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Argylle (2024) – Filmkritik

„Auftragsarbeit“

Der Spionagefilm hat schon so manche Entwicklung durchgemacht. Über Jahrzehnte hat ein britischer Agent mit der Lizenz zum Töten Millionen Menschen in die Kinos und vor die TVs gelockt. Es gibt aber noch einige andere Filme, die sich mit der Welt der Geheimdienste beschäftigen. Zum Beispiel die MISSION-IMPOSSIBLE-Filmreihe, welche vor allem mit unglaublichen Stunts begeistert oder wir denken an die pessimistischen Klassiker aus den 1970er Jahren wie SCORPIO (1972) oder die Agenten des Widerstandkampfes im Zweiten Weltkrieg mit ARMY OF SHADOWS (1969). Steven Spielberg hat mit MÜNCHEN (2005) sogar eine amateurhafte Ebene eingebracht, die uns die Mossad-Agenten menschlich näherbringt. Man kann hier noch endlos weitere Empfehlungen für gute Spionagefilme aussprechen, denn man möchte alle lieber sehen als diesen hier. ARGYLLE verspricht uns im Trailer jede Menge Action, Witz und spitzohrige Metaebenen. Regisseur Matthew Vaughn hat selbst mit dem KINGSMAN-Franchise eine besonders extrovertierte Agentenreihe gestartet. Mit ARGYLLE soll eine Trilogie um eine Autorin von Spionageromanen hinzukommen, in der ihre Kreationen ihr nach dem Leben trachten. Wenn man die Besetzung der Produktion von Universal Pictures (Kino) und Apple TV (Streaming) liest, riecht alles ein bisschen zu offensichtlich nach Auftragsarbeit, dem schnellen Geld und wenn es dann auch noch so aussieht, sich so anfühlt, will man doch in jeder Filmminute andere Filme aus diesem Genre lieber sehen.

© Universal Pictures

Handlung

Der neuste und vierte Roman der beliebten Autorin Elly Conway (Bryce Dallas Howard) ist fertig und geht auf Promotour. Die Fans wollen wissen, wie es mit der Hauptfigur Agent Argylle (Henry Cavill) weitergeht. Wie es sich für eine fleißige Autorin gehört, ist Band fünf bereits in den letzten Zügen. Doch der Schluss will noch nicht so richtig passen, meint Mutter und Lektorin Ruth (Catherine O’Hara). Auf einer Zugfahrt lernt Elly den ruppigen Aidan Wilde (Sam Rockwell) kennen, der so gar nicht wie ein Agent aus ihren Hochglanzfantasien aussieht, aber sonst alle Spezialfähigkeiten draufhat. Denn auf einmal will der halbe Zug ihren Tod und Agent Wilde beschützt sie. Beide entkommen, aber für Elly ist das Abenteuer noch nicht vorbei. Ihre Romane sollen ein Hinweis zur bösen Geheimorganisation namens Division, angeführt von Ritter (Bryan Cranston), enthalten. Aber wie kommen jetzt beide an diese Hinweise ran?

© Universal Pictures

Raus aus der Komfortzone

Eine introvertierte Autorin, die gerne Romane schreibt, welche einen gutaussehenden Protagonisten einmal um die Welt schickt, ist schon etwas zu viel des Klischees. Der Kater mit dem Namen ihrer Hauptfigur rundet das Bild ab. ARGYLLE macht sich auch keine Mühe davon abzuweichen und setzt mit edler Villa am See und neonleuchtendem Sonnenschein – das Homeoffice, von dem viele träumen – sogar noch einen drauf. Da kommt der freche Agent Wilde genau richtig, um den Film aus dieser Kuscheldecken-Zone zu befreien. Davon soll nun die Spannung im ersten Akt leben, wie Elly auf einmal das echte Agenten-Business kennenlernt, Kugelhagel inklusive. Aber so richtig gefällt das nie, auch wenn die typischen tanzbaren Nahkämpfe von Regisseur Vaughn kräftig aufdrehen. Die Spannung scheitert an diesem extra dicken Zuckerguss aus digitalen Effekten und künstlichen Kamerafahrten. Es mag vielleicht cool aussehen, aber aus den Sitzen reißt es das Publikum nie, was auch der permanenten Überstrahltheit zu verdanken ist. Die Produktion verlässt auch nur zwei Mal die heimelige Behaglichkeit des Studiogeländes, einmal nach London und einmal für eine Postkarten-Weinvilla in Südfrankreich.

© Universal Pictures

Der Unterhaltungswert dieses Imagefilms wird durch Werbung verstärkt. Dank Apple als Produktionsfirma darf es am optischen Brückenschlag zum Hauptgeschäft nicht fehlen. IPhones gelingt es dank enormer Rechenleistung die Realität auf ihren Fotos viel bunter, strahlender und schärfer abzubilden als es der Wahrheit entspricht. Das soll hier auch gelingen, doch das Gegenteil ist der Fall und unsere Filmbildung macht sich bezahlt und entlarvt jeden künstlichen Rauch und jede animierte Knickohrkatze.

Die Gedanken driften beim Betrachten dieses durchweg fast komplett langweiligen Mixes aus Action und schmalzigen Dialogen ab in unsere Realität. Vielleicht hat die westliche Gesellschaft die Pandemie immer noch nicht hinter sich gelassen. Zu gern bleibt man in den eigenen vier Wänden, erträumt sich verbrauchte Geschichten, lockt Stars mit fetten Schecks und macht es sich bei der Umsetzung so einfach wie möglich.

© Universal Pictures

Konsum

ARGYLLE ist in seiner Erzählweise, in seinen Effekten und im Hinblick auf die talentierten Schauspieler ein komplettes Ärgernis. Okay, eine Filmproduktion mag nicht immer gelingen und für ein Meisterwerk müssen so viele Gewerke auf höchstem Niveau ineinandergreifen, dass es an Unmöglichkeit grenzt, den perfekten Film zu machen. Nicht zu entschuldigen ist jedoch das Ausnutzen von Film als Werbefläche. Product-Placement gab es schon immer und dass die komplette Technik vom Display bis zum Smartphone aus dem Hause Apple kommt, mag naheliegen, aber der neuste Volvo SUV muss dann doch nicht permanent in Hochglanz gefilmt werden. Da ist der Ferrari am Ende geradezu kurz eingeblendet – der letzte, kurze Werbeblock vor dem Finale vielleicht? Außerdem bewegt sich die Handlung auf einer unterschwellig postkolonialen Ebene, in der man arabische Gepflogenheiten erklärt bekommt.

© Universal Pictures

Die Essenz von ARGYLLE zeigt sich mit einem Song im Soundtrack. Auffällige drei Mal ist der „aktuelle“ Beatles-Song „Now and Then“ zu hören. Besonderheit bei diesem Lied ist die Entstehungsgeschichte: John Lennon schrieb das Stück und nahm es auf einem Tonband auf. Viele Jahre nach seinem Tod (1990) entdeckte die Band das Tape mit Johns Stimme am Piano. Die Beatles wollten mit diesem Zeitdokument den Song im Studio aufnehmen (1995), doch es war schwierig die Stimme zu isolieren. Ein paar Jahrzehnte später (2022) machte es KI, Paul McCarthy und Ringo Star möglich und ein „neuer“ Beatles-Song schaffte es 2023 in die Charts. Persönlich bin ich der Meinung, dass man jedem Künstler nach seinem Tod im Jenseits belassen sollte, denn die umfangreichen Werke sprechen für sich und es bedarf keiner weiteren. Matthew Vaughn machte es mit ARGYLLE aber nicht anders. Er bedient sich in der Filmgeschichte bei den  langweiligsten Spionage-Klischees und setzt das Ganze vor eine dünne künstliche Oberfläche. Agententhriller leben vom Spannungsmomentum und echten Stunts, nichts davon ist zu sehen. Mit halbautomatischen Waffen über einen Erdölteppich zu Kunstlaufen ist nicht nur in der aktuellen Klimakrise geschmacklos, sondern absolut inhaltsleer.

© Universal Pictures

Fazit

Man vermisst Spannung, Blut und Schießpulver. ARGYLLE ist eine digitale Belanglosigkeit mit ausgezeichneten Schauspielern. Falls man sich in Zukunft wirklich einmal den eigenen Wunschfilm zusammengenerieren lassen kann, ist dieser als Referenzwerk schon erstaunlich nah dran. Sein lassen und was anderes schauen.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewArgylle (2023)
Poster
ReleaseKinostart: 01.02.2024
RegieMatthew Vaughn
Trailer
BesetzungHenry Cavill (Agent Argylle)
Bryce Dallas Howard (Elly Conway)
Sam Rockwell (Aidan Wilde)
Dua Lipa (Lagrange)
Bryan Cranston (Ritter)
Catherine O’Hara (Ruth Conway)
John Cena (Wyatt)
Samuel L. Jackson (Alfred Solomon)
Ariana DeBose (Keira)
Richard E. Grant (Fowler)
Rob Delaney (Powell)
Jing Lusi (Li Na)
Sofia Boutella (Saba Al-Badr)
DrehbuchJason Fuchs
KameraGeorge Richmond
MusikLorne Balfe
SchnittLee Smith
Tom Harrison-Read
Col Goudie
Filmlänge139 Minuten
FSKab 12 Jahren

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