„Der Trucker, seine tote Frau, das Medium und ihre Tochter“
Verleih und Blu-ray-Artwork von BETWEEN WORLDS wecken zwangsläufig Assoziationen an den großartigen MANDY, präsentiert man immerhin Hauptdarsteller Nicolas Cage in Lederkluft, Holzfällerbart und Sonnenbrille, stilecht vor einem Feuer-.png-Hintergrund. Das Regiedebüt von Maria Pulera entpuppt sich bei Betrachtung aber eher als supernaturales Dreiecksdrama, denn als Hirnaus-Actioner. Geht das trotzdem gut?
Trucker Joe (Nicolas Cage) hat Schulden bei einer kriminellen Bande und sowieso mit dem Flammentod von Frau und Tochter zu kämpfen. Sein Gefährt ist alles, was ihm noch geblieben ist. Beim nächtlichen Halt an einer Tankstelle im amerikanischen Niemandsland wird er Zeuge, wie die hübsche Julie (Franka Potente) brutal auf der Toilette gewürgt wird. Rechtzeitig kann Joe einschreiten. Wie sich herausstellt, handelte es sich nicht um einen tödlichen Angriff, sondern um ein bizarres Ritual, bei dem Julie den Geist ihrer kürzlich schwer verunglückten Tochter zurück ins Diesseits befördern wollte. Irgendetwas lief dabei schief, denn zwar weilt Sprössling Billie (Penelope Mitchell) wieder unter den Lebenden, nur hat der Geist von Joes toter Frau den jugendlichen Körper besetzt. Und die ist ziemlich eifersüchtig auf die sich anbahnende Romanze zwischen dem Trucker und der übernatürlich begabten Julie.
BETWEEN WORLDS verneigt sich so oft es geht vor David Lynch. Beginnend bei Samples aus Angelo Badelamentis TWIN-PEAKS-Score, über die digitale Ästhetik bis hin zum quantitativen Kaffeekonsum. Auch präsentiert die Regie häufig abstrus-absurde Bilder, wie etwa einen Nic Cage beim erotischen Motorradwaschen, die sich, rein audiovisuell, auch prima in THE RETURN einfügen würden. Nur leider ist Maria Pulera nicht Altquerkopf Lynch. Während bei diesem, die Filme zwar auch immer eher Assoziationen folgen und eher darauf bedacht sind, Emotionen beim Zuschauer auszulösen, statt eine völlig stringente Handlung zu erzählen, wirken dessen Filme doch immer wie aus einem Guss. Auch wenn nicht alles schlüssig erscheint, versichert einem der über Allem stehende Grandseigneur doch stets: Es wird schon alles seine Richtigkeit haben.
BETWEEN WORLDS erweckt zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, als gäbe es ein übergeordnetes Konzept. Der 90-Minüter braucht eine Ewigkeit, bis er seine vergleichsweise überschaubare Dreiecksgeschichte aufgebaut hat. Den Schauspielern fehlt eine starke Führung und so präsentiert der Cast eine inkohärente Ansammlung an merkwürdigem Spiel. Am positivsten sticht hier noch Penelope Mitchell als besessene Tochter heraus. Ihr überdreht lolitahaftes Spiel ist das Herzstück des Filmes und rettet ihn vor dem Totalausfall. Cage bemüht sich, den zum Meme gewordenen „Ragecage“ zurückzudrängen, doch statt verletzt und emotional, was augenscheinlich die Intention war, wirkt sein Trucker Joe die meiste Zeit über ziemlich tumb und einfältig. Die ja eigentlich ziemlich großartige Franka Potente, man denke kurz an NACH FÜNF IM UHRWALD, LOLA RENNT oder die „Anne Frank“ Episode aus der zweiten Staffel von AMERICAN HORROR STORY, hat ebenfalls mit ihrer eindimensionalen Rolle zu kämpfen.
Die Figuren in BETWEEN WORLDS sind weder „flach“ noch „rund“, sie sind ein großes Nichts. E. M. Forster umschrieb „flache Figuren“ folgendermaßen:
Ihr Handeln kennt nur eine Motivation, sie verändern sich nicht, machen keine Entwicklung durch“ (Forster, 1927).
Im Film hat keine der gezeigten Figuren eine klare Motivation. Der Prolog gibt sich zwar Mühe, solche zu umreißen, nur um diese dann sofort wieder fallen zu lassen. Julie beispielsweise möchte ihre Tochter zurückhaben, was ihr in den ersten fünf Minuten bereits gelingt. Danach hat die Handlung nichts mehr für sie vorgesehen, außer gelegentlich Sex mit Cage zu haben. Diese Tatsache macht BETWEEN WORLDS ungemein frustrierend, ja gar langweilig. Er ist damit auch die schlimmstmöglichste Art eines zu rezensierenden Filmes, denn: Was soll groß über einen Film geschrieben werden, der das zelluloidgewordene Nichts ist?
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Quelle: M. Forster, Aspects of the Novel, London 1927: dt.: Ansichten des Romans, Berlin, Frankfurt am Main. 1949, S.79f.