Zum Inhalt springen

Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit (1989) – Filmkritik

„Bunt ist das Dasein“

Kein Wunder, dass die 80er Jahrzehnte später immer noch so verehrt werden. Es gab nicht nur coole Mode, tanzbare Musik und Popkultur vom Feinsten, sondern eine Art von Freiheit, die heute seinesgleichen sucht. Klar hat man in den 2020ern grenzenlose Möglichkeiten, aber es herrscht durch die alles beobachtende Welt des Netzes eine gewisse Aufsicht. In den 1980-Jahre war man unter sich, konnte mit seinen Freunden Unsinn treiben, hemmungslosen Tagträumen nachgehen und selbst mit Dummheit sympathisch sein. Bill und Ted sind nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, aber Mann, sind das zwei ehrliche Burschen. Wenn man heute BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT anschaut, begeistert einen, neben der nach wie vor granatenstarken deutschen Synchro, mit welcher Echtheit und Fröhlichkeit diese beiden Hoschies durch die Welt streifen. Was die Teenager-Filme jener Zeit auch ausgemacht hat, war, dass ihnen dann doch noch alles auf den letzten Drücker gelingt. Wie Karma, was dank ihrer freundlichen Art, positiv auf sie zurückschnippst.

© Studiocanal

Handlung

Eine eigene Rockband, das ist es was Bill (Alex Winter) und Ted (Keanu Reeves) erreichen wollen. Einen Namen haben sie schon: Die wilden Hengste. Die Garage ist auch schon in einen Proberaum verwandelt, aber spielen können sie noch nicht wirklich. Leider ist da noch die lästige Schule, genauer gesagt der Geschichtsunterricht. Sie drohen durchzufallen, wenn sie nicht beim morgigen Geschichtsreferat eine 2+ bekommen. Zum Glück landet Rufus (George Carlin) aus dem Jahr 2688 im kalifornischen San Dimas direkt neben ihnen auf dem Parkplatz. Sie dürfen seine zeitreisende Telefonzelle benutzen, um echte Recherche in der Geschichte der Menschheit zu betreiben. Scheiß auf das Zeitkontinuum, Hauptsache nicht in Geschichte durchfallen.

© Studiocanal

Zeitreise Deluxe

Es ist schwer vorstellbar, wenn man nicht mit BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT aufgewachsen ist, die Science-Fiction-Komödie heute auf Anhieb gut zu finden. Und wenn man das Experiment bei sich selbst durchführt, sich wieder auf die Reise mit diesen granatenstarken Typen zu begeben, ist der Start ungewöhnlich. Manchmal wirken Reeves und Winter wie Marionetten, deren Gliedmaßen ruckartig bewegt werden und auch ein paar gesellschaftliche No Go’s kommen zum Zuge. Man denke nur an den verqueren Ödipus-Komplex von Bill, der auf einmal eine junge attraktive Schwiegermutter hat und versucht jeglichen sexuellen Gedanken an sie zu unterdrücken. Getoppt wird das Ganze von einer äußerst schmierigen Szene, in der sein Vater die Jungs aus Bills Zimmer schickt, um mit seiner jungen Gespielin rumzumachen. Es dauert auch ein bisschen, um bei der Sprache und dem Flow von Bill und Ted mitzuhalten. Aber spätestens, wenn die beiden in die Zukunft reisen und der magische Song „In Time“ von Robbi Robb ertönt, stellt sich Gänsehaut ein. Jetzt ist man, abgeholt, wie es so schön heißt, nicht von der Handlung, sondern frei von jeglicher Art Anspruch an das Filmvergnügen. Man ist wieder jung, hat alle Zeit der Welt und hängt mit ein paar Freunden ab, von denen man sogar noch einiges lernen kann.

© Studiocanal

Be excellent

Was den Film auch heute noch sympathisch macht, ist die Ausgeglichenheit der Protagonisten. Heute würden solche Chaoten einen Joint im Mundwinkel haben oder krass besoffen sein. Bill und Ted schlendern durch die verrückte Welt und sehen stets die guten Dinge: ein Bier ohne Altersnachweis im Wilden Westen, eine grantenstarke Bräuteburg und alles andere, was man mit diesem Zeitreisen noch anstellen kann. Großartig ist auch, wie Ted einfach zu Billy The Kid nach dessen ersten Zeitreisen meint, wie locker er doch das Ganze hier wegsteckt. Ein Lob von jemandem, der auch gerade erst Sci-Fi erlebt und eine Hand, die zur Freundschaft gereicht wird. Vor allem sollte man sich das Motto des Films zu Herzen nehmen. Zu gern möchte man Kids durch die Straßen radeln sehen, die sich gegenseitig zurufen:

„Be excellent to each other!” „Party on Dude!“

Natürlich auch sehr gern die schöne deutsche Synchronisation:

„Bunt ist das Dasein und granatenstark.“, „Volle Kanne Hoschie“

© Studiocanal

Es geht hier nicht darum als junger Mensch der zu sein, der am meisten Alkohol verträgt, die meisten Social-Media-Abos hat oder am besten die Schwachpunkte des anderen findet. Man könnte schon sagen, Bill und Ted haben eine Art buddhistische Lebenseinstellung bereits in jungen Jahren. Dieses Mantra gilt natürlich nicht nur für Teenager, sondern kann ruhig öfter in der Erwachsenenwelt, vielleicht in diversen Vorstandssitzungen, angewandt werden.

© Studiocanal

Weil Bill und Ted so elegant durchs Leben gehen, können sie auch das Zeitparadoxon in Zaum halten. Fast vergessen ist die Art wie sich beide am Ende durch eine vollbesetzte Polizeiwache „wünschen“. Sie können ja einfach mit der Zeitmaschine, nachdem alles vorbei ist, hier hinreisen und ein paar Schlüssel platzieren, eine Kassettenrekorder besprechen und ein paar Fallen stellen. Fast gottesgleich kommen sie so durch den Hindernislauf und das alles mit einer typischen Schüler-Arbeits-Einstellung: Das mache ich lieber später. Wir sehen nie, ob sie wirklich noch ihre Aufgaben erledigen. Schwer zu glauben, wenn es Ted nicht einmal schafft seine Uhr aufzuziehen.

© Studiocanal

BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT stellt das Zeitreisen nie als verantwortungslos dar, sondern einfach nach dem Motto, dann ist es eben so. Die berühmtesten Personen aus der Geschichte: Billy The Kid, Sokrates, Johanna von Orleans, Napoleon, Sigmund Freud, Ludwig von Beethoven, Dschingis Khan und Abraham Lincoln springen stets freiwillig in die Telefonzelle. Die eigene Neugier und das Vertrauen in diese beiden Schüler scheint grenzenlos. Wenn mich jemand mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1989 locken würde, würde ich auch in eine typische amerikanische Mall der 80er gehen wollen. Da gibt es alles, sogar Kinos!

© Studiocanal

Produktion und Hintergrund

Die Besetzung von Bill und Ted mit Alex Winter und Keanu Reeves war wirklich ein Glücksgriff. Es wurden mehrere Schauspieler paarweise getestet, aber nirgends stimmte die Chemie so gut wie bei Winter und Reeves. Selbst in den Castingpausen unterhielten sich beide freundschaftlich weiter. Die Figuren basieren auf der Stand-up-Comedy-Idee der Autoren Ed Solomon und Chris Matheson. Als das Drehbuch, die Besetzung und Regie (Stephen Herek) feststand, ging man bei Warner Brothers an die Tür klopfen, um eine Finanzierung zu erhalten. WB fand das Projekt liebenswert, wusste aber nichts damit anzufangen und so kam das Produktionsstudio von Dino de Laurentiis (FLASH GORDON, CONAN DER BARBAR) ins Spiel. Sie waren bereit das Team mit einem Budget von 10 Mio. Dollar auszustatten. Die Verbindungen des Italieners ermöglichten auch einen Dreh in Italien, an historischen Filmsets (Mittelalterszene) oder direkt in der Stadt (Sokrates in Griechenland).

© Studiocanal

Beinahe hätte BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT sein Dasein im Regal der unveröffentlichten Projekte gefristet oder wäre direkt ins Fernsehen weitergereicht wurden. Aber der kleine Filmverleih Nelson Entertainment fasste sich ein Herz und brachte die Komödie nach erfolgreichen Testscreenings in die Kinos. Der Erfolg war überwältigend. Kids sprachen auf einmal wie Bill und Ted, zum Missfallen der Englischlehrer und der unbekannte Cast wurde auf der Straße erkannt: „Sind sie nicht Napoleon?“

Musik

Soundtrack auf Vinyl © Mondo

Dieses Abenteuer ist erst durch seinen Soundtrack eine richtig runde Sache geworden. „In Time“ von Robbi Robb ist pure 80er-Jahre Magie und die E-Gitarren erklingen von Bands wie Power Tool, Tora Tora, Extreme und Bricklin. Hinzu kommt die lebendige und spaßige Filmmusik von David Newman (GALAXY QUEST, TEUFLISCH), der locker jede Art von Genre zu bedienen weiß: Western, Ritterabenteuer oder Science-Fiction. Wer eine Schwäche für Schallplatten hat, dem sei die Doppel-LP-Ausgabe von Mondo empfohlen. Eine Platte mit Score und eine Platte mit den Songs verpackt in einem stilvollen Design, exzellent.

© Studiocanal

Das Release von Studiocanal

Limited Collector’s Edition (Blu-ray)

Apropos kaufen, wer sich diesen 1980er-Jahre-Kultstreifen nach Hause holen will, um ihn immer wieder zu erleben, dem sei die granatenstarke Collector’s Edition ans Herz gelegt. Der Film liegt mit einem perfekt restaurierten Bild in HD vor. Wenn jegliches Filmkorn fehlt, kann das manchmal die Optik ruinieren, aber hier passt es. Selbst die etwas hohe Farbsättigung bringt diesen Zuckerrausch von Film zum Leuchten. Der Ton ist ein zweischneidiges Schwert, weil beide Sprachversionen ihren Reiz haben. Die Originalspur ist viel räumlicher und hat mehr Umgebungsgeräusche. Auch einige legendären Sätze im Englischen rocken. Aber die deutsche Synchronisation hat sich in ihrer kreativen Freiheit selbst übertroffen.

4K-UHD-Steelbook

„Na, kommen wir vom Kakerlakenscheuchen, königlicher Nasengully?“ ist doch wohl besser als „How’s it going, royal ugly dudes?“! Um mit der Lebensweisheit von Bill und Ted heranzugehen, haben beide Sprachfassungen durchaus ihre Existenzberechtigung. Das Bonusmaterial sprengt fast die Kapazitäten der Blu-ray. Ein einstündiger Rückblick von 2016 auf die Dreharbeiten lohnt sich allein dafür, um zu sehen, wie alle Darsteller fast 30 Jahre später aussehen. Außerdem gibt es noch die erste Episode „One Sweet & Sour Chinese Adventure“ der Zeichentrickserien von Bill und Ted in Englisch, ganz im Stil der GHOSTBUSTERS- und ZURÜCK-IN-ZUKUNFT-Trickserien. Als besonderes Goodie liegt die Fortsetzung BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE IN DIE ZUKUNFT (1991) ebenfalls auf Blu-ray bei. Für Heimcineasten mit der neusten Technik gibt es das gleiche Paket noch in einem UHD-Steelbook mit dem Film in 4K.

Ein volle Kanne Deluxe-Release!

© Studiocanal

Fazit

Auch wenn man diese beide Typen aus der Kindheit schon fast vergessen hat, knallen Bill und Ted mit ihrer Telefonzelle direkt ins heimische Wohnzimmer. BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT nimmt einen den Zynismus von der Seele und sämtliche verantwortungsvolle Last von den Schultern. Granatenstarke Lebensweisheiten gibt es noch als Extra hinzu und ergibt eine exzellente Reise in die 80er-Jahre, als die Welt vielleicht kleiner war, aber man mit etwas Luftgitarre mit sich selbst sofort im Reinen war.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewBill & Teds verrückte Reise durch die Zeit (1989)
OT: Bill & Ted's Excellent Adventure
Poster
© Studiocanal
ReleaseKinostart: 15.06.1989
ab dem 03.09.2020 auf UHD (Steelbook), Blu-ray (Collectors Edition) und DVD erhältlich.

Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen?
Dann geht über unseren Treibstoff-Link:
Regisseur Stephen Herek
Trailer
BesetzungKeanu Reeves (Ted Theodore Logan)
Alex Winter (Bill S. Preston Esquire)
George Carlin (Rufus)
Terry Camilleri (Napoleon)
Dan Shor (Billy the Kid)
Tony Steedman (Socrates)
Rod Loomis (Freud)
Al Leong (Genghis Khan)
Jane Wiedlin (Jeanne d'Arc)
Robert V. Barron (Abraham Lincoln)
Clifford David (Beethoven)
Hal Landon Jr. (Captain Logan)
Bernie Casey (Mr. Ryan)
Amy Stoch (Missy / Mom)
DrehbuchChris Matheson
Ed Solomon
KameraTim Suhrstedt
FilmmusikDavid Newman
SchnittLarry Bock
Patrick Rand
Filmlänge90 Minuten
FSKab 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert