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BlackBerry (2023) – Filmkritik

„Klick einer Generation“

An Sonderlingen mangelt es der Techbranche nicht, an kuriosen Erfolgs- und Verlustgeschichten noch weniger. Stück für Stück treten solche unternehmerischen Biografien ins Licht, beweisen, welche Zufälle mitgespielt haben und was es bedeutet die Welt zu verändern. Doch diese Geschichte hier, ist eine ganz besondere. BLACKBERRY erzählt vom ersten erfolgreichen Smartphone, also einem Telefon, welches auch internetfähig ist. Das erste BlackBerry kam 1999 auf den Markt. In dieser Zeit haben sich die meisten noch mit quietschenden und ratternden Geräuschen per Modem ins Netz eingewählt und den eigenen Telefonanschluss blockiert. Das BlackBerry erfüllte einen Wunsch, dem sich die meisten noch gar nicht bewusst waren: globale, schnurlose Erreichbarkeit dank handlichem Format inklusive Tastatur. Wer jetzt sagt, dass BLACKBERRY nur die Vorgeschichte des iPhones ist, denkt zu kurz, denn dieser technische und gesellschaftliche Quantensprung hat unsere gegenwärtige digitale Welt mit erschaffen. Steve Jobs hat diese Idee aufgenommen und erweitert. Die richtige Innovation fand hier statt: in Kanada!

© Paramount Pictures Germany

Handlung

Der Start zum Milliardenunternehmen geht nicht so leicht von der Hand. Am Anfang stehen die Studienfreunde Mike Lazaridis (Jay Baruchel) und Douglas Fregin (Matt Johnson). Sie sind Gründer von Research in Motion Limited. Eine technische Bastelbude mit einem Haufen Nerds und popkultureller Verehrung für ihre Kindheit, Geschäftsfeld: Modems bauen. Die Idee, einem Telefon einen Internetanschluss zu verpassen, hatten sie schon lange und die telemetrischen Probleme sehen sie auch gelöst, doch es fehlt ein Investor. Der cholerische und frisch entlassene Jim Balsille (Glenn Howerton) sieht in den beiden Chaoten Potential, nicht nur technisches, sondern auch jede Menge finanzielles. Er steigt als Co-CEO ein, bringt den Laden in feinster Wall-Street-Manier auf Touren und die Erfolgsgeschichte nimmt ihren Lauf. Aber Wachstum ist nicht unendlich.

© Paramount Pictures Germany

Dokumentarisch

So unmodern ein BlackBerry-Smartphone heute erscheinen würde, so trocken ist die Inszenierung von Regisseur und Darsteller Matt Johnson. Typische pseudo-dokumentarische Werkzeuge: Handkamera, Zooms, schnelle Schwenks. Außerdem gibt sich Kanada, genauer gesagt der Ort Waterloo, in sattem Grau, bewölkt, feucht und frostig. Fröhliche Farben sucht man vergeblich und Natur scheint ein Fremdwort zu sein. Dies ist der beste Brutkasten für das Technologie-Einhorn. Dank der darstellerischen Freude am Spiel, vergisst man die einfallslose Trickserei hinter der Kamera und bei der Erfolgsgeschichte der drei Sonderlinge ist man voll dabei. BLACKBERRY punktet mit schnellen Szenen, schnellen Dialogen und noch schnellerer Entwicklung. Der einzige Wohlfühlfaktor ist die volle Breitseite Nerd-Kultur. Retro-T-Shirt der 1990er Jahre, Filmzitat-Rätsel und die ersten Onlinegames lassen jedem, der diese Zeit mitgenommen hat, ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Aber zuerst: „Führ mich zum Schotter!“

© Paramount Pictures Germany

Technischer Kipppunkt

Wie einst bei den ersten PCs, war es zum Jahrtausendwechsel an der Zeit für das erste Smartphone. Diese unabdingbare Entwicklung zeigt BALCKBERRY in Meeting-Szenen, doppelten Nachtschichten und treibenden Business-Deals. Viele versuchten vergeblich das Internet ins Telefon zu stecken, doch diesen drei Enthusiasten gelang es mit dem richtigen Druck und den passenden Stellschrauben. Vor allem wird deutlich, dass es erst mit der Anschaffung eines eigenen Finanzhais (Jim Balsille), der wusste, wie man im kapitalistischen Haifischbecken überlebt, zu einer Erfolgsgeschichte werden konnte. Auch wenn Freundschaften zerbrechen und Menschenwürde hinter sich gelassen wird, geht dieses Trio Infernale über Managerleichen. Der eine hält das Entwickler-Team bei Laune (Fregin), der andere ist das verkappte Genie (Lazaridis) und der dritte ist das unternehmerische Alphatier (Balsille). Das Trio ist das Fundament des Smartphone-Imperiums. Doch wie bei den meisten schnellen Erfolgsgeschichten, ist der zwischenmenschliche Beton nicht richtig ausgehärtet, bricht auseinander – und zusätzlich in diesem Fall – wird er von der nächsten technischen Evolutionsstufe plattgewalzt: Apple mit der Einführung des iPhones. Dramaturgisch spannend und immer auch etwas satirisch überspitzt, passiert hier alles gleichzeitig: die Bindung zwischen den Dreien bricht, jeder hat genug Geld und andere Interessen, die Qualität sinkt, weil man die Investoren mit höherer Gewinnmarge und chinesischer Produktion glücklich machen muss und dann kommt noch dieser Steve Jobs mit seinem Schmierphone. Diese multiplen Kriterien, die das Scheitern vergegenwärtigen, werden so genüsslich aufgeführt, wie der rasante Erfolg in den Jahren zuvor. Aber es führt auch vor, welch exponentielle Welt uns der Kapitalismus aufzwingt.

© Paramount Pictures Germany

Fazit

Das menschliche Verständnis für technische Erfindungen, welche die Industrie, Gesellschaft und Kultur maßgeblich verändern, braucht immer ein paar Jahre für die richtige Aufarbeitung. Wer sich fragt, wie es nur dazu kommen konnte, dass die gegenwärtige Menschheit einen Großteil ihrer Lebenszeit in ihre beleuchteten Hände starrt, der sollte BLACKBERRY sehen, eine der besten Tech-Biopics der letzten Jahre.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewBlackBerry (2023)
Poster
ReleaseKinostart: 07.12.2023
RegieMatt Johnson
Trailer
BesetzungJay Baruchel (Mike Lazaridis)
Glenn Howerton (Jim Balsillie)
Matt Johnson (Doug)
Cary Elwes (Yankowski)
Saul Rubinek (Woodman)
Michael Ironside (Purdy)
Rich Sommer (Paul)
Sungwon Cho (Ritchie)
Michelle Giroux (Dara)
Mark Critch (Bettman)
DrehbuchMatt Johnson
Matthew Miller
KameraJared Raab
MusikJay McCarrol
SchnittCurt Lobb
Filmlänge121 Minuten
FSKab 12 Jahren

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