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Battle Royale (2000) – Filmkritik

„Schulschluss“

Dies ist ein ganz besonders blutiges Filmjuwel, zum einen Teil ein gehöriger Action-Splatterspaß und zum anderen, die wohl bissigste Gesellschaftskritik am Schulsystem und dem Erwachsenwerden, die man sich vorstellen kann. BATTLE ROYALE ist popkulturelles Phänomen und Blaupause für so viele Filme, die folgen werden, wie zum Beispiel THE HUNGER GAMES oder MAZE RUNNER. Diesen Neuinterpretationen, in den Kinder bzw. Jugendliche in einem Wettkampf auf Leben und Tod sich gegenseitig umbringen müssen, fehlt aber die effektive Rohheit dieses japanischen Klassikers. Aber auch BATTLE ROYALE hat so seine Inspirationen in der Filmgeschichte wie HERR DER FLIEGEN (1990) oder DAS MILLIONENSPIEL (1970). Der Film von Kinji Fukasaku ist aber vor allem eines: cineastische Mangakunst. Bei jedem emotionalen Overacting, bei jedem theatralischen Sterben und bei jeder überraschend blutigen Angelegenheit glaubt man, durch einen japanischen Comic zu blättern. Der Film bietet jedoch noch viel mehr, wie zum Beispiel die brutale Hierarchie innerhalb der Klasse, die Kluft zwischen Schülern und den Erwachsenen, die dunkle Vision der Jahrtausendwende und den Schauspieler Takeshi Kitano in einer seiner besten Rollen, außerhalb seiner eigenen Regiearbeiten.

© Capelight Pictures

Handlung

Die Zukunft Japans ist düster. Hohe Arbeitslosenzahlen und eine niedrige Bereitschaft zur Schule zu gehen zwangen die Regierung das sogenannte BR-Gesetz zu erlassen. Offiziell als Bildungsreform kommuniziert, erlaubt es der Regierung einmal im Jahr eine Schulklasse per Losverfahren auf eine einsame Insel zu bringen. Dort werden ihnen explosive Halsbänder angelegt, die, wenn sie sich zur falschen Zeit im falschen Sektor befinden, explodieren. Ein Schicksal was die Klasse 3-B der Shiroiwa-Mittelschule ereilen wird. Sie gilt als besonders rebellisch gegenüber ihrem Lehrer Kitano (Takeshi Kitano). Manchmal schwänzen sie zusammen den Unterricht, außer die brave Noriko Nakagawa (Aki Maeda). Sie ist heimlich in Shuya Nanahara (Tatsuya Fujiwara) verliebt. Eine schüchterne Jugendromanze ist BATTLE ROYALE aber nicht. Als Schulausflug getarnt, wird die Klasse im Reisebus narkotisiert und wacht in einem alten Schulgebäude auf einer Insel auf. Vor ihnen steht Lehrer Kitano umkreist von Soldaten. Die heutige Lektion heißt: Sich gegenseitig umzubringen, bis nur noch einer übrig bleibt.

© Capelight Pictures

Die Regeln des Erwachsenwerdens

Im Jahre 2000 hat BATTLE ROYALE so manchen vor den Kopf gestoßen. Schüler, die sich in drei Tagen möglichst brutal gegenseitig umbringen? Alle, die damals nicht in Schockstarre verfielen, sahen noch mehr darin: einen äußerst blutigen Generationskonflikt, der Abgesang des japanischen Schulsystems, die blutige Metapher für eine steile Berufskarriere oder einfach das überspitzte Beziehungsgeflecht zwischen Schülern. Kinder können bekanntlich grausam direkt sein und BATTLE ROYALE macht sich diesen Spruch anfänglich zu nutze. Die Klasse 3-B will nicht mehr in die Schule und das gibt den Verantwortlichen mit dem BR-Gesetz die Befugnisse, die einem Todesurteil gleichkommen. Lieber tote Schüler als zukünftige Arbeitslose. Lehrer Kitano wurde im Schulflur mit einem Messer attackiert und schaut nun stoisch zu, wie sich die Klasse in diesem Medienspektakel auseinandernimmt. Dass die Schüler sämtliche Rechte verloren haben, macht er bei seinem Briefing klar, in dem er einer Schülerin, die tuschelt, ein Wurfmesser durch die Stirn jagt. Spätestens jetzt wissen wir, es kann und wird alles passieren.

© Capelight Pictures

Das Drehbuch mag zu Beginn oberflächlich wirken, wenn von den anfangs 42 Schülern, die ersten sofort sterben, wie die Fliegen und man sie kaum kennengelernt hat. Doch dann gibt es immer wieder Rückblicke in die jungen Leben davor. Die Beziehungen werden sichtbar und der eigentliche Ursprung ihres Rebellentums: die Erwachsenen. Sie führen kein Familienleben mehr, ihnen ist die eigene Karriere wichtige oder sie nehmen sich das Leben und lassen ihre Kinder im Stich. Die Lehrer und Erwachsenen, vertreten durch Kitano, reagieren mit Strenge und Kälte. Er hat nur den Rat, dass das Leben wie ein großes Spiel ist und sie alle Mittel nutzen sollen, um zu überleben. Die wohl härteste Prüfung für das spätere Berufsleben. Zwischenmenschliche Hilfe und Beziehungen gibt es nur innerhalb der Klasse, aber auch die werden in diesem Hochdruckkessel zu extremen Handlungen führen.

© Capelight Pictures

Regeln, es gibt keine

Wenn die ersten Toten noch im Unfall geschehen, zieht die Schraube der Gewalt in diesen knappen zwei Stunden immer weiter an. Nachdem ein paar Schüler aus dem Weg geräumt sind, kristallisieren sich die ersten wichtigen Charaktere raus. Das dauert zwar etwas in den ganzen Liebesgeständnissen, blutigen Vergeltungen für vergangenes Mobbing und den verratenen Freundschaften. Immer mit etwas überzogenem Lächeln auf den Lippen, sieht man beste Freunde sich ewige Treue schwören, aber wir wissen, es kann nur eine oder einer überleben.

© Capelight Pictures

Manche springen in den Freitot, andere gründen eine Leuchtturm-WG und wieder andere finde ihre Bestimmung als Killermaschine. Vor allem die beiden Austauschschüler, die zu Beginn in die Klasse versetzt werden, sorgen für nahezu biblische Dramatik: Der freundschaftliche Beistand in Form von Shougo Kawada (Tarō Yamamoto) und der apokalyptische Reiter Kazuo Kiriyama (Masanobu Andō). Selbst 20 Jahre später muss man der Geschichte zugutehalten, dass man selten weiß, was als nächstes geschehen wird. Duelle, die man in genreähnlichen Produktionen bereits eine Meile gegen den Wind riecht, geschehen hier urplötzlich und überraschend. Genauso, wie die tragischen Geständnisse, die die Toten noch auf ihren Lippen haben. Die Insel verströmt durch ihre verlassenen Häuser eine postapokalyptische Stimmung, die dieser Dystopie immer noch gut zu Gesicht steht.

© Capelight Pictures

Kitano & Fukasaku

Unerwartet, das ist die Eigenschaft die, die Figur Kitano am besten beschreibt. Takeshi Kitano hat auch sichtlich Spaß an seiner Rolle. Vom frustrieren Lehrer, der gern seinen Schülern Backpfeifen-Erziehung angedeihen lassen will, wird er zum eiskalten General der BR-Operation im Jogginganzug. Kitano lässt es sich nicht nehmen etwas Melancholie in seine Figur zu legen, ein Bild zu malen – Kitano ist auch Maler – oder für überraschende Momente zu sorgen. Mit einmal taucht er aus dem Nichts auf, nur mit einem Regenschirm in der Hand, spricht er seinen kämpfenden Schülern gut zu. In diesem „Spiel“, was auch als Karrierdrill verstanden werden kann, ist es besonders ironisch, dass seine Figur drei Tage durcharbeiten muss und somit seine eigene Familie vernachlässigt, die kurz vor seinem (Frei)Tod mit ihm bricht.

© Capelight Pictures

Der Regisseur Kinji Fukasaku erlangte mit BATTLE ROYALE seinen verdienten späten Ruhm bei der jungen Generation. 2003 verstarb er mit 73 Jahren und sein Sohn Kenta führte die Regiearbeit der Fortsetzung BATTLE ROYALE II: REQUIEM (2003) zu Ende. Kinji Fukasaku ist vor allem für seine meisterliche BATTLES-WITHOUT-HONOR-AND-HUMANITY-Saga bekannt (Leider kann man aktuell die fünf Filme aus den 1970er-Jahren nur in japanischem Original mit englischen Untertiteln als Import-Blu-ray sehen). In diesen fünf Filmen erzählt er die Anfänge der Yakuza nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine antiautoritäre Einstellung zieht sich durch seine Filmografie wie ein roter Faden bis zu dieser Romanadaption von Kōshun Takami. Interessant ist, dass bei BATTLE ROYAL Sohn Kenta für das Drehbuch verantwortlich ist und dieses Generationswerk, was sich mit dem Konflikt selbiger auseinandersetz, noch wertiger macht.

© Capelight Pictures

Battle Royale im Heimkino

Der Film ging einen langen steinigen Weg durch die deutsche Juristerei, nachdem er selbst in der geschnittenen Version auf DVD beschlagnahmt wurde. Im Februar 2017 war es dann so weit und das Filmlabel Capelight Pictures durfte BATTLE ROYALE nicht nur ungeschnitten (mit einer FSK ab 18 Jahren) vertreiben, sondern auch beide Versionen, die Kinoversion und den Extended Cut. Die Filmlängen unterscheiden sich um acht Minuten. Hier handelt sich aber nicht um mehr Gewaltmomente, sondern um ein paar Szenen, die die Figuren besser ausdifferenzieren. Außerdem wurde in der 2004 erstellten Extended-Cut-Fassung für digitales Blut gesorgt. Das stört das geübte Auge jedoch etwas, die zusätzlichen Szenen sind jedoch sehr stimmig. Die Empfehlung liegt auf dem Extended Cut.

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2022 ist es so weit und Capelight Pictures bringt BATTLE ROYALE auf den aktuellen Stand der Heimkinos, zumindest in Bezug auf das Bild. In einer limitierten blutroten Hochglanz-Mediabook-Edition liegen beide Filmfassungen auf Ultra-HD Blu-ray und Blu-ray vor. Das Bild der UHD kommt mit HDR10 und Dolby Vision kontraststark auf die fähigen Geräte zu Hause. Die Farben sind ordentlich gesättigt und stehen dem schroffen Streifen gut zu Gesicht. Lediglich der Ton bleibt auf dem bekannten DTS HD MA 5.1 Standard. Vielleicht war hier ein Dolby-Atmos-Upmix zu kostspielig oder vom japanischen Lizenzgeber nicht erwünscht. Das 24-seitige Booklet ist zwar von den vorherigen Editionen recycelt, aber immer noch lesenswert. Das Bonusmaterial füllt eine Extra-DVD und versorgt jeden Fan mit ausreichend Making-of’s und Behind-The-Scenes-Material.

© Capelight Pictures

Fazit

BATTLE ROYALE ist japanische Kino-Popkultur der 2000er-Jahre in Reinform. Die manga-artige Action, die überzeichneten Charaktere und die messerscharfe Gesellschaftskritik sind über 20 Jahre später immer noch eine Wucht. Ein gewagter Jugendfilm, der noch in vielen späteren Filmproduktionen junger Filmemacherinnen und Filmemachern widerhallte.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewBattle Royale (2000)
OT: Batoru rowaiaru
Poster
Releaseseit dem 29.04.2022 im Mediabook (2x Ultra-HD Blu-ray + Blu-ray + DVD).

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RegisseurKinji Fukasaku
Trailer
BesetzungTakeshi Kitano (Kitano)
Tatsuya Fujiwara (Shuya Nanahara)
Aki Maeda (Noriko Nakagawa)
Tarō Yamamoto (Shougo Kawada)
Masanobu Andō (Kazuo Kiriyama)
Kō Shibasaki (Mitsuko Souma)
Chiaki Kuriyama (Takako Chigusa)
DrehbuchKenta Fukasaku
VorlageBasiert auf dem gleichnamigen Roman von Koushun Takami
KameraKatsumi Yanagijima
MusikMasamichi Amano
SchnittHirohide Abe
Filmlänge122 Minuten
FSKab 18 Jahren

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