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Civil War (2024) – Kurzkritik

„Die Unschärfen ausloten“

Wer in seiner Rezension zu Alex Garlands neuem Film CIVIL WAR wagt zu schreiben, dies sei der Film unserer Zeit, sollte ebenso zu einer Vertragsstrafe verurteilt werden wie eben jene, die bei THE ZONE OF INTEREST auf Hannah Arendt und die Banalität des Bösen referierten. Und doch wirkt das, bei all der forcierten Aktualität, mehr nach einem Film der 2000er Jahre.

Natürlich kann ein Film nichts dafür, nach wirklich brillanten ersten fünf Minuten nie wieder deren Kraft zu erreichen, aber ein bisschen mehr Anstrengung hätte doch nicht geschadet. Dabei ist dieser Anfang wirklich so toll. Wie die Kamera da Unschärfe und Schärfe austariert, der Präsident (Nick Offerman) eine wirre Rede hält und uns die Bilder von Aufständen und Gewalt unsicher im Kinosaal zusammenzucken lassen: Ist das inszeniert oder „echt“?

© A24 / DCM

In einer nahen Zukunft befinden sich die USA in einem unübersichtlichen Bürgerkrieg. Paramilitärische Gruppierungen wollen das Weiße Haus stürmen. Den Angriff begleitend: Vier Journalist:innen, Lee (Kirsten Dunst), Joel (Wagner Moura), Sammy (Stephen McKinley Henderson) und neu im Bunde, Jessie (Cailee Spaeny). Alle sind mehr oder weniger desillusioniert von ihrem Beruf und wollen schon längst keine Hintergründe mehr aufdecken, „berichten“ heißt nur noch, möglichst reißerische und brutale Bilder der zerstörten USA zu finden.

© A24 / DCM

Diskussionen über embeded journalism und die Angst des Krieges auf dem eigenen Boden, das sind alles Debatten und Diskurse, die die USA eher zu Zeiten der Bush Jr. Regierung führten. Genauso wie die Frage nach der Moral des Bewegtbildes seltsam antiquieret anmutet. Garlands Film stellt nun die (ebenfalls nicht wahnsinnig neue) Analogie zwischen einem Gewehrschuss und einem Schnappschuss in den Mittelpunkt seines Filmes, indem das Mündungsfeuer der Gewehre immer wieder mit dem auslösenden Blitzlicht der Kameras gegengeschnitten wird. Dies ist sicherlich effektiv, wirkt final nur arg moralisch korrupt, wenn Garland schlussendlich die gleichen Bilder inszeniert, die er auf der Handlungsebene kritisieren möchte. Da weidet sich die Kamera an verbrennenden, an erhängten, an erschossenen Menschen, jedoch stets darauf bedacht, aus jedem Schock- auch noch einen Schönheitsmoment zu machen. Das sieht man sich gerne zehn Minuten an, doch dann stellt man fest, dass CIVIL WAR sein Pulver hier bereits verschossen hat. Die Krone aufsetzen schließlich partiell in den Film eingestreute, nennen wir sie, meditative Szenen, in der zur weinerlichsten Countrymusik der Blick fürs Panorama geweitet wird und wenn man ganz genau hinhört, im Hintergrund eine USA-Flagge weint.

© A24 / DCM

Moralisch korruptes Kino kann seinen Reiz haben, jedoch nicht im Gewand eines pseudoaufrührerischen Arthouse Kitsches, der uns zunächst ködert mit Überlegungen zur Moral, Inszenierung und Authentizität des Bewegtbildes, sich aber final doch nur für die angeklagten Grausamkeiten interessiert. Regisseur Alex Garland hat eine Oberfläche geschaffen, die so breit ist, dass sie schlussendlich gar nichts bedeutet.

© Fynn

Titel, Cast und CrewCivil War (2024)
Poster
ReleaseKinostart: 18.04.2024
RegisseurAlex Garland
Trailer
BesetzungKirsten Dunst (Lee)
Wagner Moura (Joel)
Cailee Spaeny (Jessie)
Stephen McKinley Henderson (Sammy)
Jesse Plemons (Soldat)
Nick Offerman (US-Präsident)
Sonoya Mizuno (Anya)
DrehbuchAlex Garland
KameraRob Hardy
MusikGeoff Barrow
Ben Salisbury
SchnittJake Roberts
Filmlänge109 Minuten
FSKab 16 Jahren

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