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Ashfall (2019) – Filmkritik

„Feuerspektakel“

Südkoreanische Filmproduktionen machen seit längerem wiederholt international auf sich aufmerksam. Der große Paukenschlag fiel Anfang 2020, als PARASITE vier Trophäen, unter anderem für Bester Film und Beste Regie, bei der Oscar-Verleihung abräumte. Filme von der asiatischen Halbinsel müssen jedoch nicht zwingend sozialkritische Meisterwerke sein, sie können auf eine jahrelange Reihe von Actionfilmen, die vor allem im Gangster-Cop-Subgenre zu finden sind, zurückblicken. Mit ASHFALL klopft nun das asiatische Kino beim Katastrophenfilm an die Tür. Darsteller, CGI, Spezialeffekte und spannende Drehbücher aus Südkorea können schon lange mit internationalen Produktionen mithalten. Mit knapp 18 Millionen Dollar Produktionsbudget und zwei hochklassigen Schauspielern, Ha Jung-woo (DIE TASCHENDIEBIN, THE CHASER) und Lee Byung-hun (I SAW THE DEVIL und THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD), will diese Produktion zeigen, dass sie es auch mit dem apokalyptischen Genre aufnehmen kann. Und das gelingt nach einem holprigen Start beeindruckend gut, mit viel Sinn für Humor, Action und Spannung sowie einem Duo, das dem Zuschauer doch sehr ans Herz wächst.

© Capelight Pictures

Handlung

In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul herrscht alltägliches, emsiges Treiben, als die Stadt von einem Erbeben der Stufe 7 durchgerüttelt wird. Scheibenfassaden von Hochhäusern bersten und Gebäude stürzen ein. Grund für das Beben ist der Ausbruch des Vulkans Paektusan an der nordkoreanischen und chinesischen Grenze. Unter dem Vulkan befinden sich jedoch noch drei weitere Magmakammern, die kurz vor ihrem Ausbruch stehen, wobei der letzte Ausstoß fast die ganze Halbinsel mit Erschütterungen der Stärke 8 erzittern lassen wird. Die Regierung sieht jedoch ihre Chance in der Detonation einer angrenzenden Kupfermine, um den Magma-Hochdruckkessel abzulassen. Es entwickelt sich ein waghalsiger Plan: Jo In-chang (Ha Jung-woo) soll mit seinem Bombenexperten-Kommando über Nordkorea abspringen, dort den inhaftierten Spion Lee Joon-Pyeong (Lee Byung-hun) befreien, denn dieser kennt den Zugang zu den letzten atomaren Langstreckenwaffen Nordkoreas. Dort sollen die Sprengsätze gestohlen und in besagter Mine gezündet werden. Eine Mission, die laut des Geologen Kang Bong-Rae (Ma Dong-seok) eine Erfolgschance von aktuell 3,48 % erreicht. Wenn das mal keine Motivation ist.

© Capelight Pictures

Erst okay, dann hui

Man merkt der Zusammenfassung an, dass man als Zuschauer zu Beginn erst einmal ganz schön Daten sammeln muss. Aber das Drehbuch lässt das erste Kennenlernen der Figuren fast völlig aus und lässt noch ein paar ordentliche Spezialeffekte für sich sprechen. Hinzu kommen sehr seltsame politische Konstellationen, die aus europäischer Sicht schwer nachvollziehbar sind: Nordkorea bekommt keinerlei mediale Präsenz, das rückständige Land scheint nach dem Erdbeben in die Steinzeit zurückbefördert worden zu sein. Südkorea mobilisiert das eigene Militär als Katastrophenschutz, was auf einmal die Amerikaner mit Flugzeugträgern in die koreanischen Häfen treibt. Und China scheint gar nichts davon mitzubekommen. Mit der filmischen Allzweckwaffe Nachrichtenzusammenschnitt werden uns Zuschauer diese Fakten zusammengeschustert. Das muss man erstmal so hinnehmen. Gleiches gilt für gewohnte Standardvorlagen Marke Katastrophenfilm: passiver Präsident, schwangere Frau des Helden, zwielichtiger Doppelspion, Wissenschaftler, der vor Jahren die Katastrophe prognostizierte und nun um Hilfe gebeten wird, ein verrückter Plan mit denkbar knappem Countdown und das Militär mit einem Plan, welcher sich gleich zu Missionsbeginn in eine Aschenwolke auflöst.

© Capelight Pictures

Wer jetzt denkt, dass es ein belangloser, vorhersehbarer Filmabend wird, der irrt sich, denn die beiden Hauptdarsteller entwickeln eine von Misstrauen und Komik bestimmte Eigendynamik, dass man aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommt. Vor allem die planlose Figur des Jo In-chang lockert die ganze Weltuntergangsstimmung erheblich auf. Man kann ihn bereits zu Beginn nicht wirklich als Held identifizieren, da er gleich beim ersten Erdbeben wie ein Verrückter mit seinem SUV in den Gegenverkehr losdonnert, um möglichst nah an seine Frau heranzukommen und unterwegs Dutzende Unfälle heraufbeschwört. Die Szene kann man aber als gekonntes Product Placementabtun, in der der glänzende, neue Hyundai erst zum Ende eine Beule abbekommt.

© Capelight Pictures

Dieser ganze Haufen an Stereotypen von Nebendarstellern und absurden Gesten des Wissenschaftlers, um den Politikern geologische Prozesse zu erklären – Bleistift sticht ein Loch in einen vollen Becher mit heißem Kaffee – bricht ASHFALL dann einfach aus dem vertrauten Katastrophensetting aus und wird zur Roadtrip-Komödie. Mit atomaren Sprengköpfen im Kofferraum, rollt der Trupp einem Vulkan entgegen, der direkt aus der Hölle entsprungen zu sein scheint. Zwischenzeitlich gibt es noch knackige Schusswechsel, Verfolgungsjagden und einstürzende Geheimbasen. Das nun ausgewogene Paket aus Action und Komödie bekommt noch einen wechselseitigen Hintergrund, der sich in den beiden unterschiedlichen Hauptfiguren zeigt: Jo In-chang, der erfolgreiche Südkoreaner mit hübscher Frau, die bald ein Kind zur Welt bringen wird und der vergessene Spion Lee Joon-Pyeong, der seine Familie in Nordkorea alleingelassen hat und nun nach seiner Tochter sucht. Es treffen die üblichen Themen mit Kapitalismus und Kommunismus aufeinander, aber beide finden dann doch über andere Interessen zusammen.

© Capelight Pictures

Das Mediabook

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ASHFALL kommt in Deutschland in einem Mediabook sowie als Blu-ray und DVD direkt ins Heimkino. Capelight Pictures hat hier eine solide deutsche Synchronisation produzieren lassen, die aber bei den Witzen zwischen der nord- und südkoreanischen Sprache der beiden Hauptcharaktere scheitert. Aber die häufige Situationskomik – Atombombe im Einkaufswagen – spricht für sich. Bild und Ton sind, wie zu erwarten, aus dem Land des audiovisuellen High-End auf bestem Niveau. Im Mediabook gibt es ein 24-seitiges Booklet, welches leider über einen oberflächlichen PR-Text nicht hinauskommt. Aber ASHFALL ist neustes Unterhaltungskino und was soll man erwarten, wenn das Regie-Duo Kim Byung-seo und Lee Hae-jun noch keine namenhafte Filmografie vorzuweisen hat. Als Extras gibt es ein Making-of, Kinotrailer und ein paar Fakten zum Cast. Fazit: Das Mediabook ist schick und trotz des hässlichen Covers reicht die Blu-ray aus.

© Capelight Pictures

Fazit

Überraschenderweise zieht sich AHSFALL nach einem Klischeestart mit irrsinnigen Plotkonstruktionen noch sehr geschickt am eigenen Kragen aus dem Wasser. Spätestens, wenn im Flugzeug einer aus dem Team des Sprengmeisters ruft: „Wo ist mein Fallschirm?“ pegelt sich ASHFALL auf einer exzellenten Balance zwischen Action und Komödie ein. Und selbst beim großen Finale, wenn man meint zu wissen, wo es hinführen wird, packt einen doch noch die Spannung und die Angst, keinen dieser beiden ungewöhnlichen Typen verlieren zu wollen.

Wer über einen Haufen an Logikfehlern und Standardblaupausen des Katastrophenfilms zu Beginn hinwegsehen kann, wird einen sehr unterhaltsamen Filmabend erleben.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewAshfall (2019)
OT: Baekdusan (백두산)

Poster
Releaseab dem 05.06.2020 Mediabook (Blu-ray+DVD) und auf Blu-ray sowie DVD

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RegisseurKim Byung-seo und Lee Hae-jun
Trailer
BesetzungLee Byung-hun (Ri Jun-pyeong)
Ha Jung-woo (Jo In-chang)
Ma Dong-seok (Kang Bong-rae / Robert)
Jeon Hye-jin (Jeon Yoo-kyung)
Bae Suzy (Choi Ji-young)
Lee Kyeong-yeong (General Choi)
DrehbuchKim Byung-seo
Lee Hae-jun
KameraKim Ji-yong
FilmmusikBang Junseok
SchnittDouglas Stewart
Filmlänge128 Minuten
FSKab 16 Jahren

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