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Blue Steel (1990) Filmkritik

Blue Steel (1990) – Filmkritik

„High Noon in Manhattan”

Jamie Lee Curtis wird von einem Wahnsinnigen verfolgt, bis sie den Spieß umdreht und zur Heldin wird. Wer da irgendwie direkt an HALLOWEEN (1978) von John Carpenter denken muss, ist hier einer der spannendsten Elemente dieses ungewöhnlichen Genremixes auf der Spur: Copthriller, Western, Slasher Movie und ganz viel Beziehungsdrama aus der Perspektive einer starken Frauenfigur. Das bewusste Spiel mit bekannten Genre- und Rollenmustern und ihren jeweiligen Schwachstellen macht BLUE STEEL zu einem der interessantesten Filme seiner Zeit.

Blue Steel (1990) Filmkritik
Megan Turner (Jamie Lee Curtis) // © Studiocanal

Die Handlung

Megan Turner (Jamie Lee Curtis) wird nach einer letzten Prüfung zum Anfang des Films als Polizistin vereidigt. Diesen für sie wichtigen Triumph kann sie allerdings nur mit einer Freundin teilen. Ihre Eltern sind nicht zur Vereidigung gekommen. Hier zeigt sich bereits das Hauptthema ihrer Figur. Sie ist weitestgehend allein. Allein mit sich und ihrem Wunsch als Polizistin Gutes zu tun. Aber auch als Frau auf der Suche nach Liebe und Anerkennung. Nicht umsonst ist sie Single – beziehungstechnisch, aber auch beruflich. Das wird zu ihrem Hauptkonflikt. Während des gesamten Films wird ihr im Prinzip immer wieder dieselbe Frage gestellt: „Warum will eine so hübsche Frau ein Cop werden“? Ihre Antwort darauf fällt in der Regel sarkastisch aus: „Ich erschieße gerne Leute.“

Blue Steel (1990) Filmkritik
© Studiocanal

Doch es steckt immer ein wenig Wahrheit in ironisch gemeinten Schutzbehauptungen. Sie hat es: das bestimmte Gen, was aus einem Menschen mit Angst einen handelnden Helden werden lässt, ohne Hemmungen auch den finalen Abzug zu drücken. Warum sie so alleine ist und warum gerade ein wahnsinniger Börsenbroker mit Todessehnsucht (Ron Silver) zu dem Menschen wird, der sie am besten zu verstehen scheint, sie sich aber auch zu ihrem Vorgesetzten (Clancy Brown) hingezogen fühlt, zeigt BLUE STEEL auf eine sehr eigene, nicht immer schlüssige, aber immer spannende und vor allem visuell sehr gekonnte Weise. Bis zu seinem blutigen und stilistisch stark fragmentierten HIGH NOON Showdown in den Straßen Manhattans fokussiert sich BLUE STEEL eher auf das Drama zwischen der Action.

Blue Steel (1990) Filmkritik
© Studiocanal

Die weibliche Seite

Bei diesem Film kommt man(n) um den weiblichen Aspekt nicht herum. Zuallererst haben wir es mit einer sehr starken, wenig hilfebedürftigen und ganz und gar nicht unschuldigen Heldin zu tun. Trotz ihrer Stärke ist sie fehlbar und verletzlich. In ihr erkennen wir einerseits eine sehr moderne Frau, aber auch Charakterzüge männlicher Rollenvorbilder: Clint Eastwood, oder Gary Cooper als einsame, gebrochene Gesetzeshüter, spiegeln sich in ihrer Haltung ebenso wie ein sich nicht anpassen wollender Steve Mc Queen. Allein dadurch entsteht ein sehr moderner Blick auf auch heute noch bestehende Geschlechterbilder und stellt sie so ganz unaufgesetzt in Frage.

© Studiocanal

Mit Schauspielerin Jamie Lee Curtis und Regisseurin Kathryn Bigelow kommen bei diesem Projekt zwei Filmschaffende zusammen, die sich genau zu diesem Zeitpunkt an der spannendsten Stelle ihrer Karriere befinden. Zwei HOT WOMEN sozusagen. Da ist zum einen Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis. Zunächst „nur“ Tochter von Hollywood Gigant Tony Curtis und der leider nie ganz zum Star gewordenen Janet Leigh, fand sie eher über die „Langstrecke“ den Weg nach oben. Da sind ihre Anfänge Mitte der 70er im TV und dann ihre Filmgeburt als oftmals belächelte Scream Queen in Carpenters Slasher Meilenstein HALLOWEEN. Über weitere ähnliche Werke wie z. B. PROM NIGHT, oder THE FOG (1980), die charmante Komödie DIE GLÜCKSRITTER (1983) wurde sie dann, besonders durch den eher unfreiwillig komischen Aerobic Thriller PERFECT (1985) zu The Body. Doch erst durch ihr selbstironisches Talent in EIN FISCH NAMENS WANDA (1988) entwickelte sie echtes Starpotential. Witzig und dabei verdammt sexy, war sie für den Moment eine der heißesten Schauspielerinnen am Markt. Alle waren gespannt auf ihr nächstes Projekt.

© Studiocanal

Kathryn Bigelow hatte 1987 mit NEAR DARK nicht nur einen wirklich innovativen und bildgewaltigen Vampir-Neo-Western auf die Leinwand gezaubert, sondern zugleich eindrucksvoll bewiesen, dass weibliche Regisseure auch Action können. Doch anders als z.B. ihre Regiekollegin Mary Lambert (FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE) konnte sie zwei ihrer wichtigsten Attribute besonders herausstellen. Mit einem ganz eigenen, vielleicht wirklich eher weiblichen, Blick auf unterschiedliche Genres, gepaart mit überragend technischem Handwerk war sie gerade eine der spannendsten Filmemacherinnen in Hollywood. Auch sie war HOT.

© Studiocanal

Copthriller

Das Wissen um diese Dualität der beiden kurz umrissenen Biographien macht BLUE STEEL, trotz einiger Drehbuchschwächen gerade in Bezug auf Handlungsweisen der Hauptfiguren, besonders für Cineasten wirklich sehenswert. Mit langen Brennweiten und extremen Close-Ups bleibt Bigelow ganz nah an ihren Protagonisten. Selten waren wir in einem Thriller so nah dran an den Hauptfiguren. Mit nur sehr wenigen, totaleren Einstellungen gibt sie dem Zuschauer knappe Orientierungshilfen, wo sich die einzelnen Szenen abspielen. So rudimentär haben wir New York bisher noch nicht in einem großen Hollywoodfilm gesehen. Mit Kameramann Amir Mokri (später u. a. LORD OF WAR, MAN OF STEEL) transportiert sie, die Einsamkeit ihrer Hauptfiguren, in kühl und sehr klug komponierten Bildern. BLUE STEEL ist nicht nur der Stahl der Mordwaffe, sondern auch der Look des kompletten Films.

Chief Stanley Hoyt (Kevin Dunn) // © Studiocanal

Fazit

Rein optisch ist dieser Film ein echtes Meisterstück. Es ist ein Film des bewussten Weglassens. Mutig zeigt uns Bigelow nur das aus ihrer Sicht Notwendigste für diesen Film. Jamie Lee Curtis als weiblicher DIRTY HARRY und Ron Silvers AMERICAN-PSYCHO-Figur, fordern uns als ungewöhnliches Liebes- und Antagonisten Paar den kompletten Film über heraus. So eine Paarung ist definitiv kein Mainstream. Bewusst unaufdringlich begleitet von einem fast schon meditativen Elektronikscore von Brad Fiedel (dem „Botschafter“ der elektrischen Geige) präsentiert uns Kathryn Bigelow einen intellektuellen Thriller, der selbstbewusst gängige Sehgewohnheiten extrem konzentriert und seinen Zuschauer immer wieder abwechselnd herausfordert und gefangen nimmt.

Nick Mann gespielt von Clancy Brown // © Studiocanal

Die Blu-ray

Das Cover der Blu-ray © Studiocanal

In einem sehr schönen digitalen Transfer, der das Filmkorn souverän mit einbettet, kommt diese Veröffentlichung daher. Sehr kleine und kurze Bildfehler können aber den sehr eleganten Gesamteindruck nicht schmälern. Diese Version weist leider keine nennenswerten Extras aus. Bis auf einen angeblichen Originaltrailer, der aber wohl doch eher speziell für diese Heimkino-Veröffentlichung produziert wurde, konzentriert sich diese Edition ganz auf den Film. Ein Making of oder Interviews wären hier jedoch eigentlich Pflicht. Insgesamt aber eine lohnenswerte Veröffentlichung von studiocanal für Filmliebhaber.

© Andreas Ullrich

Titel, Cast und CrewBlue Steel (1990)
PosterBlue Steel (1990) Filmkritik

Release
ab dem 06.12.2018 auf Blu-ray erhältlich
Bei Amazon kaufen (Affiliate Link)
RegisseurKathryn Bigelow
Trailer
DarstellerJamie Lee Curtis (Megan Turner)
Ron Silver (Eugene Hunt)
Cancy Brown (Nick Mann)
Elizabeth Peña (Tracy Perez)
Philip Bosco (Frank Turner)
Kevin Dunn (Stanley Hoyt)
Richard Jenkins (Anwalt Mel Dawson)
DrehbuchKathryn Bigelow
Eric Red
MusikBrad Fiedel
KameraAmir Mokri
SchnittLee Percy
Filmlänge102 Minuten
FSKab 16 Jahren

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