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Batman Forever (1995) – Filmkritik

„Fachausdruck: durchgeknallt“

Erfolg hält nicht ewig, deswegen schnell weitermachen. Nach den beiden Kinohits von Tim Burton BATMAN (1989) und BATMANS RÜCKKEHR (1992) will Warner Brothers schnell auf der Erfolgswelle weiterreiten. Jedoch müssen zwei beachtliche Änderungen erfolgen: Val Kilmer schlüpft in den schwarzen Anzug und Joel Schumacher nimmt Platz auf dem Regiestuhl. Wenn man heute den durchgeknallten (Fachausdruck) BATMAN FOREVER sieht, kann man nur mutmaßen, dass es ein Flop war. Aber weitgefehlt, der dritte Teil, der sich um keine inhaltlichen Bezüge zu seinen Vorgängern bemüht, war ein Kinosommerhit. Das lag vor allem am umfangreichen Marketing und einer Top-Besetzung. Heute, gut 30 Jahre später, kann man BATMAN FOREVER als Reminiszenz an die 1990er Jahre wahrnehmen und auch als sogenannte Camp-Kunstform. Überpointiert, popkulturell überdreht, affektiert und kitschig, das sind die Begriffe, die BATMAN FOREVER gut zusammenfassen. Jetzt aber erstmal zur Frage, mit was sich der dunkle Rächer dieses Mal herumschlagen muss.

© 1995 Warner Bros.

Handlung

Es beginnt für heutige Verhältnisse fast unbedeutend mit einem Banküberfall. In der Gotham Bank lagern enorme Geldressourcen. Den kompletten Tresor will Harvey Dent (Tommy Lee Jones), der sich nach einem Säureangriff bei einer Gerichtsverhandlung in den bipolaren Schurken Two-Face verwandelt hat, stehlen. Batman (Val Kilmer) ist zur Stelle, rettet die wertvolle Fracht, worin Bruce Waynes Vermögen sicherlich einen großen Anteil hat, und schlägt Two-Face in die Flucht. Ganz nebenbei lernt er die Psychologin Dr. Chase Meridian (Nicole Kidman) kennen, die schwer in den dunklen Ritter verknall ist, körperlich wie auch aus beruflichem Interesse. Doch Two-Face ist nicht Gothams einziges Problem. Edward Nygma (Jim Carrey) entwickelt eine Maschine, mit der er sich die Intelligenz anderer Menschen einverleiben kann, während diese auf sinnfreie 3D-Projektionen starren. Verwandelt in den Riddler (E. Nygma = Enigma) sieht er in Batman seinen größten Widersacher. Es wird Zeit sich mit Two-Face zusammenzutun. Batman bekommt ebenfalls unerwartet Unterstützung, als Bruce Wayne den jungen Richard „Dick“ Grayson (Chris O’Donnell) aufnimmt.

© 1995 Warner Bros.

Was ist denn hier los?

Gleich zu Beginn geschieht etwas, was in einer heutigen Comicverfilmung meist gemieden wird. Nicht nur das Batman-Kostüm-Outfit wird sofort gezeigt, sondern auch das neue Batmobil. Die Kids sollen schließlich wissen, was auf dem Wunschzettel stehen soll. Vielleicht hält der Film sich aber noch ein paar Ausstattungsneuheiten fürs Finale parat. Tut er, das Batboat, der Batwing und ein paar neue Anzüge, auch für Robin, die ordentlich Muskeln eingraviert bekommen, so dass sie viel besser zu den damaligen Comiczeichnungen passen. Man darf auch nicht vergessen, es sind die 1990er Jahre. Die Stählung des eigenen Körpers hat dank des Bodybuilding-Trends gerade Hochsaison, wie auch Ohrringe, Piercings, Neonlichter und ein bisschen Hobbypsychologie. BATMAN FOREVER geht von der ersten Minute an in die Vollen, mit Action, neuen Charakteren und einem Two-Face, der die Grenzen des Overacting weit hinter sich lässt. Tommy Lee Jones scheint eher zu glauben den Joker zu spielen, angeblich soll er die Rolle nur genommen habe, weil sein damals 11-jähriger Sohn Two-Face als seinen Lieblingscharakter des Comics nannte. Der Zweigesichtige gibt sich permanent hysterisch und die Designabteilung hat sichtlich Spaß an seiner Figur. Die Maske ist heute immer noch mehr als beunruhigend und der stetige Wechsel seines zweiteiligen Outfits eine Freude. Leider steht der Film selten still, um sich auf Details einzulassen.

© 1995 Warner Bros.

Jim Carrey dreht dann aber als Riddler die Stellschraube noch höher und im Gespann mit Two-Face haben beide ungeahnte Sphären der Überdrehtheit erreicht. Jetzt bekommt der Begriff des Camp (die überpointierte Kunstform), auch in Hinblick auf Susan Sontags Essay „Notes on Camp“ eine weitere Ebene. Sontag stellt darin einen Zusammenhang zwischen Camp und Homosexualität dar. Two-Face und der Riddler schmiegen sich bei jedem Pläneschmieden aneinander. Vielleicht sind sie mehr als Geschäftspartner? Davon abgesehen, die Taktik in das Wayne Manor zu kommen ist sowieso großartig – reinschlüpfen, wenn die Tür gerade offen ist. Carrey stiehlt Jones stetig die Show, was nicht nur an seiner Komik und den sich weiterentwickelnden Kostümierung liegt. Manche Witze sind so subtil versteckt, dass man sie erst nach ein paar Minuten entdeckt, zum Beispiel wie er Bruce Wayne mit Frisur und Muttermal auf der Party doubelt. Leider fehlt seinem Plan Batman zu besiegen jeglicher Intelligenzanspruch, den man doch beim Hirnsaugen von Millionen Menschen erwarten würde – vielleicht gibt es keinen fruchtbaren Boden. Der Riddler in THE BATMAN (2022) agiert da wesentlich gerissener. Was aber in BATMAN FOREVER im Gedächtnis bleibt, ist der Sieg über den Riddler, sein explodiertes Kostüm, wenn er am Boden liegt und später als Irrer in Arkham Asylum einsitzt.

© 1995 Warner Bros.

Das Themenspektrum

Jede Menge Kinotickets zu verkaufen, stand sicherlich im Vordergrund, aber Joel Schumacher, der das Projekt von Tim Burton übernahm, konzentrierte sich auf neue Stile und Aussagen. Nachdem feststand, dass Schumacher inszeniert, sagte Michael Keaton ab, weiterhin Batman zu spielen – 2023 steigt Keaton in THE FLASH doch noch einmal in den Anzug. Schumacher brachte den damaligen Top-Schauspieler Val Kilmer ins Kostüm. Das dunkle, gotische Design von Tim Burton ließ der Regisseur hinter sich und veränderte Gotham zu einer Stadt voller Hochhäuser, die sich ihre Plätze mir riesigen Statuen und Wasserspeiern teilen mussten. Neonreklame mit asiatischen Schriftzeichen beleuchtet die dunklen Gassen. Die Autos erinnern eher an die 1950er und 1960er Jahre und die Räume sind großgeschnitten und vermitteln adlige Besitzer. Der Rest sind Bühnen mit Lichtershows.

© 1995 Warner Bros.

BATMAN FOREVER beschäftigt sich mit der Vergangenheit Bruce Waynes und seinem Verlangen nach Rache, was im jungen Robin wiederbelebt wird. Wayne steht zudem in Konkurrenz zu seiner geschaffenen Figur Batman. Die schöne Chase ist viel vernarrter in den dunklen Ritter als in den Multi-Milliardär. Doch das Schicksal meint es gut mit ihm und sie entscheidet sich für den charmanten Geschäftsmann. Eine starke Frauenrolle ist im Film nicht zu erkennen, denn richtig intelligente Sätze werden Dr. Meridian kaum in den Mund gelegt. Sie symbolisiert eher die Verführung und selbst Batman stempelt sie, nachdem sie das Batsignal nur genutzt hat, um ihn unters Kostüm zu kriechen, mit einem „Frauen“ ab. Sie soll also die Hälfte der Bevölkerung vertreten. Dabei ist sie die einzige weibliche Rolle mit Text, wenn man mal von den beiden Handlangerinnen von Two-Face absieht – eine davon wird übrigens von Drew Barrymore gespielt.

© 1995 Warner Bros.

Inhaltlich am spannendsten ist die „Waffe“ des Riddlers. Auf den ersten Blick ein Mixer, aber auf den zweiten ist es Medienkritik. Seine Erfindung der Nygma Box verschafft den Menschen ein dreidimensionales Fernseherlebnis – kleiner Vorgeschmack auf die 3D-Welt Mitte der 2010er Jahre. Anscheinend schauen alle sowieso nur Quatsch in der Glotze wie Angelberichte, Cartoons oder ähnliches. Überraschenderweise wird die Intelligenz nicht abgesaugt und die Zuschauer verdummen, sondern die Hirnwellen, werden einfach kopiert. Was Riddler mit dem ganzen Wissen anstellt, ist unklar bzw. bis dahin gelangt BATMAN FOREVER erst gar nicht. Dieser Nutzen der menschlichen Aufmerksamkeit für hohe Gewinne eines Techunternehmens nimmt Riddlers Firma Nygmatech der heutigen Macht von Meta, Alphabet, Microsoft und Apple voraus.

© 1995 Warner Bros.

Fazit

Schrill, bunt und überdreht, das sind die Eigenschaften, die nach BATMAN FOREVER in Erinnerung bleiben. Der Film ist aber dank seiner exzellenten 90er-Jahre-Besetzung, der wahrgewordenen Medienkritik und den testosteronen Vibes gut wegschaubar. Außerdem ist BATMAN FOREVER ästhetischer Camp pur.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewBatman Forever (1995)
Poster
ReleaseKinostart: 03.08.1995
RegisseurJoel Schumacher
Trailer
BesetzungVal Kilmer (Bruce Wayne / Batman)
Tommy Lee Jones (Harvey Dent / Two-Face)
Jim Carrey (Edward Nygma / Riddler)
Nicole Kidman (Dr. Chase Meridian)
Chris O’Donnell (Richard „Dick“ Grayson / Robin)
Michael Gough (Alfred Pennyworth)
Pat Hingle (James „Jim“ Gordon)
Drew Barrymore (Sugar)
Debi Mazar (Spice)
Elizabeth Sanders (Gossip Gerty)
René Auberjonois (Dr. Burton)
Joe Grifasi (Bank-Security)
Dennis Paladino (Moroni)
Kimberly Scott (Margaret)
Jon Favreau (Assistent)
Ed Begley junior (Fred Stickley)
DrehbuchLee Batchler
Janet Scott Batchler
Akiva Goldsman
KameraStephen Goldblatt
MusikElliot Goldenthal
SchnittDennis Virkler
Filmlänge121 Minuten
FSKab 12 Jahren

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