„Die Bestseller-Autoren kommen“
Wer in den ersten 12 Folgen der Animeserie BUNGO STRAY DOGS auch das Gefühl hatte, dass sich alles nur in Warteposition befindet, wird bei der zweiten Staffel überrascht sein. Der Tiger in unserer Hauptfigur Atsushi wird immer noch nicht ganz entfesselt, aber dafür gibt es einiges mehr an Action, Kämpfen und vor allem inhaltliche Stärken. Wir lernen nicht nur etwas über Osamu Dazais Vergangenheit kennen, sondern der neue Gegner der Stadt Yokohama entfaltet sich mit einem vielfältigen Personalstab: Die Gilde. Die neuen Figuren folgen alle treu dem Konzept eines berühmten Schriftstellers, jedoch dieses Mal aus Europa und den USA. Optisch wie auch inszenatorisch hält BUNGO STRAY DOGS Staffel 2 die Qualitäten ihrer Vorgängerin, auch wenn sich das Ende etwas nach „Luft raus“ anfühlt. Aber dazu später mehr.
Handlung
In der letzten Folge von Staffel 1 hatte sich schon ein neuer Gegner in der Stadt vorgestellt: Die Gilde. Sie verfügt über schier unerschöpfliche finanzielle Ressourcen, enorm starke Mitglieder mit besonderen Fähigkeiten und außerdem scheint sie immer zu wissen, was als nächstes passiert. Ein guter Gegner für unseren Dazai, der anscheinend jeden Plan durchschaut. Unerwartet beginnt die Staffel nicht mit anstehenden Kämpfen zwischen der Hafenmafia, der Gilde und den bewaffneten Detektiven, sondern mit einem Rückblick auf drei Männer in einer Bar: Osamu Dazai, Sakunosuke Oda und Ango Sakaguchi. Sie alle drei arbeiten für die Hafenmafia. Bei Dazai wussten wir bereits, dass er ein wichtiges Mitglied der Verbrecherbande war. Oda ist eher von niederem Rang, was darin begründet ist, dass er keinen Menschen töten will. Sakaguchi verfügt über die stärksten Informationen in der Hafenmafia und ist ein Top-Geheimagent. Eigentlich treffen sie selten in ihrer Organisation aufeinander, bei dieser Feierabendtradition sind sie jedoch Freunde geworden. Die drei werden durch den Angriff der Ex-Militäreinheit Mimic auch beruflich schicksalshaft zusammenfinden und nicht nur bei einem Glas Whisky.
Nachdem sich der Handlungsstrang über vier Folgen erstreckt, geht es wieder nach Yokohama wie wir es kennen und Atsushi bringt dem Neuzugang, der tödlichen Assassine Kyoka, die Arbeit in der Detektei näher. Die Gilde, angeführt von Francis Scott Key Fitzgerald stellt sich in ersten Kämpfen mit der Hafenmafia aber auch den bewaffneten Detektiven vor. Ihr Ziel ist Atsushi der Menschentiger, der der Schlüssel zu einem geheimen Buch ist.
Erst einmal alles anders
Richtig überrascht hat der Staffelbeginn in Dazais Zeit bei der Hafenmafia und überzeugt mit zwei neuen spannenden Charakteren an seiner Seite. Außerdem macht der völlig unspektakuläre Anfang in der Bar „Lupin“ – ja, diesen Meisterdieb lieben alle Animefans – viel Spaß, weil wir Charaktereigenschaften über das Miteinander kennenlernen. Jeder verbirgt natürlich etwas, aber Stück für Stück begleiten wir sie auch einmal außerhalb der Bar. In diesen Folgen stiehlt Sakunosuke Oda, in seinem inneren Konflikt niemanden zu töten, allen die Show. Ein bisschen Lupin steckt auch in ihm und mit seiner Kraft fünf Sekunden in die Zukunft zu sehen, ist er der perfekte Gegner für den Anführer von Mimic: André Gide. Das Finale im John-Wick-Stil hat sich gewaschen. Nach dieser konzentrierten und emotionalen Minihandlung heißt es erstmal durchatmen.
Die reiche Oberschicht
Die Gilde hält in der Gegenwart alle auf Trab und ein Kampf zwischen drei Organisationen ist ausgebrochen. Die Detektive müssen sich erstmal aus ihrem Büro zurückziehen und verstecken sich in einem, zu ihrem Stil passenden, alten Gerichtsgebäude. Somit wissen wir schon einmal, wer das Recht auf seiner Seite hat. Schön, dass man jetzt auch als Nichtkenner von japanischer Literatur ein paar bekannte Schriftsteller als Akteure in BUNGO STRAY DOGS entdecken kann:
Der Anführer Francis Scott Fitzgerald hat die Fähigkeit „Der große Fitzgerald“, was eine Anspielung auf F. Scott Fitzgeralds (1896-1940) berühmtesten Roman DER GROSSE GATSBY ist. Schade, dass man Ehefrau Zelda nur eine Szene am Telefon schenkt. Dann gibt es noch Herman Melville, der einen riesigen mechanischen Wal steuert – ein klarer Verweis zu Herman Melvilles (1817-1891) MOBY DICK. Eine Figur möchte ich allein für Fans des Phantastischen Films unter euch hervorheben: Howard Phillips Lovecraft, der nicht sterben kann, über formbare Tentakel verfügt und sich in ein riesiges Monster verwandeln kann. H.P. Lovecraft (1890-1937) war berühmt für seine düsteren übersinnlichen Geschichten und den Cthulhu-Mythos. Der Rest der Gilde bleibt im europäischen bzw. amerikanischen Sprachraum der Schreiberlinge. Manche sind gut überlegt, manche aber auch völlig ohne Gefühl für deren Literatur, wie zum Beispiel Mark Twain, der Scharfschütze ist und immer mit offenem Hemd rumläuft.
Es ist sozusagen ein Zusammentreffen der erfolgreichen englischsprachigen Autoren mit den japanischen Autoren Ende des 19. Jahrhunderts. Die Arroganz der Westler findet sich im aufgesetzten Benehmen der Gilde wieder. Man kann hier BUNGO STRAY DOGS den nicht gerade wohlgesonnen Umgang Japans mit Ausländern unterstellen, aber dafür kommen manche der Gilde-Mitglieder einfach zu sympathisch weg. Vielleicht wandert noch der ein oder andere in den Kreis der Vertrauten.
Stärken & Schwächen
Staffel 2 hat einiges an Tempo zugelegt und auch die Geschichte folgt jetzt ausschließlich einem roten Faden, wohingegen in der ersten Staffel auch kleine abgeschlossene Folgen dabei waren. Das kann man jetzt gut oder nicht so gut finden. Nichtdestotrotz gibt es allein durch die Vielzahl an neuen Personen mit besonderen Fähigkeiten in jeder Folge spektakuläre Kämpfe. Dramaturgisch können sie mit den ganz Großen (ONE PIECE, DRAGONBALL) noch nicht mithalten, was vor allem am immer wieder jammernden Atsushi liegt, der immer noch unter mangelndem Selbstvertrauen leidet. Klar sind die Figuren nach berühmten Poeten und Dichtern benannt, jedoch würde der Action etwas weniger Geschwafel gut tun. Dazwischen kann gern wieder philosophiert werden, was Sakunosuke Oda und sein Schriftsteller-Mentor Natsume Sōseki hervorragend in den ersten Folgen gelang.
Die vielen Charaktere und Kämpfe gehen zu Leiden der Hintergrundgeschichten und der Blödeleien. Dazais und Kunikidas Rangeleien fehlen eindeutig in dieser Staffel. Das scheint auch dem Animestudio aufgefallen zu sein und deswegen gibt es den OVA HITORI AYUM, der zeitlich zwischen Staffel 1 und 2 spielt und Doppo Kunikida als Hauptfigur bietet. Die 23-minütige Folge könnt ihr auf der Blu-ray-Box BUNGO STRAY DOGS Staffel 2 bei KSM Anime finden. Am Staffelende ist man etwas unzufrieden, weil es kaum eine signifikante Weiterentwicklung der wichtigen Charaktere gibt und durch das Überleben von so gut wie allen Figuren, fällt es echt schwer den Überblick zu behalten. Aber die Annäherung von Akutagawa Ryunosuke und Nakajima Atsushi lässt einen schon grübeln, wie diese beiden Streithähne zusammenfinden sollen.
Musik
Es ist schon bei den ersten Folgen aufgefallen und nun hier auch wieder: Manchmal passt der Score wie die Faust aufs Auge der Szenenstimmung, aber leider genauso oft passt er gar nicht bzw. drängt sich zu sehr in den Vordergrund. Es kommt dadurch der Eindruck auf, ein Visual-Novel-Game zu spielen. Dafür liefert der neue Introsong „Reason Living“ von SCREEN MODE und der neue Outrosong „Kaze ga Fuku Machi“ von Luck Life perfekte J-Rock-Pop-Ware.
Die Blu-ray-Box
Endlich mal etwas anderes bei den physischen Blu-ray-Boxen. Staffel 2 von BUNGO STRAY DOGS kommt in einem stabilen Schuber mit dunkler rutschfester Beschichtung von KSM Anime ins Haus der Animefans. Das Cover ist glänzend gedruckt und hebt sich gut vom matten Material ab. Die einzelnen Volumes haben jeweils transparente O-Cards mit Hardcoverschubern. Ein hochwertiger Farbdruck komplettiert das stilvolle Äußere. Im Inneren verbergen sich noch zwei Miniaufsteller und ein Booklet mit Beschreibungen der neuen Charaktere. Neben 12 Folgen ist die sehr schöne OVA HITORI AYUM mit dabei. Die Synchronisation hält die hohe Qualität weiter bei. Ein schönes Fanpaket für alle Bungo-Stray-Dogs-Fans, was jedoch seinen Preis hat.
Fazit
Staffel 2 gibt noch einmal richtig Gas und wartet mit einem fulminanten Kampf über den Wolken von Yokohama auf. Leider sind die zwölf Folgen einfach viel zu wenig und man hätte zu gern noch ein paar kleine Soap-Opera-Zwischenfolgen gesehen. Vielleicht kann hier der Manga aushelfen. Die Gilde brachte auf jeden Fall ordentlich Schwung in die Reihen der japanischen Schriftsteller mit besonderen Fähigkeiten hinein. Wenn jetzt noch etwas mehr Gefühl fürs dramatische Tempo und weniger Osamu-Dazai-Das-Habe-Ich-Alles-Vorausgesehen in der dritten Staffel kommt, will man jetzt schon aufgeregt auf der Kante seiner Couch sitzen. Jetzt geht es jedoch erst einmal mit dem ersten Film des Franchises weiter: BUNGO STRAY DOGS – DEAD APPLE.
Titel | Bungo Stray Dogs OT: Bungō Sutorei Doggusu 文豪ストレイドッグス |
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Regisseur | Takuya Igarashi |
Poster | |
Release | Staffel 1 erschien am 29.08.2019 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen Staffel 2 erschien am 23.01.2020 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen BUNGO STRAY DOGS - DEAD APPLE: THE MOVIE erschien am 20.02.2020 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen Staffel 3 erschien am 26.11.2020 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen Ihr wollt die Filme bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Trailer | |
Drehbuch | Yoji Enokido |
Art Director | Yumiko Kondou |
Musik | Taku Iwasaki |
Schnitt | Shigeru Nishiyama |
Umfang | Staffel 1 12 Folgen mit je ca. 25 Minuten Staffel 2 12 Folgen mit je ca. 25 Minuten Bungo Stray Dogs - Dead Apple: The Movie 90 min Staffel 3 12 Folgen mit je ca. 25 Minuten |
Altersfreigabe | Ab 16 Jahren freigegeben |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter