu kleiden und dabei innerlich zu vergehen. Ketterauchend schlurft sie im Privaten durch die Schlossgemächer und wartet auf das Vergessenwerden.

Corsage (2022) – Filmkritik
© Film AG / Alamode Film

CORSAGE ist kein unterhaltsamer Film. Es ist eine Übung in fast schon quälender Langeweile, die sich von Elisabeth auf die Zuschauer:innen überträgt. Dies kann im Kinosaal zuweilen eine ungeahnte kathartische Dimension erreichen, man denke etwa an die Filme von Apichatpong Weerasethakul (sein neuester, meisterlicher Film MEMORIA läuft noch in vereinzelten Lichtspielhäusern). Würde man bei anderen Filmen das gedankliche Abschweifen wohl negativ ankreiden, so erreicht es hier eine transzendentale Kraft, die man wahrlich selbst einmal erlebt haben muss und die einen daran glauben lässt, dass Filme vielleicht wirklich das Wesen an sich reinigen können. Und was CORSAGE mit seiner Ästhetisierung der Langeweile bezwecken möchte, liegt schnell auf der Hand. Da soll das Leiden der Kaiserin sich unmittelbar übertragend auf uns im Saal. Nur ist das leider ein bisschen zu offensichtlich. Ein wenig so, als würde einem der Zaubertrick bereits während der Durchführung erklärt werden. Denn in die totale Verweigerungshaltung (wie etwa ein MEMORIA oder die Filme eines Lav Diaz) möchte sich Regisseurin Kreutzer nie ganz begeben. So bleibt ein Kinoprodukt, dass die Langeweile leider nicht transzendiert, sondern größtenteils einfach nur schlicht, na ja, sehr langsam erzählt und mäandernd ist.

© Felix Vratny / Alamode Film

Vielleicht springt der Funke bei CORSAGE auch nicht vollkommen über, weil die ästhetischen Tricks, derer sich Kreutzer bedient, mittlerweile zu sattsam bekannt sind. Ein Historienfilm, gedreht in kontra immersiver Digitaloptik, dass mochte zu Zeiten von PUBLIC ENEMIES noch echte Empörung hervorrufen, spätestens seit TRANSIT, FABIAN und ELDORADO KADEWE ist dieses Stilmittel aber auserkundet und lädt er zum Achselzucken als zum Wundern ein. Auch die Entscheidung, unvermittelt ins kontra faktische zu springen, wirkt zu bemüht, um wirklich begeistern zu können.

Corsage (2022) – Filmkritik
© Robert Brandstätter / Alamode Film

Sicherlich, Kreutzers Programmatik ist, das SISSI-Kitsch-Bild der Kaiserin zu entromantisieren. Und vielleicht muss man auch mit diesen SISSI-Filmen aufgewachsen sein und ihr nicht nur teilnahmslos gegenüberstehen, um hier wirklich eine emotionale Reaktion zu erleben.

Was CORSAGE schlussendlich zusammenhält, ist Vicky Krieps einnehmendes Spiel als Kaiserin Elisabeth. Sie trägt den Film mühelos auf ihren Schulter und sorgt dafür, dass man doch mit einem Resthauch von Interesse durch diesen in der Konzeption hoch interessanten, in der Umsetzung aber etwas ernüchternden CORSAGE tragen lässt.

 

© Fynn

Titel, Cast und CrewCorsage (2022)
Poster
RegieMarie Kreutzer
ReleaseKinostart: 07.07.2022
Trailer
BesetzungVicky Krieps (Königin Elisabeth)
Colin Morgan (Bay Middleton)
Finnegan Oldfield (Louis Le Prince)
Alexander Pschill (Georg Raab, Hofmaler)
Katharina Lorenz (Marie Festetics)
Manuel Rubey (Ludwig II, König von Bayern)
Aaron Friesz (Rudolf, Prinz von Österreich)
Alma Hasun (Fanny Feifalik)
Jeanne Werner (Ida Ferenczy)
DrehbuchMarie Kreutzer
KameraJudith Kaufmann
FilmmusikCamille
SchnittUlrike Kofler
Filmlänge113 Minuten
FSKAb 12 Jahren

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