„Das Ende des Schweigens“
Was für eine Herausforderung BOMBSHELL doch ist. Nicht etwa die äußerst schnelle Inszenierung, die vielen Personen und die zackigen Zeitsprünge, dass einem als Unwissender im Fall der sexuellen Belästigung durch Roger Ailes ganz schwindelig wird. Es beschleicht einen vielmehr immer wieder der Ekel, wenn man dem Haufen von angeblichen Journalisten bei diesem Zirkus beiwohnt. Nein, streicht das, es sind keine Journalisten, es sind Selbstdarsteller, die so verbissen einem Ziel – nennen wir es beim Namen: Geld und Macht – hinterhergieren, dass ihnen jede Art von Mitgefühl abhandengekommen ist. Willkommen in der Welt des Medienmoguls Rupert Murdoch und seiner Nachrichten-Parade genannt Fox News. Seit 1996 hat sich dieser Sender mit Formaten, die alle erzkonservativ und weit im politischen rechten Flügel verortet sind, einen Namen gemacht. Selbst jahrelange Mitglieder der Republikanischen Partei nehmen bei manch unbewiesener Aussage von dem Sender Abstand. Aber der Laden läuft und spielt jede Menge Geld in die Kasse. Mit der Präsidentschaftswahl Donald Trumps hat sich die zwiespältige Medienmacht noch weiter wie ein dunkles Band über die USA gelegt. Objektive und freie Berichterstattung gibt es nicht, es wird nur für die eigenen Interessen oder die von Verbündeten inszeniert. Man merkt, wer hier arbeitet, tut es nicht nur des Geldes wegen, sondern hat ideologisch ein paar Bleigewichte im Oberstübchen. In dieser verklärten Welt von Scheinmoral und -wahrheit verwundert es nicht, dass so eine Geschichte erst im Jahr 2016 aufgedeckt wurde, aber bekanntlich muss jemand vorausgehen, um Nachfolgende zu ermutigen.
Handlung
Die Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidaten 2016 sind in vollem Gange. Fernsehmoderatorin Megyn Marie Kelly (Charlize Theron) von Fox News will es dem Kandidaten Donald Trump nicht leicht machen, denn er hat immer wieder Frauen öffentlich beleidigt, von seiner Ehefrau ganz zu schweigen. Als sie ihn bei einer Live-Debatte damit konfrontiert, trifft sie danach nicht nur die volle Bandbreite widerlicher Trump-Tweets, sondern auch die Hetze seiner Anhänger. Nach anfänglichem Schutz durch ihren CEO Roger Ailes (John Lithgow), lässt er sie fallen. Fox-Medienmogul Murdoch und Trump sind eine Partnerschaft eingegangen. Es soll aber nicht um Donald Trump gehen, sondern um die herablassende, sexuell unterwerfende Behandlung durch den CEO Roger Ailes beim TV-Sender. Fernsehmoderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) war nicht bereit dessen sexuelle Äußerungen hinzunehmen und wurde ins Nachmittagsprogramm verbannt. Sie tritt den schweren Weg einer Klage gegen einen der mächtigsten Auftraggeber der Medienwelt an: Fox News. Nachdem die Anklage öffentlich ist, melden sich weitere belästigte Mitarbeiter zu Wort. Doch so etwas zuzugeben ist viel schwerer als man denkt. Wir Zuschauer werden es mit Hilfe von Kayla Pospisil (Margot Robbie) direkt vor Augen geführt bekommen.
Anspruchsvoll, innen wie außen
BOMBSHELL kommt mit Schnelligkeit und verlangt Aufmerksamkeit. Wie die Figuren in diesem medialen Ensemblefilm, die nach jeder Schlagzeile für einen Bericht suchen, fordert auch der Film seine Zuschauer für einen genauen Fokus heraus. Er macht es uns nicht leicht und springt zwischen seinen Protagonistinnen hin und her. Wenn man das Filmplakat betrachtet, ist man dann doch verwundert, dass die drei Frauen nur ein einziges Mal im Fahrstuhl aufeinandertreffen und jede von ihnen ihren eigenen Weg geht, der zum Sturz Roger Ailes führt. Einen lockeren Start gibt es nicht wie auch im TV-Nachrichtengewerbe. Das bringt die Synapsen der Zuschauer schnell auf Touren, aber auch nur von denen, die dazu bereits sind, nicht jede Person oder jeden Fakt erklärt zu bekommen. Wenn man akzeptiert hat, dass manche Dinge in ein paar Stunden schon wieder Geschichte sind, kommt man in den schnelllebigen Redaktions-Boxen und dem künstlichen Scheinwerferlicht zurecht. Es ist wichtig, sich im Windschatten dieser Story aufzuhalten, denn es geht immer wieder ein paar Jahre vor bzw. zurück, welche nur kurz mit unscheinbaren weißen Zeitlinien verkündet werden. Wer sich darauf einlässt, wird die Inszenierung von Regisseur Jay Roach mögen, alle anderen müssen sich geschlagen geben oder sich an den edlen Designerkostümen der Hauptdarstellerinnen erfreuen. So eine Blitzlicht-Inszenierung hat den Vorteil, dass man nach Filmende immer noch den Bedarf verspürt ein paar Fakten nachzulesen und das ist wichtig, denn so wird BOMBSHELL erst zur wahren Geschichte.
Im Körper einer Frau
Clever und gutaussehend, das sind die Eigenschaften, die einem bei den drei Hauptfiguren zuerst einfallen. Man versteht, warum sie ausgerechnet bei Fox News arbeiten wollen. Sie sind mit einer moralisch konservativen Denkweise ausgestattet und scheinen sich doch in einer von Männern bzw. Roger Ailes bestimmten Welt zu behaupten, zumindest oberflächlich. Boss Roger Ailes achtet nicht nur auf langbeinige Moderatorinnen und Glastische, sondern auch auf die Unterwerfung seiner weiblichen Angestellten. John Lithgow spielt das Ekel Ailes cholerisch, grausam und verletzlich, seine vorherige Rolle als Winston Churchill in THE CROWN hat sicher dabei geholfen. Am stärksten sind jedoch die Schauspielerinnen Charlize Theron, Nicole Kidman und Margot Robbie. Sie werden zu einem Triptychon des Skandals und der Branche. Nicole Kidman als Gretchen Carlson, die in das Sendeprogramm mit schlechteren Einschlagquoten verwiesen wurde und nun bereit ist, die erste zu sein, die Roger Ailes vor Gericht bringt. Charlize Theron als Megyn Kelly, die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere erkennt, dass sie ihren Erfolg nur der Gunst der chauvinistischen Obrigkeit zu verdanken hat. Und Margot Robbie als Kayla Pospisil, die als Neuling den ganzen widerwärtigen Zirkus am eigenen Leib für uns greifbar macht. Kayla Pospisil ist jedoch eine fiktive Figur, die aus Berichten mehrerer Klägerinnen wegen sexueller Nötigung zusammengesetzt wurde. Aber als sie einer Freundin unter Tränen gesteht, was sie getan hat, um im Job und auf der Karriereleiter zu bleiben, möchte man am liebsten gleich mitheulen.
Als männlicher Zuschauer bleibt vor allem eine Szene hängen: Dianne Brandi (Amy Landecker) sitzt mit einem Nachrichtenkollegen in einer Bar. Wir hören ihre Gedanken, als sie von ihrem Gegenüber ohne Umschweife vermittelt bekommt, dass er sie in seinem Hotelzimmer zu sexuellen Handlungen nötigen will. Selbst geschickte – und für die Situation erstaunlich freundliche – Kommentare von Dianne lassen ihn nicht aufgeben. Als er merkt, dass sie nicht auf seinen Handel eingeht, lässt er sie uninteressiert fallen und somit ist Dianne auch direkt ihren Job los. Solche Szenen kommen immer wieder. Man(n) ist gefangen im Körper einer Frau und muss die erdrückende Männlichkeit des Gegenübers ertragen. Selbst ein wütendes Aufspringen vor dem Fernseher wird es nicht ungeschehen machen.
Klischees
Was man BOMBSHELL anrechnen muss, ist dass die Opfer nicht als Heilige dargestellt werden. Klischees werden großspurig bedient, was in der Medienbrache leider auch eine hohe Treffergenauigkeit besitzt. Aber wem es gelingt zwischen dem Glamour und Medienrummel hindurchzublicken, der wird ein krankhaft gieriges System aufdecken, was eng mit den beiden politischen Lagern verbunden ist. Stückweise wirkt es immer wieder nach Gejammer auf hohem Niveau, wenn Megyn Kelly am Strandhaus von einem Fotografen belagert wird und sie Angst um ihren Job hat. Dabei ist gut vorstellbar, dass sie mit ihrem Wohlstand problemlos mehrere Monate ohne Luxus als Arbeitslose überleben würde. Schön zu sehen in der Szene, wenn ihr Mann sie mit den drei Kindern bei einem Auftritt überrascht und bereits eine Minute später die Haushälterin aus der Ecke auftaucht, um die Obhut der Kinder sofort wieder zu übernehmen. Kinder, Luxus-Immobilien, sportlicher Ehemann und Designerkleider gehören zu der Maskerade, die offen gelebt wird und auf die eine Frau genauso ein Recht hat wie ein führender Geschäftsmann. Ob das nun der richtige Weg ist, die Karriere so emporzusteigen, sei dahingestellt. BOMBSHELL lässt nur kurz in andere gesellschaftliche Belange durchblicken, denn der Fall eines mächtigen Mannes erfordert genug Energie und von dem verqueren Rechtssystem möchte man gar nicht erst anfangen. Es zeigt aber auch, dass es um mehr geht als die Klage, denn das Netzwerk krankt bereits an vielen Ecken.
Fazit
Das Drama auf wahren Begebenheiten rennt förmlich durch die Synapsen seiner Zuschauer. Es fordert von Anfang an 100 % Bereitschaft sich auf diese Welt einzulassen. Unglücklicherweise muss man immer wieder ein paar Momente voller Fragezeichen unbeantwortet verstreichen lassen, weil den meisten die Kenntnis über den Umfang dieses Skandals fehlen wird. Dennoch ist es wieder ein Beweis dafür, warum die USA so viele Ungerechtigkeiten in einem wirtschaftlich potenten Land vorzuweisen hat. Die Medien als vierte Macht haben längst Legislative, Exekutive und Judikative abgeschlagen hinter sich gelassen und stellen ihre eigenen Regeln auf. BOMBSHELL versetzt immer noch in Erstaunen darüber, wie so etwas Erniedrigendes systematisch geschehen kann, lässt einen aber auch ausgepowert und machtlos zurück.
Titel, Cast und Crew | Bombshell (2019) |
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Poster | |
Release | seit dem 04.06.2020 auf Blu-ray und DVD Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Regisseur | Jay Roach |
Trailer | |
Besetzung | Charlize Theron (Megyn Kelly) Nicole Kidman (Gretchen Carlson) Margot Robbie (Kayla Pospisil) John Lithgow (Roger Ailes) Allison Janney (Susan Estrich) Malcolm McDowell (Rupert Murdoch) Kate McKinnon (Jess Carr) Connie Britton (Beth Ailes) Liv Hewson (Lily Balin) Brigette Lundy-Paine (Julia Clarke) |
Drehbuch | Charles Randolph |
Kamera | Barry Ackroyd |
Filmmusik | Theodore Shapiro |
Schnitt | Jon Poll |
Filmlänge | 108 Minuten |
FSK | ab 12 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter