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Clint Eastwood von Kai Bliesener – Buchvorstellung

„Mann mit Eigenschaften“

Gleich einer der ersten von sehr wenigen Kritikpunkten zu diesem Buch über die Schauspiel- und Regielegende Clint Eastwood ist der oben genannte Untertitel: Mann mit Eigenschaften. Eastwood ist sicher ein Minimalist und effektiver Arbeiter, der mit wenig viel erreicht, sei es mit seinem Spiel oder seiner Inszenierung, aber ein so einfach gestrickter Titel wird ihm nicht gerecht. Vielleicht wollte Autor Kai Bliesener sicherstellen, dass Interessierte dieser 232 Seiten keinen Wortschatz von filmtheoretischen Fachtermini mitbringen müssen. Jedem wird ein fairer Blick auf das Lebenswerk von Clint Eastwood gewährt. Das ist die große Stärke der Publikation aus dem Schüren-Verlag und ein starker Sympathiepunkt für die Veröffentlichung: Ob für Neulinge im Eastwood-Kosmos oder Fans, die seit Jahrzehnten Eastwood die Treue halten, CLINT EASTWOOD – MANN MIT EIGENSCHAFTEN bietet jedem Typ von Leser einen Mehrwert. Allein der Aufbau erweckt den Wunsch, das Büchlein immer wieder zur Hand zu nehmen.

DER FALL DES RICHARD JEWELL (2019) // Photo by Claire Folger

Aufbau

In Eastwoods Filmografie wird der Leser nicht mühselig durch die Chronologie geführt und nicht jeder Aspekt wird minutiös ausgearbeitet. Die Texte beweisen, dass sich die Filme von Clint Eastwood stets auf seine vorherigen Arbeiten beziehen und das geschaffene amerikanische Idol in Frage stellen. Seine Rollen sind ihm meist auf den Leib geschneidert, wie zum Beispiel der Polizist, Richter und Henker in Generalunion: DIRTY HARRY oder der stille Outlaw in Sergio Leones Dollar-Trilogie, der nur seinem Gesetz folgt. Autor Kai Bliesner stellt nicht nur eine Sicht auf das umfangreiche Lebenswerk dar, sondern holt sich Unterstützung aus der Branche. In vier Interviews spricht er mit den kompetenten Filmwissenskollegen Frank Brettschneider, Wolf Jahnke, Jo Schuttwolf und Tobias Hohmann über den Künstler wie auch den Menschen Clint Eastwood. Kein Gespräch gleicht dem anderen, aber alle kommen zum selben Fazit: Eastwood hat viele Facetten, die sich manchmal widersprechen und damit eine komplexe Persönlichkeit bilden. Das allein macht den Künstler, auch wenn er sich selbst nicht so sieht, betrachtenswert – und das sind seine Filme, vor wie auch hinter der Kamera, allemal. Bliesener teilt dieses Buch in den Weg, den er als Regisseur bestritten hat und den, den er als Schauspieler zurückgelegt hat. Beide sind untrennbar ineinander verflochten, aber es gelingt dem Autor dennoch zwei Figuren zu schaffen. Das Buch endet mit dem Essay „Clint Eastwood – Eine amerikanische Ikone“ von Georg Seeßlen, der sehr zu empfehlen ist, aber unerwartet vor AMERICAN SNIPER aufhört und etwas ins Leere führt.

AMERICAN SNIPER (2014) // © Warner Bros. Entertainment Inc.

Das Buch punktet neben dem handlichen Format auch mit dem wechselseitigen Aufbau, der in der interaktiven Zeit sehr gut ankommt.

Es kann nur einen geben

Im ersten großen Textabschnitt wird frech danach gefragt, welchem Schauspieler eine ähnliche Karriere gelungen ist bzw. wer Eastwoods Nachfolge antreten könnte: Robert Redford? Leider zu wenig Regie geführt. Woody Allen? Nur noch eine seichte Neuauflage weniger Meilensteine und gesellschaftspolitisch schwierig. Ben Affleck? Vielleicht, wenn es ihm gelingt mehr vom Kaliber ARGO, GONE BABY GONE oder THE TOWN zu drehen. Das Einzigartige an Eastwood wird aber schnell klar: Er hat frühzeitig in seiner Karriere erkannt, dass er mehr als ein Schauspieler sein kann. Bereits 1967 gründete er zusammen mit Irving Leonard die Filmproduktionsfirma Malpaso Productions und schaffte sich damit finanziellen Freiraum indem er seine eigenen Filme produzierte. Es ging aber nicht ohne ein großes Filmstudio und Warner Brothers war und ist, mit wenigen Ausnahmen, stets an seiner Seite, in guten wie in schlechten Kassenerfolgen. Aber Eastwood gelang es geschickt mit seinem Wechselspiel von „ein Film fürs Publikum“ und „ein Film für sich“ nie ins finanzielle Aus zu gelangen. Vor allem die späten großen Kassenerfolge machten EASTWOOD durch Malpaso Productions zum Milliardär, aber zu einem sehr bescheidenen.

BIRD (1988) // © Warner Bros. Entertainment Inc

Ausreichend

So viel möchte man hier gar nicht über die lange Karriere von Clint Eastwood verraten, denn dieses Buch liest sich für jeden Filmfan weg wie ein guter Krimi am Strand. Vor allem die zwei großen Biografie/Filmografie-Komplexe sind informativ und unterhaltsam geschrieben. Zum Glück hört das Buch in seiner Mitte auf zu betonen, wie effizient und wirtschaftlich Eastwood seine Filme dreht. Es soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass Bliesener sich an ausreichend Pressestimmen bedient und nicht immer an den feinfühligsten. Es bleibt ein Sachbuch und ist keins der Filmmeinung oder -analyse. Es gelingt ebenfalls erst später im Buch auch ein vielschichtiges Bild von Pressestimmen aufzuzeigen. Dennoch, alle Kritikpunkte stören keineswegs das Lesevergnügen.

MILLION DOLLAR BABY (2004) // © Warner Bros. Entertainment Inc

Fazit

Eine Empfehlung für jeden Filmgeschichtsliebhaber und Eastwood-Fan. Man kann diesem Buch den finanziellen Vorwurf machen, dass beim Lesen permanent der Wunsch aufkommt, sich seine Filmsammlung mit fehlenden Eastwood-Werken zu vervollständigen. Aber diese 25 Euro sollte man ruhig zuerst ausgeben.

Wer noch etwas tiefer in den filmischen Clint-Eastwood-Kosmos eintauchen will, dem sei das zweibändige DAS GROẞE CLINT EASTWOOD BUCH von Tobias Hohmann empfohlen, das jedoch mit 100 € zu Buche steht, aber auch mehr als 1.000 Seiten umfasst.

© Christoph Müller

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