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Avengers: Endgame (2019) – Filmkritik

„Whatever It Takes“

Das Marvel Cinematic Universe (MCU) erstreckt sich nun über 10 Jahre Filmgeschichte hinweg mit insgesamt 22 Filmen. Es wurde gekämpft, geweint, gestürmt, geschlagen, gebrüllt und gelacht. Nach dem Erfolg von IRON MAN (2008) hätte keiner geglaubt, dass es dieser Filmreihe über eine Dekade hinweg gelingt, den Titel „Kino-Blockbuster“ für sich zu beanspruchen. Jeder, der dies in Frage stellt, den sollten gut 18 Milliarden Argumente (das gesamte weltweite Kino-Einspielergebnis in US-Dollar) überzeugen. Selbst wenn das Franchise sich der Kritik in Bezug auf Einschränkung der Vielfältigkeit im Kinoprogramm stellen muss, ist es nicht abzustreiten, dass man sich als Kinofan das minutiös eingeleitete Finale mit kribbelnden Nackenhärchen herbeigesehnt hat. Vor allem, nachdem AVENGERS: INFINITY WAR mit einem der unerwartetsten Filmenden der letzten Jahre bewiesen hat: Als Zuschauer muss man bei Marvel auf alles gefasst sein. Auf zum Finale, dem 23. Film dieser Reihe, dem Abschluss von Phase 3 und sicherlich der erfolgreichen Abrundung der Einspielergebnisse auf 20 Milliarden: AVENGERS: ENDGAME.

AVENGERS: ENDGAME // © Marvel Studios 2019

Inhalt

Keine Sorge, gerade bei Comic-Verfilmungen will man keinem Fan die Überraschungen – und da kann man sich in AVENGERS: ENDGAME auf einige gefasst machen – nehmen. Deswegen schneiden wir nur kurz in den Beginn, den alle bereits kennen.

Das Leben auf der Erde hat sich grundlegend verändert: Die Hälfte der Bevölkerung hat sich dem Sprichwort nach in Luft aufgelöst und nur noch eine Handvoll der Avengers wurden erschüttert zurückgelassen. Nach der Trauer über den Verlust vieler geliebter Freunde und Familienmitglieder gibt es nur noch einen Gedanken: Rache an Thanos. Der hat gemütlich die Füße auf seiner Veranda auf einem Planeten im Nirgendwo hochgelegt und genießt seinen erfolgreichen Plan. Hier sind wir bei den ersten Minuten dieses dreistündigen Epos angelangt und über den restlichen Inhalt möchten wir in den ersten Tagen den Mantel des Schweigens hüllen. Denn jeder geplanter Twist und jede Art von Überraschung trifft genau den Nagel auf den Kopf der Erwartungshaltung der Zuschauer.

War Machine (Don Cheadle) und Ant-Man (Paul Rudd // © Marvel Studios 2019

Der Aufbau

Viele Fans haben schon seit Wochen Karten für die ersten Vorstellungen, haben die vorherigen Filme minutiös studiert und analysiert. Was könnte noch passieren? Gibt es eine Möglichkeit alles rückgängig zu machen? Captain Marvel hat vielleicht enorme Kräfte, aber kann sie auch Dinge ungeschehen machen? Selbst als Außenstehender konnte man den abgebrühten Filmkritikern und Journalisten im Kinosaal der Pressevorstellung die Anspannung deutlich anmerken. So mancher Becher Kaffee wurde während dieser ereignisreichen 182 Minuten kalt.

Hawkeye/Clint Barton (Jeremy Renner) // © Marvel Studios 2019

Um diese Mischung aus Erwartung und Anspannung aufzulösen, macht das Marvel-Regie-Dreamteam Anthony und Joe Russo genau das Richtige: Es bringt mit der ersten Szene alle auf das einfache Leben zurück. Und dafür steht nun einmal Clint Barton alias Hawkeye (Jeremy Renner). Ohne Titel, ohne Intro, werden wir gleich zu Beginn in sein idyllisches Familienleben gebracht und müssen bei seinem Schicksalsschlag, welcher durch ein Fingerschnippen ausgelöst wurde, tatenlos zusehen. Hawkeye noch einmal nach vorn zu bringen, ist eine wichtige und sensible Entscheidung der Marvel-Kreativ-Schmiede, denn er gehört zu den wenigen Hauptfiguren ohne Superkräfte oder technische Upgrades. Er entschied sogar, dass die eigene Familie vor den Avengers steht. So eine Entscheidung kann vielleicht nicht jeder nachvollziehen, aber es macht Barton unglaublich menschlich. Das ist wichtig in einer Geschichte mit intergalaktischen Kämpfen, mächtigen Infinity-Steinen und Wesen, die mit Monden um sich werfen. Der Zuschauer, in dessen Kopf die Geschichte erst zu einem Erlebnis wird, ist eben auch nur ein Mensch mit all seinen Schwächen und Stärken. Dies scheint auch der rote Faden zu sein, dem die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely gefolgt sind. Denn das ENDGAME ist ganz eine Show der menschlichsten Helden dieses Ensembles.

AVENGERS: ENDGAME // © Marvel Studios 2019

Thanos als Gegner

Was der Vorgängerfilm so angenehm erfrischend für das Genre gestaltet, ist die Figur Thanos als mächtiger Antagonist (Josh Brolin). Sein Plan folgt keiner irrwitzigen Machtgier oder Selbstzerstörung, sondern einer Art spirituellen Überzeugung. Brolin legt die kraftvolle Figur in seiner Mimik träge an, aber lässt in seinen Augen genug Cleverness durchblicken, um Dinge vorherzusehen. Wenn INFINITY WAR der Film war in dem Thanos glänzen konnte, so sind es in ENDGAME eindeutig die Gründer der Avengers: Iron Man, Thor und Captain America. Dennoch bleibt Thanos auch hier einer der beeindruckendsten Bösewichte der vergangenen Superheldengeschichten. Er führt nicht nur seinen Plan mit Weitsicht zu Ende, sondern analysiert und erneuert ihn stetig. Er bleibt natürlich ein dicker lila Klotz, der sich auf seine Kräfte verlässt, aber seine fast schon buddhistische Präsenz macht ihn immer noch zur allgegenwärtigen Bedrohung.

Bruce Banner (Mark Ruffalo) // ©Marvel Studios 2019

Schönheitsfehler

Bedingt durch diesen ganzen hyperseriellen Aufbau des MCUs, ist AVENGERS: ENDGAME kein Film im herkömmlichen Sinne. Bereits beim INFINITY WAR hatte man das Gefühl einem Greatest Hits-Album einer Superhelden-Band zuzusehen. Jeder, der nicht wenigstens die wichtigsten Marvel-Filme kennt, wird hier mit offenem Mund Fragezeichen in die Luft blubbern oder vielleicht schon eingeschlafen sein. Es bleibt ein Actionfilm mit Fanservice zugeschnitten auf seine Zielgruppe. Jede Figur erhält ihre handlungsrelevante Entwicklung, ihren starken Moment und selbst Black Widow (Scarlett Johansson), die in den letzen Filmen mehr für emotionale Bindung bei den Avengers gesorgt hat als für Power, bekommt ein paar starke Sätze der Drehbuchautoren. Das Wort Originalität kann man bei ENDGAME nicht mehr in den Mund nehmen, denn es bleibt das Finale einer Serie, die immer wieder stückweise darauf hingearbeitet hat. Aber das ist in Ordnung, Disney kennt sein Publikum und liefert, was dieses bestellt hat inklusive Potential für kommende Filme (GUARDIANS OF THE GALAXY Vol. 3) und Serien auf dem kommenden hauseigenen Streaming-Kanal Disney+.

Black Widow/Natasha Romanoff (Scarlett Johansson) und Captain America/Steve Rogers (Chris Evans) // © Marvel Studios 2019

Der Weg der Avengers, um an die Infinity-Steine heranzukommen, ist sicherlich jedem Science-Fiction-Fan vor dem Kinobesuch klar und denen, die Dr. Strange im letzten Teil richtig zugehört haben. Die Lösung ist bequem, aber ein beliebte Option, um die Spannung neu ins Rollen zu bringen. Somit wird sie nicht nur für gut studierte Marvel-Fans zu einem Spaß, sondern auch für alle, die nicht jeden Film auswendig kennen. Dadurch gerät die Erzählung aber auf der Hälfte ins Stocken. Immer wieder muss man sich auf einen anderen Ort und neue bekannte Figuren einstellen. Der Film verlangt dadurch viel Aufmerksamkeit und Konzentration seiner mitreisenden Zuschauer. Nicht nur, um jede kleine Anspielung im MCU zu erkennen und zu deuten, sondern auch eine emotionale, um sich immer wieder auf eine andere Beziehung zur Figur auf der Leinwand einzulassen. Wer diese Spannung hält, wird mit einem ergreifenden Ende belohnt, aber alle anderen werden nach dem actionreichen Showdown dem Schluss gefühlsmäßig hinterherlaufen. Das Finale enthält übrigens eine der besten Überraschungen parat, weil das MCU endlich auch mal mit den eigenen Gesetzen bricht. Das kommt so organisch und überraschend gut rüber und weit entfernt vom Stil à la STAR WARS: DIE LETZTEN JEDI – Prinzessin Leia verfügt jetzt über die Macht und kann durchs Weltall schweben.

AVENGERS: ENDGAME // ©Marvel Studios 2019

Bei der ganzen Heldengruppierung, den komplexen Geschichten und dem Effekte-Gewitter geht jedoch etwas der Zugang zu dieser Welt verloren. Die Konzentration auf die menschlichsten Helden in dieser Geschichte macht emotional alles richtig, jedoch fehlt es an verständlicher akustischer, wie auch visueller Physik für den Zuschauer, um sich in die Handlung hineinzufühlen. JURASSIC PARK hat es durch ein vibrierendes Glas Wasser und einen stetigen Monsun-Regen geschafft. MISSION IMPOSSIBLE durch einen Drahtseilakt in einem Hochhaus. Superkräfte haben durchaus ihre Berechtigung in einem guten Film. Da reicht die inflationäre Verwendung von kräftige Explosionen und Laserstrahlen aber nicht weiter. Das Erlebnis muss alle Sinne des Zuschauers ansprechen, auch wenn es nur in dessen Fantasie geschieht.

AVENGERS: ENDGAME // © Marvel Studios 2019

Fazit

Trotz dieser kleinen Makel bleibt es ein glorreiches Unterhaltungs-Spektakel und ein gelungener Schlusspunkt. Fans sollten nicht mit der Erwartung an den besten Film der Reihe herangehen, dafür fehlt ihm einfach zu viel Eigenständigkeit, sondern sich an dem Weg erfreuen, den sie mit diesen 23 Filmen zurückgelegt haben, sich ihren Lieblingshelden als Vorbild nehmen und ein Stück davon in die Außenwelt des Kinosaals tragen. Es klingt vielleicht abgedroschen, aber der wahre Held ist immer noch der, der über die eigenen Schwächen hinauswächst, etwas erschafft und jedem Tag mit erhobenem Haupt begegnet.

Titel, Cast und CrewAvengers: Endgame (2019)
Poster
Releaseab dem 24.04.2019 im Kino
ab dem 05.09.2019 auf 4K-UHD, Blu-ray oder Steelbook
Bei Amazon bestellen

RegisseurAnthony Russo
Joe Russo
Trailer
BesetzungRobert Downey Jr. (Tony Stark/Iron Man)
Chris Evans (Steve Rogers/Captain America)
Scarlett Johansson (Natasha Romanoff/Black Widow)
Cris Hemsworth (Thor)
Paul Rudd (Scott Lang/Ant-Man)
Jeremy Rener (Clint Barton/Hawkseye)
Mark Ruffalo (Bruce Banner/Hulk)
Josh Brolin (Thanos)
Karen Gillan (Nebula)
Brie Larson (Carol Danvers/Captain Marvel)
DrehbuchChristopher Markus
Stephen McFeely
ComicvorlageBasiert auf den Comics von Stan Lee und Jack Kirby
KameraTrent Opaloch
MusikAlan Silvestri
SchnittJeffrey Ford
Matthew Schmidt
Filmlänge182 Minuten
FSKab 12 Jahren

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