„Ein Auftakt mit Lust auf mehr“
Gut schreiben zu können ist eine Superkraft. Mit wenigen Worten den Leser zum (Quer)Denken anzuregen ist viel effektiver als ihn mit einer Waffe dazu zu bringen. Nicht ohne Grund heißt es so schön: Die Feder ist stärker als das Schwert. Das dachte sich auch der Mangaautor Kafka Asagiri bei BUNGO STRAY DOGS. Er verwandelte seine japanischen Favoriten aus der Welt der Romane und Prosa in Figuren mit besonderen Fähigkeiten. Die Welt um die bewaffneten Detektive war mit diesem Gedanken geboren. Hier hat fast jede Figur übersinnliche Fähigkeiten, die in einem Kampf um die Gerechtigkeit zum Einsatz kommen. Bei dieser erfolgreichen Mangareihe (18 Sammelbände, Stand: 2019) ließ eine Animeserie nicht lange auf sich warten und das visuell brillante Animationsstudio Bones (MY HERO ACADEMIA, SPACE DANDY) brachte die Detektive farbenprächtig und animetypisch auf die Bildschirme nach Hause.
Handlung
In der Hafenstadt Yokohama starrt Atsushi Nakajima auf den Fluss hinaus. Ihm knurrt der Magen und seinen Gedanken kreisen ums Essen. Auf einmal treibt eine Leiche den Fluss entlang. In der Hoffnung, dass der potenzielle Selbstmörder vielleicht noch seine Geldbörse in der Tasche hat, mobilisiert Nakajima seine letzten Kräfte und fischt den Körper aus dem Wasser. Zu seiner Überraschung ist die Person quicklebendig. Sie stellt sich als Detektiv Osamu Dazai vor und sucht einen Menschentiger, der in diesem Stadtteil sein Unwesen treibt. Schnell wird klar, dass Nakajima der Tiger ist, ohne dass er selbst davon wusste. Wie ein Werwolf ist er hungrig umhergezogen und hat Angst und Schrecken verbreitet, ohne jedoch jemanden zu töten. Dazai will den unwissenden Menschentiger aber nicht umbringen, sondern bietet ihm einen Job in seiner Detektei an, bei den bewaffneten Detektiven mit besonderen Fähigkeiten.
Die Optik
BUNGO STRAY DOGS ist dank seines namhaften Studios farbenfroh und stilvoll animiert. Manche 3D-Sequenzen mogeln sich in die Animation, fallen aber kaum auf. Bei Rückblicken bekommen die Figuren rote Outlines, was immer gut hilft sich in der Zeitlinie der Handlung zurechtzufinden. Das Aussehen der Figuren, auf Seiten der Agentur und der Hafenmafia, deutet ihre besonderen Fähigkeiten immer nur an, aber nie so weit, dass man schon weiß, welches Talent die Person besitzt. Man kann sich auf einige Überraschungen gefasst machen. Die Animeserie findet optisch ein gutes Gleichgewicht zwischen idyllischer Großstadt im Jahr 2020 und Detektivfilmen der 1950er Jahre. Vor allem die Kleidung und auch das Ziegelsteingebäude der Detektei lassen nostalgische Gefühle aufkommen.
Yokohama ist sauber, immer mit schönem Wetter gesegnet und nie voller Menschen. Eine Welt Japans, die wir zu gern in Animes sehen. Ein kleines Highlight ist das Café im Erdgeschoss des Gebäudes der Detektei, da muss man unwillkürlich an die Schwäche der Japaner für Tee und Kuchen nach europäischer Art denken. Außerdem ist die Kleidung der Figuren stark von der Mode der 50er Jahre beeinflusst, wirkt aber nie altbacken. Mäntel und Hosenträger bringen eher Stil als Staub in die Persönlichkeit. Kleine Gags wie der lange Gürtel von Nakajima, der wie der Schwanz einer Katze aussieht oder die Bandagen unter der Kleidung von Dazai, die seinen absurden Suizidwunsch unterstreichen, lockern alles etwas auf. Neben spektakulären Kämpfen, die meist viel zu kurz sind, sorgen die aus dem Manga entlehnten Mimen für einen lockeren Grundton.
Die Story
Man ist überrascht, wenn man erfährt, dass die Figuren an Autoren und Poeten erinnern sollen. Immer wieder gibt es Zitate, Haikus oder Kapitelüberschriften, die auf Schriftrollen vorgelesen werden. Aber von der besonderen Fähigkeit auf den Schriftsteller zu schließen, erfordert eine Expertise, die in Europa wohl kaum einer haben wird bzw. jener sich nicht für Mangas oder Animes interessieren wird. Wer dennoch Lust hat, braucht nur die Namen der Figuren bei Wikipedia einzugeben und erfährt mehr, denn die Namen der Charaktere in BUNGO STRAY DOGS und die als Vorlage dienenden Autoren sind dieselben. Nach einer kurzen Recherche hat der Schriftdarsteller Osamu Dazai (1909- 1948), der Dazai in dieser Animeserie als Vorbild dient, tatsächlich Doppelsuizid mit seiner Geliebten begangen. In BUNGO STRAY DOGS nimmt man seinen Wunsch nach Selbstmord mit einer schönen Frau eher als Scherz hin. Mit schrägem Humor muss man in dieser Animeserie auf jeden Fall klarkommen.
Wer noch Lust auf eine kleine Recherche hat, dies sind die Wikipedia-Biografien der Schriftsteller, die als Vorlage für die Charaktere gedient haben:
- Nakajima Atsushi (1909-1942)
- Dazai Osamu (1909-1948)
- Kunikida Doppo (1871-1908)
- Akutagawa Ryūnosuke (1892-1927)
- Naomi Tanizaki erinnert an den Roman NAOMI von Tanizaki Jun’ichirō (1886-1965)
Wer sich nicht mit der Literatur aus dem 20. Jahrhundert auskennt, konzentriert sich auf die übersinnlichen Fähigkeiten und die wirken in ihrer Gesamtheit etwas unausgeglichen. Ein Detektiv, der jeden Fall innerhalb von 60 Sekunden lösen kann, ist einfach zu mächtig gegenüber jemanden, der aus Schnee Illusionen herbeizaubern kann, von der Fähigkeit Rashomon des Erzfeinds Ryūnosuke Akutagawa mal ganz zu schweigen.
Leider nur ein Anfang
Die erste Staffel von BUNGO STRAY DOGS wird die meisten Animefans zufrieden stellen, auch wenn sich der Inhalt manchmal zäh wie Kaugummi entwickelt. Die ersten 12 Folgen sind leider nur ein Auftakt, deuten dunkle Geheimnisse und noch mächtigere Strippenzieher im Verborgenen an. Vor allem Rückblenden – ja, Nakajima, du wurdest aus dem Waisenhaus verstoßen – zehren an den Nerven und der Zuschauer wird zu oft unterschätzt. Aber seit langem gibt es bei BUNGO STRAY DOGS endlich mal wieder ein Anime-Intro und -Outro, was sich sehen und hören lassen kann. Das Intro ist mit „Trash Candy“ von Granrodeo unterlegt und der Abspann von „Namae wo Yobu yo“ von Luck Life.
Wie geht es weiter?
Wer am Ende der ersten Staffel angelangt ist, wird gern mehr von den bewaffneten Detektiven erfahren wollen. In Deutschland kann man bereits Staffel 2 dank KSM Anime mit weiteren 12 Folgen sehen. Am 20.02.2020 wird der Kinofilm BUNGO STRAY DOGS – DEAD APPLE ebenfalls über KSM Anime erscheinen. Eine deutsche Veröffentlichung der Staffel 3 steht noch aus, aber bei diesem fleißigen Verleiher für Animes, kann man darauf vertrauen nicht im Trüben zurückgelassen zu werden.
Fazit
Das Setting aus Detektivgeschichte gepaart mit übersinnlichen Fähigkeiten, die an Superhelden erinnern, kommt wirklich gut an. Man muss sich bei Staffel 1 jedoch gewiss sein, dass sie eher als Prolog zu verstehen ist und die großen Handlungsstränge erst danach in Staffel 2 entflochten werden. Die Animation und Synchronisation sind auf Top-Niveau. Lediglich die Verbindung zu den japanischen Schriftstellern ergibt sich für Europäer so gar nicht, kann jedoch Lust auf einen Einblick in die Welt der japanischen Literatur erwecken, auch wenn man „nur“ ein Buch von Haruki Murakami nach diesem Anime zur Hand nimmt.
Titel | Bungo Stray Dogs OT: Bungō Sutorei Doggusu 文豪ストレイドッグス |
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Regisseur | Takuya Igarashi |
Poster | |
Release | Staffel 1 erschien am 29.08.2019 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen Staffel 2 erschien am 23.01.2020 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen BUNGO STRAY DOGS - DEAD APPLE: THE MOVIE erschien am 20.02.2020 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen Staffel 3 erschien am 26.11.2020 bei KSM Anime bei Anime-Planet bestellen Ihr wollt die Filme bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Trailer | |
Drehbuch | Yoji Enokido |
Art Director | Yumiko Kondou |
Musik | Taku Iwasaki |
Schnitt | Shigeru Nishiyama |
Umfang | Staffel 1 12 Folgen mit je ca. 25 Minuten Staffel 2 12 Folgen mit je ca. 25 Minuten Bungo Stray Dogs - Dead Apple: The Movie 90 min Staffel 3 12 Folgen mit je ca. 25 Minuten |
Altersfreigabe | Ab 16 Jahren freigegeben |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter