COFFY’s Origin
Es muss 2003 gewesen sein, wir waren mit der Schule auf England-Fahrt und KILL BILL, das neue Werk von Quentin Tarantino war bereits angekündigt für die Kinos. Also machten wir uns in den britischen DVD-Läden auf die Suche, um die noch überschaubare eigene Sammlung mit guter Importware aufzustocken. Auch aufgrund der damals in Deutschland nicht verfügbaren reinen englischen Sprachfassungen von Tarantinos Werken suchten die gezielt diese Läden auf, wobei im Verlauf die damals brandneue 2-Disc-Special Edition von JACKIE BROWN besonderen Eindruck bei mir hinterließ. Auf der Bonusdisc stellte Tarantino persönlich eine Trailershow zu vergangenen Werken der Stars Pam Grier, Robert Forster u. a. zusammen, so etwa ALLIGATOR (1980) und MEDIUM COOL (1969) mit Forster oder eben Pam Griers populäre Auftritte unter New World und American International Pictures, anfangs sehr billig in den Philippinen gedreht, wie THE BIG DOLL HOUSE (1971), THE BIG BIRD CAGE (1972), FRAUEN IN KETTEN (BLACK MAMA, WHITE MAMA, 1972) und schließlich COFFY (1973), FOXY BROWN (1974), SHEBA BABY (1975) und andere. Es sind Titel, die vorbehaltlos den Status Kultfilme tragen.
Das machte natürlich Lust auf diese Originalwerke und schon bald wurden auch hierzulande verschiedene Läden nach den damals noch indizierten Filmen aufgesucht. Vor allem COFFY und BLACK MAMA, WHITE MAMA machten gehörig Eindruck auf mich und ließen das besondere Feeling des Exploitation-/Blaxploitation-Kinos zu Hause intensiv nachspüren. Zu BLACK MAMA, WHITE MAMA erschien in diesem Frühjahr gar ein Mediabook mit meinem exklusiven deutschen Bonusmaterial (Booklettext, Audiokommentar), wodurch ich mir nach Jahren der film- und kulturwissenschaftlichen Reifung gewissermaßen einen eigenen Traum erfüllte. Endet letztgenannter Film gewissermaßen in einem Übergang, einer Transitbewegung vom philippinischen Exploitation-Dschungel samt Schiff zu einem entfernten Ort, so komme ich am Ende des Audiokommentars (zusammen mit Christoph N. Kellerbach) nicht umher zu bemerken, dieses Schiff würde Pam Grier bildsprachlich wie auch chronologisch zu ihrem nächsten Auftritt jenseits des großen Meeres in die USA bringen. Hier würde sie als „One chick hit squad“ Gerechtigkeit bzw. Vergeltung in den Straßen der amerikanischen Großstadt suchen – „Coffy“ war geboren, Griers ultimative Rolle, als alleinige Hauptfigur einen Film zu tragen und sogleich zur größten weiblichen Ikone des Blaxploitation-Kinos aufzusteigen. Nach dem wundervollen, geradezu sinnlich-musischen Auftritt Pam Griers in JACKIE BROWN wollten wir damals als Jugendliche ihre Ursprünge erkunden, als Sex-Ikone, aber auch als überaus selbstbewusste Frau, die hart durchgreifen durfte und in jedem Fall den Ton vorgab.
COFFY’s Power
Der Grund für den damals immensen Erfolg dieser Blaxploitation-Kracher COFFY, FOXY BROWN und anderen liegt in verschiedenen Dingen. Zum einen erleben wir eine leicht zu verfolgende Geschichte, im Kern jeweils Rache-Storys, die dann wieder ganz vom Charisma der Hauptdarstellerin getragen werden. Dann ist da natürlich stets der funkige, groovige Soundtrack – bei COFFY von Roy Ayers – der das Optische und Sprachliche umrahmt: flotte Sprüche, knallige Kostüme und insgesamt ein lockerer, cooler Feel, wenn z. B. ein neuer Polizist in Umgangssprache den ebenfalls afroamerikanischen Leiter eines Krankenhauses ganz locker als seinen „Brother“ begrüßt. Pam Grier spielt hier die Nurse Coffin, die Krankschwester, die den Namen des Todes bereits mit sich trägt. Und da Coffy im deutschen Titel ja auch um „Raubkatze“ ergänzt wird, wird ihr zugleich anmutiges, aber auch Gefahr signalisierendes Verhalten umso deutlicher. Coffy wird an Drogenhändlern Rache nehmen, die die Mitglieder ihrer Familie geschädigt haben. So verkleidet sie sich offensiv als Prostituierte und geht den Dope-Vertickern nicht nur ans Gemächt, sondern letztlich an ihr Leben. Und damit man gleich merkt, dass hier nicht lange gefackelt wird, darf Pam Grier wiederholt solch harsche Sätze posaunen wie:
„This is the end of your rotten life you motherfuckin’ dope pusher!“
Sie lässt wahrlich nicht lange mit sich verhandeln, sondern drückt gleich die Flinte ab. So sehr das einen als jungen Zuschauer prägt, gab es da noch die „moralische“ Seite konservativer Kritiken, wenn etwa das Lexikon des internationalen Films in Deutschland einst statuierte, Coffy sei ein „sehr bedenkliches Action-Drama, das Selbstjustiz und das Recht des Stärkeren propagiert.“
COFFY war die logische weibliche Fortführung von SHAFT (1971), doch rabiater und exploitativer im B-Movie-Fach zu verorten, während Richard Roundtrees Auftritt bereits in eine große, massentaugliche A-Produktion eingebunden war. Das merkt man schon beim Soundtrack – beide schätze ich sehr – wenn Isaac Hayes zwei Jahre zuvor bereits ein ganzes Orchester zur Verfügung stand und Roy Ayers dagegen eindrucksvoll zurückgenommen komponierte. Harry Whitaker umrahmt mit seinem E-Piano dezent die treibenden Rhythmen durch Richard Davis am Bass und Dennis Davis am Schlagzeug. Nicht verwandt, wurde ersterer Davis 1967-1974 wiederholt zum besten Bassisten in den Richtungen Rock, Jazz und R&B gewählt, während letzterer in den 1970ern u. a. David Bowies Rhythmus-Sektion entscheidend mit prägte. Der Soundtrack von COFFY ist so legendär, dass nicht zuletzt Tarantino gleich mehrere Stücke in JACKIE BROWN wiederverwendete.
COFFY’s Legacy
Für Regisseur John Singleton war COFFY übrigens eine der ersten Kinoerfahrungen: „Ich wohnte neben einem Autokino [. . .] und so musste ich nur aus dem Fenster schauen und sah Action- und Kung-Fu-Filme, aber auch Blaxploitation-Filme. Eine meiner ersten Kino-Erfahrungen waren die Brüste von Pam Grier in ‘Coffy’. Was für ein Schock. . .“ Und wenn man noch einmal die sorgfältige kuratierte Trailer-Zusammenstellung auf der Bonus-Disc von JACKIE BROWN rekapituliert, verwundert auch Tarantinos eigene Aussage nicht, „COFFY is the color“ sei für ihn einer der 20 besten Filme überhaupt.
Und für mich: ich machte bereits vor einiger Zeit einen ganz bestimmten Screenshot und ließ mir eine schwarze Kaffeetasse mit dem gelb leuchtenden Titelschriftzug des Films vor nächtlicher Straßenbeleuchtung bedrucken – der Original-Schriftzug aus dem Vorspann wohlgemerkt. So genieße ich fast jeden Morgen einen frisch gebrühten, herzhaft-heißen und leicht gesüßten „Cup of Coffy“. Mein ältester Sohn meinte einmal, das sei aber falsch geschrieben, woraufhin ich mir im Stillen einfach nur wünschte, ihm würde hoffentlich der Kaffee irgendwann auch einmal so gut schmecken wie mir.
Das Release von Studio Hamburg (COFFY’s Colors)
So schön es ist, COFFY und FOXY BROWN auf Blu-ray hierzulande erhältlich zu wissen – die Filme sind mittlerweile frei ab 16 – so bedauerlich ist die technische Umsetzung. Beide Titel erschienen durch Studio Hamburg bereits vor einiger Zeit als Mediabooks, deren Qualität und Inhalt wir nicht bewerten können. Es liegt aber nahe, dass die nun erhältlichen Single-Discs in Amaray technisch und inhaltlich identisch sind. Ich habe schon lange kein aktuelles Beispiel mehr von mieser DNR (Digital Noise Reduction) in meinen Player schieben müssen. Das Bild von COFFY ist völlig verfälscht. Filmkorn ist praktisch nicht mehr vorhanden, die Gesichter wirken wachsartig weichgefiltert und auch ansonsten hat man hier ordentlich an diversen verpönten Reglern herumgedreht. Die Frage ist nur: warum? Es existiert ja bereits ein überzeugendes HD-Master, zuletzt restauriert und veröffentlicht vom britischen Label Arrow Films (Arrow Video) im Jahr 2015. Das hätte man einfach unverändert übernehmen können, wie es beispielsweise OFDb Filmworks beim besagten Mediabook von BLACK MAMA, WHITE MAMA vorbildlich gemacht hat. Zudem wurde die Tonhöhe bei der deutschen Sprachfassung nicht korrekt adjustiert, sodass diese klingt wie auf meiner alten MGM-DVD. Extras gibt es keine, 2 Trailer („Foxy Brown“, „Blacula“) zähle ich als billige Beigabe. Untertitel fehlen komplett. Die Disc ist Single-Layer und nicht Double-Layer, bei diesem Release wurde gespart, wo es nur ging. Kurzum ist diese Fassung ein Ärgernis (bedenkt man die Relevanz des Titels) und wird von uns nicht empfohlen.
Wer den Film in toller Qualität/Edition haben möchte, greift bedenkenlos zur Blu-ray von Arrow. Wer die deutsche Fassung braucht, holt sich eine der beiden bisherigen deutschen MGM-DVDs, die letztere von 2012 war bereits ab 16 Jahren ungekürzt freigegeben.
Fazit (COFFY’s Finale)
COFFY ist Pflicht. Nicht nur morgens heiß aus der schönen Tasse, sondern für jeden und in jedem Player. Der Film ist tough und voller Reize für ein jugendliches und junges erwachsenes Publikum. Pam Grier war nie besser, auch wenn der folgende FOXY BROWN und der spätere JACKIE BROWN natürlich ebenso bzw. anders berauschend sind. Doch COFFY war und bleibt der große Knall. Für so Vieles lohnt die Anschaffung dieses düster-funkelnden Blaxploitation-Backkatalog-Juwels. Was haben wir damals gejubelt, es war solch eine grandiose Zeit, als die damals noch indizierte DVD nur für uns spielte. Und die schöne Zeit kann wiederkommen. Aber leider nicht hierzulande – jedenfalls (noch) nicht in überzeugendem HD.
Titel, Cast und Crew | Coffy (1973) |
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Poster | |
Release | Kinostart: 28.03.1974 (BRD) seit dem 26.06.2020 auf Blu-ray Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Regisseur | Jack Hill |
Trailer | |
Besetzung | Pam Grier (Coffy) Booker Bradshaw (Howard Brunswick) Robert DoQui (King George) William Elliott (Carter) Allan Arbus (Arturo Vitroni) Sid Haig (Omar) |
Drehbuch | Jack Hill |
Kamera | Paul Lohmann |
Filmmusik | Roy Ayers |
Schnitt | Chuck McClelland |
Filmlänge | 90 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |
Liebt Filme und die Bücher dazu / Liest, erzählt und schreibt gern / Schaltet oft sein Handy aus, nicht nur im Kino / Träumt vom neuen Wohnzimmer / Und davon, mal am Meer zu wohnen