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Bohemian Rhapsody Kritik zum Film

Bohemian Rhapsody (2018) – Filmkritik

„Don’t Stop Me Now …“

Die Kinobetreiber sind schon seit einigen Jahren auf den Trichter gekommen, dass sich mit Live-Übertagungen oder Aufnahmen von Musikkonzerten einige Tickets verkaufen lassen. Im Prinzip auch eine gute Gelegenheit für Fans einen Eindruck von einem Auftritt ihrer Lieblingsband oder ihrem Lieblingsmusiker zu bekommen, ohne tief in die eigene Tasche zu greifen, weit zu reisen oder stundenlang vor dem Ticketschaltern anzustehen – ach so, wir haben ja 2018, da sitzt man stundenlang vor dem Computer und aktualisiert alle 10 Sekunden die Ticket-Shop-Website . Wenn man dann doch „nur“ im Kinosaal sitzt, kommt schnell unbekannte Nörgelei auf. Da stört einen das Popcorn-Gefutter, die Tonlautstärke oder die quatschenden Sitznachbarn, was einem sicherlich niemals bei dem Konzert vor Ort in den Sinn gekommen wäre. Denn dort wäre man sicher in die Massen eingequetscht, würde zu den Hits mitgrölen, ohne auch nur einmal daran zu denken, dass das Ticket über 100 € gekostet hat. Trotz realer visueller Effekte ist es nicht möglich, ein Konzert einer der besten Bands, die je auf diesem Planten wandelten, zu erleben: QUEEN. Denn nach dem Tod ihres Frontmans Freddie Mercury im Jahr 1991, war das letzte produktive Kapitel der Rockband geschrieben. Bryan Singer, Erschaffer der X-Men-Filmreihe, hat zusammen mit Rami Malek (MR. ROBOT, PAPILLION) diese Lücke mit Hilfe des Kinos in Form eines der besten Musikportraits der letzen Jahre gefüllt. Dieses lässt nicht nur die Biopics der letzten Jahre verblassen, sondern stellt alle bisherigen Konzertübertragungen weit in den Schatten: BOHEMIAN RHAPSODY.

Bohemian Rhapsody Kritik zum Film
© Twentieth Century Fox Film

Inhalt

Viel möchte man zur Handlung nicht verraten, denn Queen-Fans werden die meisten Ereignisse der Bandgeschichte sicherlich wissen und für diejenigen, die sich nicht mit der Verlauf auskennen und vielleicht nur ein paar Songs mitsummen können, für die bietet BOHEMIAN RHAPSODY eine spannende, unterhaltsame und emotionale Geschichte, die mit ihren 134 Minuten wie im Flug vergehen wird. So viel sei verraten: Es beginnt mit der Gründung der Band in einem britischen Hinterhof und endet mit dem legendären Live Aid-Konzert von 1985.

Bohemian Rhapsody Kritik zum Film
© Twentieth Century Fox Film

Die Skepsis wird weggefegt

Sicherlich hat die Entscheidung, einem Superhelden-Regisseur (Bryan Singer) den Queen-Film anzuvertrauen und Freddy Mercury mit einem Amazon-Serien-Star mit ägyptischer Abstammung (Rami Malek) zu besetzen, einiges an Misstrauen hervorgerufen. Aber nach dem ersten Trailer war jeder Zweifel begraben, wenn Mercury, von Rami Malek war nichts mehr zu erkennen, auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Bühne des Londoner Wembley-Stadion betritt. BOHEMIAN RHAPSODY beginnt mit einem langhaarigen schüchternen jungen Mann mit markantem Sprachfehler, der zu Beginn etwas zu sehr in der Vordergrund rückt, aber wenn Freddie dann zum ersten Mal die Bühne betritt und seine unverwechselbare, facettenreiche Stimme erhebt, erkennt man den Entertainer und Sänger. Und so erzählt der Film mit viel Herz und einem perfekt abgestimmten Drehbuch (Anthony McCarten), wie diese Musikband einfach entstehen musste. Dies gelingt vor allem durch die treffsichere Bildsprache von Regisseur Singer. Wenn wir den jungen Freddie zum ersten Mal auf der Leinwand sehen, sortiert er Gepäckstücke auf einem Rollfeld. Als er einen Koffer mit jeder Menge Sticker aus aller Herren Länder verträumt anstarrt, verrichtet das Fließband weiter seinen Dienst und eine Welle aus Gepäck prasselt auf ihn ein. Diese Szene, mit Humor aber auch ein Einblick in seine Gedanken, beschreibt perfekt den Tonus des Films.

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© Twentieth Century Fox Film

Auch wenn das Ableben durch eine der grausamsten Krankheit in noch jungen Jahren zu Freddy Mercury gehört, setzt BOHEMIAN RHAPSODY dagegen. Er stellt die Ikone Mercury mit der Entwicklung vom schüchternen Jungen zum Rockstar, der auch noch mit seiner Liebesorientierung zu kämpfen hat, mit so viel Herz dar, dass man ihn einfach lieben muss. Und hier ergibt die Besetzung Sinn, Malek ist unbekannt genug, dem privaten Mercury neues Leben einzuhauchen und durch seine Persönlichkeit zu begeistern. Die Beziehung mit Ehefrau Mary Austin (Lucy Boyton) hat eine so ehrliche Herangehensweise, auch durch den Umstand der sexuellen Orientierung Mercurys, dass man sich wünscht, jeder würde heute damit so umgehen und sie beweist auch, dass Liebe eben nicht an Sex gebunden sein muss.

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© Twentieth Century Fox Film

Musikerportrait par excellence

Das Drehbuch webt perfekt die besten Songs der Band in die jeweiligen Kapitel ein und man versteht, aus welchem Grund oder aus welcher Situation dieser bestimmte Song entstehen musste. Das zeigt sich ohne große Metapher-Keule und immer im Wechsel mit einer Bildsprache wie es sich David Mamet in seiner Bibel DIE KUNST DER FILMREGIE nicht besser hätte wünschen können. Queen ist aber erst komplett mit den Bandmitgliedern Brian May (Gwilym Lee), Roger Taylor (Ben Hardy) und John Deacon (Joseph Mazzello). Alle Rollen sind genau richtig besetzt und geben der kreativen Fabrik Queen einen erkennbaren Anteil. Jeder bekommt seinen Moment, um mit einem Song zu glänzen und auch das familiäre Zusammenhalten, wo eben Streits dazugehören, wird stimmig inszeniert.

Bohemian Rhapsody Kritik zum Film
© Twentieth Century Fox Film

Man erkennt, dass hier viel Liebe zum Detail dabei ist, was auch daran liegt, dass Brian May und Jim Beach (ehemaliger Bandmanager von Queen) bereits 2006 mit der Produktion zum Film begonnen haben. Wenn man liest, dass Johnny Depp oder Sacha Baron Cohen zu Beginn als Hauptrolle einmal feststanden, freut man sich regelrecht über die turbulente, langjährige Entstehungsgeschichte, die diesen Film zu dem gemacht hat, was er jetzt ist. Regisseur Bryan Singer wurde sogar noch während der Dreharbeiten vom Studio wegen Diskrepanzen mit Malek gefeuert und Dexter Fletcher für die letzten 16 Drehtage und die Überwachung der Post-Produktion eingesetzt (Quelle: IMDb). Fletcher bringt übrigens im Mai 2019 den nächsten Musikgiganten von den britischen Inseln auf die Kinoleinwand: In ROCKETMAN soll Elton Johns verrücktes Leben verfilmt werden. Für BOHEMIAN RHAPSODY hätte es kaum besser werden können, denn Rami Malek verkörpert die Ikone, den kreativen Künstler und den verletzlichen Liebenden so perfekt, dass man schon die ersten Rufe nach einer OSCAR-Nominierung leise im Hintergrund des Abspanns hören konnte.

Bohemian Rhapsody Kritik zum Film
© Twentieth Century Fox Film

Ein Soundtrack, der sich hören lassen kann

Die Entscheidung, den Hauptdarsteller nicht selbst singen zu lassen und passende Live-Mitschnitte von Queen zu nutzen, war unumgänglich. Aber dies ist auch gut so, denn so konnte Malek sich perfekt auf Gestik, Mimik und Performance von Mercury konzentrieren und Fans bekommen die stimmgewaltigen Dimensionen ihres Helden in perfekter Qualität geboten. Zum Soundtrack gehört auch das geniale 20-minütige Ende des Films, das sicherlich für einige zu einer permanenten Gänsehaut führen wird. Ein paar Stücke haben eine neue Abmischung bekommen und hier und da wurden Gitarre oder Schlagzeug neu eingespielt. Die 20th Century Fox-Fanfare, welche in „Queenisch“ mit E-Gitarre das Intro von BOHEMIAN RHAPSODY einstimmt, wie auch die Rarität „Doing Alright“ von Smile (Ursprungsband von Queen) ist ebenfalls auf der 21 Songs starken Scheibe enthalten. Somit ist der Soundtrack zum Film sicherlich mehr als „nur ein weiteres Greatest Hits-Album“.

Bohemian Rhapsody Kritik zum Film
© Twentieth Century Fox Film

Fazit

Auch wenn einige eingefleischte Queen-Fans sich an geschichtlichen Fehlern aufspielen werden, wird auch ihnen zum Ende des Films dieses einzigartige Geschenk von Musikgeschichte bewusst werden. Das Finale gehört zu einem der Besten, die in diesem Jahr auf der Leinwand zu sehen sind und ist nur das Sahnehäubchen auf dieser Liebeserklärung.
An euch Kinobetreiber da draußen: Lasst eure Lautsprecher und Tonanlagen ordentlich durchchecken, Queen kommt!

 

Tipp: Wer dem Englischen mächtig ist, sollte sich die Originalversion ansehen, denn erst hier kommt Rami Maleks volles Talent zur Geltung. In ausgewählten Kinos läuft BOHEMIAN RHAPSODY auch im IMAX-Format, wir hoffen darauf, allein wegen des Finales, dass es auch in Deutschland der Fall sein wird.

Titel, Cast und CrewBohemian Rhapsody (2018)

PosterBohemian Rhaypsody Filmposter
Releaseab dem 31.10.18 im Kino
ab dem 14.03.19 auf DVD/Blu-ray/UHD
bei Amazon bestellen
RegisseurBryan Singer
Trailer
BesetzungRami Malek (Freddie Mercury)
Lucy Boynton (Mary Austin)
Joseph Mazzello (John Deacon)
Mike Myers (Ray Foster)
Ben Hardy (Roger Taylor)
Aidan Gillen (John Reid)
Gwilym Lee (Brian May)
Tom Hollander (Jim Beach)
Allen Leech (Paul Prenter)

DrehbuchAnthony McCarten
Peter Morgan
KameraBryan Singer
MusikJohn Ottman
SchnittJohn Ottman
Filmlänge134 Minuten
FSKab 12 Jahren

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