„Wir brauchen solche Filme nicht mehr“
Man konnte schon vorher skeptisch sein. Wofür um alles in der Welt brauchen wir einen Spielfilm über das Leben der Ausnahmekünstlerin Amy Winehouse, wenn der 2015 erschienen Dokumentarfilm AMY doch wohl als definitiver Text der 27, allzu kurzen, Lebensjahre ihrer Protagonistin angesehen werden kann? Sicherlich ist auch diesem oscarprämierten Werk mit einer gewissen Distanz zu begegnen, bedient sich der Film schlussendlich doch genau dem Paparazzi-Blick, den er kritisieren möchte. Doch da sind immer wieder diese intensiven Momente, in denen Winehouse mal verloren, mal drauf, mal ausgelassen in die Kamera und auch in uns hineinblickt – und die talking-heads Statements der Wegbegleiter:innen, die sich bei Zeiten selbst entäußern.
Wir erlebten kurzum in der medialen Aufbereitung der Person Winehouse einen weiteren Tiefpunkt der Grausamkeit, die Presse und Co. vor allem weiblich gelesenen Celebrities entgegen brachte. Dies hätte vielleicht Stoff für einen Film sein können. Der zynische und über Leichen gehende Reporter war und ist ein As in Hollywoods Ärmel, dessen Ausspielen brachte uns nicht nur Klassiker wie REPORTER DES SATANS, DEIN SCHICKSAL IN MEINER HAND oder BERUF: REPORTER, jüngst widmeten sich auch Nathan Fielder und Benny Safdie in der Showtime Serie THE CURSE der Wechselwirkung zwischen In-der-Öffentlichkeit-stehen, bewusster Inszenierung und Ausschlachtung. Es hätte also auch ein wenig ungemütlich werden, uns als Gesellschaft zur Reflexion zwingen, können.
BACK TO BLACK und da muss auch gelobt werden, wo gelobt werden kann, begeht nicht den ersten großen Kardinalsfehler des Hollywood Biopic und beginnt mit den Vorbereitungen eines legendären Konzerts. Kein Retrospektivblick auf die Karriere Winehouses (Marisa Abela), stattdessen geht es schnörkellos von den kleinen Bühnen Campdens zur Aufnahme des ersten Albums FRANK, dem Durchbruch mit BACK TO BLACK, der Drogensucht, Rehab, Tod. Eingeflochten zwischendrin, die euphemistisch formuliert, „schwierig“ zu nennenden Beziehungen zum Vater Mitch (Eddie Marsan) und Ehemann Blake (Jack O’Connell). Zumindest in der Realität, oder dem, was die größere Popgeschichtsschreibung mittlerweile zur Realität erklärt hat.
Wenn wir etwas studieren können am Fall Winehouse, dann nicht nur die bereits erwähnte Grausamkeit der medialen Öffentlichkeit, sondern auch den mangelnden Schutz, den junge Celebrities vor Ausbeutungen durch ihre eigene Familie haben. Denken wir an Britney Spears, an Whitney Houston. Vater Mitch ist zumindest eine Teilschuld an der sich verschärfenden Drogensucht Winehouses anzurechnen (entgegen allen Ratschlägen entschied er sich im Namen seiner Tochter gegen den Antritt eines qualifizierten Entzugs), auch trieb er das Spiel der medialen Ausschlachtungen konsequent und ohne Rücksicht auf die Empfindungen seiner Tochter stets weiter.
Interessant ist an BACK TO BLACK nun, wie sehr der Film diesen Vater entschuldigt. Dieser Mitch ist der einlenkende Ruhepol, der die Launen seiner Tochter auszuhalten und zu taktieren weiß. Natürlich ist ein Spielfilm immer eine Interpretation der Realität und Regisseurin Sam Taylor-Johnson hat das vollkommene Recht, es mit jener nicht ganz genau zu nehmen, sollte es der Unterstreichung einer These ihres Filmes dienen. Biopics wie 24 HOUR PARTY PEOPLE oder LETO machen diese Interpretation und Abweichung von der Realität etwa zu ihrer zentralen Diskursebene, auch THE SOCIAL NETWORK dreht sich die Begebenheiten so, dass das alles zu dem Oberbau eines Königsdramas passt. Aber leider hat BACK TO BLACK keine Arbeitsthese, dahingehend keine Aussage. Sicherlich ist das Primäre eines Biopics immer, für Fans eine:n geliebte:n Künstler:in für etwa 120 Minuten wieder zum Leben zu erwecken, in kurzer Abläufe wichtige Stationen zu präsentieren. Aber vielleicht eignet sich Amy Whinehouse eben nicht für diese Herangehensweise. Vielleicht hätte man hier zwangsläufig einen Blick von außen einnehmen müssen (man denke etwa an Milos Formans AMADEUS), um nicht nur etwas über Amy, sondern auch über uns erzählen zu können.
Auch handwerklich versagt BACK TO BLACK immer wieder. Häufig schneidet die Kamera die Köpfe der Figuren ab und des häufigeren hat man den Eindruck, als habe man die Darsteller:innen ohne größere Überlegungen vor der Linse aufgestellt, seltsam leere, häufig amateuerhafte Bilder sind das Ergebnis. Gelungen hingegen ist, wie Regisseurin Taylor-Johnson die mittleren 2000er aufleben lässt. Fred Perry tragende Barburschen, iPods, Zigarettenrauch, sofort fühlt man sich in eine hinten im Hirn archivierte Zeit zurückversetzt.
Ein tragisches Leben macht noch keinen guten Film. BACK TO BLACK fehlt es an Fokus und Aussage, um etwas von Gehalt über das Leben von Amy Winehouse erzählen zu können. Was bleibt ist ein zwar überzeugend gespieltes und atmosphärisch dichtes Werk, dass sich dennoch seltsam leer anfühlt. Gelernt hat man über Winehouse nichts, wenn nach 122 Minuten der Abspann läuft. Der Film entpuppt sich final als bürgerliches Schauerstück, dass uns alle ermahnt, dass ein Leben, das aus der Reihe tanzt oder ein bisschen mehr möchte als ein Reihenhaus, zwangsweise in Sucht und Tod enden muss. Solche Filme brauchen wir nicht mehr.