„Trauerarbeit“
Es war ein globaler Paukenschlag in den Kinos. BLACK PANTHER (2018) brachte nicht nur zum ersten Mal einen schwarzen Superhelden mit seinem eigenen Kinofilm auf die Leinwand, es war außerdem einer der erfolgreichsten Kinofilme aller Zeiten (insgesamt 1,35 Mrd. Dollar Umsatz weltweit an der Kinokasse). Der Superhelden-Blockbuster wagte aber noch viel mehr: eine Story, die sich als Metapher für die afroamerikanische Bevölkerung in den USA beweisen konnte und zusätzlich den Fokus auf die afrikanische Kultur in all ihren Facetten legte. Eine Fortsetzung der königlichen Raubkatze war unausweichlich. Nach diversen Auftritten im MCU und der finalen Schlacht in der Infinity Saga starb in unserer Realität der Black-Panther-Hauptdarsteller Chadwick Boseman unerwartet an Krebs. In BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER muss unweigerlich das Erbe des afrikanischen Königreichs angetreten werden und beim produzierenden Disney-Studio hat man unweigerlich Angst, dass die Schauspieler digital auf der Leinwand zu neuem Leben erweckt werden. In diesem Aspekt darf man bereits Entwarnung geben.
Ich selbst war mit BLACK PANTHER nicht zufrieden. Mir war die Hauptfigur zu unnahbar und stolz, auch wenn ihr im Film kurzzeitig die Superkräfte entzogen wurden. Probleme in einer Monarchie sind mir zu fremd und mit dieser geheimen Welt konnte ich wenig anfangen. Ich kann mich jedoch an jedem Zuschauer und jeder Zuschauerin erfreuen, die den Film lieben, denen die Welt des BLACK PANTHER etwas bedeutet und darin ein Vorbild finden. Der überraschende Tod von Chadwick Boseman traf aber auch mich, denn gerade schien der Karrierezug dieses Talents langsam in Fahrt zu kommen (21 BRIDGES, DA 5 BLOODS und MA RAINEY’S BLACK BOTTOM). Mit Erwartungen an zu viel Heldenverehrung und auffälligen Emotionsdruckpunkten an die 162-minütige Fortsetzung schlich ich in den Kinosaal und war überrascht, dass auch mir Wakanda etwas bedeuten kann.
Handlung
Die Zeit für Trauer ist kurz. König T’Challa ist gestorben und Schwester Shuri (Letitia Wright) konnte ihn nicht retten. Wakanda hat seinen Beschützer verloren, aber Königin Ramonda (Angela Bassett) hält ihr Volk zusammen. Und das ist wichtig, denn die internationale Welt sieht das Land in Schwäche und will ihren wertvollsten Rohstoff: Vibranium. General Okoye (Danai Gurira) kann die Angriffe aber noch abwehren. Das wertvolle Metall, welches dank eines Meteoriten in Afrika gelandet ist und dem Wakanda seine hohe Entwicklung zu verdanken hat, ist aber noch woanders auf der Erde zu finden. Tief im Ozean entdeckt ein amerikanisches Schiff bei einer Bohrung eine Vibranium-Ader. Doch die gesamte Besatzung wird von einem Volk aus dem Wasser vernichtet. Dahinter steckt das ebenfalls geheime Königreich Talocan und sein König Namor (Tenoch Huerta). Namor bietet der Königin von Wakanda an, eine Allianz zu bilden. Jedoch sollen sie den amerikanischen Wissenschaftler aushändigen, dem es gelungen ist, ein Gerät zu entwickeln mit dem man Vibranium ortet. Die Spur führt zum M.I.T. College und zu einer jungen Studentin namens Riri Williams (Dominique Thorne).
Die nächste Generation
Der Verlust eines geliebten Menschen setzt sich über Status, Macht und Alter hinweg. Jeder lernt jedoch anders damit umzugehen. Die Kultur Wakandas hat Traditionen und Bräuche, um damit leben zu können. Doch die sind für Shuri keine Option und weltpolitisch gibt es zum Glück Ablenkung. Auch die Nachfolge des Black Panther wird kaum diskutiert, das Königreich scheint hier noch zu traditionell aufgestellt zu sein. Mit der frischen Darstellerin Letitia Wright kann man sich gut anfreunden, sie ist ein Nerd, verfügt über eine Best-Friend-KI wie Tony Stark und genießt die Freiheiten einer Prinzessin. Sie ist einfach cool. Die Bürde lastete nie stark auf ihren Schultern, sie war lediglich Q für ihren afrikanischen Agenten-Bruder. Doch jetzt ist alles anders und Darstellerin Letitia Wright gelingt es diese Verwirrung aus Trauer und Zugzwang gekonnt in ihrem Schauspiel zu kombinieren.
Auch das Zusammentreffen mit ihr und Namor ist geprägt von Menschlichkeit auf beiden Seiten und nicht von adliger Attitüde. In der Figur von Namor spielt WAKANDA FOREVER eine seiner ersten großen Stärken aus: der potenzielle Gegner bekommt eine Geschichte und nachvollziehbare Emotionen. Er erhält einfach ein Leben, auch wenn die Flügel an den Knöcheln extrem albern wirken, ist seine Vergangenheit glaubhaft. Das Volk der Talocan – eine Gruppe der indigenen Urahnen aus Mittelamerika – hätte noch etwas mehr Spielzeit erhalten können. Man will noch mehr über sie erfahren und wie es den blauen Lebewesen gelingt einen Alltag auf dem Meeresgrund zu führen.
Kulturen-Mix
Eine weitere Stärke von WAKANDA FOREVER unter Regie von Ryan Coogler ist es, die westliche Zivilisation fast völlig außen vor zu lassen. Die UN und vor allem die CIA wirken nur noch wie clowneske Klischees. Ausschließlich „Koloniallist“ Everett Ross (Martin Freeman) darf moralisch nachvollziehbar agieren. Das macht BLACK PANTHER 2 übrigens zu einem Negativ der vielen Beiträge in der Hollywood-Filmgeschichte, in denen es nur eine sympathische Person of Color in einer rein weißen Besetzung gab. In WAKANDA FOREVER gibt es nur einen Weißen, der keine Karikatur darstellt. Vielleicht nicht gerade glaubhaft, aber nur fair, wenn man bedenkt, wie viele gute schwarze Darstellerinnen und Darsteller in diese Rolle gepresst wurden (z. Bsp. Hattie McDaniel oder Sidney Portier).
Für kulturelle Spannung sorgt das Volk der Talocan mit ihrem König, der über Superkräfte verfügt. Ein gelungener Gegenentwurf zur Welt von Wakanda. Das Unterwasservolk kommt zwar etwas zu kurz und Wakanda arbeitet sich wieder an ihrer Innenpolitik der afrikanischen Völker und deren Maskeraden ab, aber die Art des Konflikts ist reifer und gipfelt nicht in animierten Massenschlachten. Was in WAKANDA FOREVER richtig Spaß macht, sind die Kostüme, die jetzt endlich in der breiten Öffentlichkeit angekommen sind. Afrikanische Mode-Designer erobern in den letzten Jahren immer mehr den Laufsteg, ohne ihre Kultur zu vernachlässigen und das Kostümbild von Ruth E. Carter nimmt die Inspirationen dankend entgegen. Als Europäer kann man nur noch neidisch über diese Vielfalt von Farben und Stoffen staunen, die in diesem Superheldenfilm zu Geltung kommen.
Die Moral
Dank der vielen Szenen, die die Charaktere wirklich herausbilden, bekommt die Handlung etwas Organisches. Man stört sich nicht mehr an digitalen Effekten und Lichtblitzen. WAKANDA FOREVER ist verhältnismäßig mit wenig Action ausgestattet und das persönliche Highlight ist bereits in einer wilden Verfolgungsjagd im nächtlichen Cambridge erreicht. Inhaltsleere Schlachten wurden zu Gunsten von Dialog, Charakterentwicklung und Geschichten geopfert. Ein Fehler, der ebenfalls in DOCTOR STRANGE 2 zu sehen war, ist die Vernachlässigung des jungen Menschen-Charakters. In diesem Fall die Studentin Riri Williams. Das Gespann aus ihr, der Ingenieurin und Shuri als Wissenschaftlerin funktioniert perfekt, bekommt aber deutlich zu wenig Raum. Dafür hätte man die Sinneskrise des Generals oder die Szenen von Everett Ross und Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) dem Schneidetisch opfern sollen. Aber man will ja das MCU am Laufen halten und Valentina wird in THUNDERBOLTS (2024) zurückkehren.
Fazit
BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER gelingt es mit respektvollem Fokus auf die eigene Familientragödie und dem Zuwachs eines weiteren indigenen Volks als Konfliktpartner die kulturelle Vielfalt unseres Planeten erstrahlen zu lassen. Aus dem Schicksalsschlag hat die Fortsetzung eine Stärke gemacht und das liegt nicht nur an der neuen agilen Raubkatze. Wakanda hat sich nun gänzlich für die Kinoleinwand geöffnet, auch wenn es vielleicht nicht für jeden der Fall sein wird.
Titel, Cast und Crew | Black Panther: Wakanda Forever (2022) |
Poster | |
Regie | Ryan Coogler |
Release | Kinostart: 09.11.2022 seit dem 02.03.2023 auf UHD, Blu-ray und DVD erhältlich. Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Trailer | |
Besetzung | Letitia Wright (Shuri) Danai Gurira (General Okoye) Tenoch Huerta (Namor) Lupita Nyong’o (Nakia) Angela Bassett (Königin Ramonda) Winston Duke (M’Baku) Martin Freeman (Agent Everett K. Ross) Dominique Thorne (Riri Williams / Ironheart) Florence Kasumba (Ayo) Michaela Coel (Aneka) |
Drehbuch | Ryan Coogler Joe Robert Cole |
Kamera | Autumn Durald |
Musik | Ludwig Göransson |
Schnitt | Michael P. Shawver |
Filmlänge | 162 Minuten |
FSK | Ab 12 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter