„Reih dich ein in die Feministen-Front“
Manchmal kommt es im Kino zu unerwartet schönen Zirkelschlüssen. In Steven Spielbergs CATCH ME IF YOU CAN fiel Elizabeth Banks noch selbst auf die gefälschten Schecks von Leonardo DiCaprios Frank Abagnale herein, 18 Jahre später wird sie in Phyllis Nagys CALL JANE selbst kurzzeitig zur Scheckbetrügerin.

Die USA, 1968. Joy (Elizabeth Banks) ist zum zweiten Mal schwanger. Wegen ihrer Kardiomyopathie könnte die Schwangerschaft mit fünfprozentiger Wahrscheinlichkeit zu ihrem Tod führen. Das nur aus Männern bestehende medizinische Komitee verweigert ihr den euphemistisch betitelten „therapeutischen Schwangerschaftsabbruch“. Ihre einzige Hilfe ist das von Virginia (Sigourney Weaver) geleitete Untergrund-Abtreibungsnetzwerk Call Jane. Auch nach ihrer Abtreibung verbringt Joy viel Zeit in der emanzipierten Frauenclique und wandelt sich von einer unpolitischen Hausfrau zur selbstständigen Feministin.

Es ist bereits der zweite Film 2022, der uns in einem Retrosetting etwas über die Rolle der Frau in der Gesellschaft erzählt. Bei Olivia Wilde standen die 1950er natürlich eher synekdochisch für eine archaische Männerphantasie, die die Frau gesellschaftlich „akzeptiert“ unterdrücken kann. Bei CALL JANE stehen sie natürlich größtenteils für sich selbst als Handlungsperiode, die Platzierung eines Filmes über Abtreibungen im Dezember 2022, etwa ein halbes Jahr, nachdem das Supreme Court das Recht auf Schwangerschaftsabbruch wieder abschaffte, ist sicherlich kein Zufall und gibt dem Finale des Filmes, dass mit eben dieser Garantie 1973 endet, eine düstere Note.

CALL JANE ist rein filmisch gesehen nicht sonderlich bemerkenswert. Es ist ein Derivat des so gut wie ausgestorbenen Mid-Budget Filmes, der früher sicherlich produziert von Fox Searchlight prominent zur Oscarseason in den Lichtspielhäusern platziert worden wäre. Man warf seitens der Presse Nagys Film vor, nicht besonders mitreißend zu sein und generell etwas auf der Stelle zu treten. Um das Erzählen einer mitreißenden Geschichte nach Freytagschem Pyramidenschema geht es der Regisseurin offensichtlich aber auch nicht. CALL JANE illustriert nachvollziehbar den Weg einer privilegierten weißen Hausfrau zur klassenbewussten Kämpferin. Dabei begeistert vor allem der utopische Zusammenhaltscharakter sämtlicher Frauen im Film, vor Allem im Gegensatz zu anderen Schwangerschaftsabbruchfilmen wie etwa DAS EREGINIS (2021). Gerade für junge Zuschauerinnen kann Joy sicherlich als direkte Vorbildfigur genommen werden. Man könnte CALL JANE jetzt vorwerfen, sich nie wirklich tief mit einem theoretischen Feminismusdiskurs zu beschäftigen, vielleicht ist das aber auch nicht die Rolle eines primär für den Mainstream produzierten Crowd Pleasers.

CALL JANE ist Denk- und Mahnmal gleichzeitig, an einen eigentlich gewonnen geglaubten Kampf, der, wenn die Zeiten und die Solidarität schlecht stehen, wieder verloren werden kann.