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Always (1989) – Filmkritik

„Bier im Champagnerglas“

Es handelt sich hierbei um einen Film von Steven Spielberg, der im Oeuvre des Regisseurs in Vergessenheit geraten ist. Liebend gern würde „zu Unrecht“ rufen und ein flammendes Plädoyer für ALWAYS – mit dem furchtbaren deutschen Untertitel „Der Feuerengel von Montana“ – halten, aber die Realität ist ein andere. Das Filmerlebnis ist ernüchternd unausgegoren. Aber vielleicht lassen wir die Warnung von Herrn Spielberg persönlich erklingen:

„Manche Filme schaffen es einfach nicht, dafür gibt es Tausende von Gründen … Es war eine gute Erfahrung, den Film zu machen, weil er ausschließlich von allgemeingültigen Gefühlen handelte. Ich bereue es nicht.“[1]

Der Subtext ist ganz klar zu lesen: „eine gute Erfahrung – was man lieber sein lässt“ und „er bereut es nicht“ – weil es seiner Karriere nicht schadete. Vielleicht ist es sogar eine Beruhigungspille für alle, die erkannten: Spielberg ist doch nur ein Mensch und macht Fehler. Deswegen sei hiermit der Hinweis ausgesprochen, dass ALWAYS kein guter Film ist und nur in der Analyse von Spielbergs Handwerk wie auch der Umwandlung des zugrunde liegenden Originals KAMPF IN DEN WOLKEN (1943) von Victor Fleming von Interesse ist. Sorry Steven!

© Plaion Pictures

Handlung

Piloten sind bekanntlich waghalsige Himmelshunde und die von Löschflugzeugen scheinen einer speziellen Art anzugehören. Pete Sandich (Richard Dreyfuss) sucht den Nervenkitzel über den flammenden Wäldern, wenn er seine Maschine bis zum letzten Tropfen Kerosin ausreizt. Seine Liebste am Boden, genauer gesagt im Funktower, leidet Qualen bei seinen Manövern. Dorinda Durston (Holly Hunter) ist es leid mit diesem lebensmüden Typen zusammen zu sein. Auch wenn der Streit noch so groß ist, schafft es Pete stets, dass sie sich darauf in seine Arme wirft. Pilotenkumpel Al Yackey (John Goodman) hat von einem ungefährlicheren Job erfahren, der vielleicht besser zu einer festen Beziehung passt: Fluglehrer für Löschflugpiloten in Colorado. Doch dann kommt alles anders.

© Plaion Pictures

Figurenfehlschlag

Im Jahre 1989 kam ALWAYS in die Kinos und Steven Spielberg hatte bereits zuvor mehrfach Filmgeschichte geschrieben. Es verwundert dann noch sehr, wenn man den ersten Akt von ALWAYS gesehen hat. Die erste Einstellung ist im Zeitalter der schnellen digitalen Effektschüsse dennoch ein Genuss: Zwei Angler sitzen in einem Boot auf einem See. Der eine schläft, der andere schaut unmotiviert ins Wasser. Im unscharfen Hintergrund taucht ein riesiges Löschflugzeug auf, was Wasser aufnimmt und bedrohlich immer näherkommt. In letzter Sekunde können sich die beiden Sportfischer ins Wasser retten. Alle Anzeichen stehen hiermit auf Actionfilm, doch dann werden wir in die seltsame Welt der Beziehung zwischen Dorinda und Pete eingeführt.

© Plaion Pictures

Richard Drayfuss tritt ein bisschen zu sehr aufs Schauspielpedal und kommt bis zum Ende kein einziges Mal sympathisch rüber. Vom Besitzanspruch auf „sein Mädchen“, dem unangenehmen Altersunterschied (eigentlich „nur“ elf Jahre, es sieht aber aus wie 20 Jahre) und dem Glauben, dass man einer Frau nur etwas Hübsches zum Anziehen kaufen muss, damit sie nicht mehr sauer ist, abgesehen, stimmt die Chemie zwischen beiden einfach nicht. Leidenschaft und Liebe scheinen in den Wäldern verbrannt zu sein und selbst typische Romantikbilder der damaligen Zeit wie das Stelldichein vorm Kamin senden aufgesetzte Kulissensignale. Dorinda wird emotional völlig überreizt, naiv und fast schon psychologisch instabil von Holly Hunter dargestellt. Das Wort Overacting schwebt permanent über ihr, aber dafür glaubt man etwas Liebe in der aufkommenden Beziehung zum aus Stein gehauenen Dave (Roberts Blossom) zu erkennen. Die Romantik krepiert jedoch direkt nach dem Zündvorgang und erholt sich nicht wieder, aber was ist mit der Action?

© Plaion Pictures

Der Handwerker

Im Flugzeug ist Spielberg ganz bei der Sache. Am Boden bei den Liebesbeziehungen versagt er, aber in der Luft erkennt man den Techniker. Mit konzentrierten Einstellungen, auch hin und wieder mit einer Studioaufnahme, begeistert ALWAYS durch Flugmanöver. Man muss immer bedenken, dass bei solchen Aufnahmen ein weiteres Flugzeug dabei sein muss, denn die Kamera braucht ebenfalls ihren Platz. Die Hitze der Brände ist förmlich zu spüren und das Donnern der Turbinen treibt die Spannung voran. Piloten als Grenzgänger, dass wäre die inhaltliche sinnigere Struktur gewesen, die ALWAYS zusammengehalten hätte. Die Figur von John Goodman gibt immer wieder Stichwörter. Die Verwendung von ehemaligen Bomberpiloten aus dem Zweiten Weltkrieg, die jetzt ihre Fähigkeiten nutzen, um Menschen- und Tierleben zu retten als sie zu zerstören, dass wäre ein Thema gewesen, dass ohne Problem bis zum Filmende durchgehalten hätte.

© Plaion Pictures

Aber eine halb-esoterische, halb-religiöse Geistererkenntnis – übrigens mit Audrey Hepburn als Engel in einer ihrer letzten Filmrollen – das ist einfach zu dünn und vor allem Ende der 1980er-Jahre zu handzahm. Dennoch war ALWAYS kein Misserfolg und Kritiker gaben mittlere bis wohlwollende Wertung. Aber im Jahr 2023 kann der Film allein aus der Perspektive wie Frauenfiguren gezeichnet werden, nicht mehr bestehen. Es gibt noch eine weitere weibliche Nebenrolle mit der Mechanikerin Rachel (Marg Helgenberger), die kontinuierlich übertrieben satirisch dargestellt wird. Sie vergisst ständig bei ihrem Flugplatzgefährt die Handbremse anzuziehen und sorgt so für grunzendes Männerlachen. Aber über Mario-Barth-Rollenklischees sind wir zum Glück längst hinausgewachsen. Sind wir doch oder?

© Plaion Pictures

Das Heimkino

Das Mediabook direkt beim Label bestellen

Und gerade, weil dieser Steven-Spielberg-Film im aktuellen Zeitgeist so seine Rezeptionsprobleme hat, wundert es nicht, dass erst jetzt einzeln auf Blu-ray veröffentlicht wird. Das Release aus dem Hause Plaion Pictures ist wieder einmal gelungen. Den Film gibt es auf Blu-ray und DVD (bei der Zielgruppe leider immer noch nicht abwegig) im limitierten Mediabook mit silbrig glänzendem Cover. Das Bonusmaterial verfügt über Interviews und einer Bildergalerie. Nicolai Bühnemann schreibt im 20-seitigen Booklet mehr zu Steven Spielberg als zum Film ALWAYS, aber das kann man ihm nicht übelnehmen, denn wir kommen hier auch nicht über zwei Seiten hinaus. Kleiner Tipp noch, den Film in Originalsprache zu schauen, die damalige Synchronisation ist unterirdisch.

© Plaion Pictures

Fazit

Ganz klare Empfehlung für Spielberg-Komplettisten und ernsthafte Filmfans der 1980er-Jahre. Nicht etwa im Hinblick, dass man etwas Gutes zu sehen bekommt, sondern weil ALWAYS ein außergewöhnlicher Fehlschlag ist, welcher den Meisterregisseur noch zugänglicher macht.

© Christoph Müller

Quellen:

[1] Freer, Ian; The Complete Spielberg; Virgin 2001

 

Titel, Cast und CrewAlways (1989)
Poster
Releaseseit dem 25.05.2023 im Mediabook (Blu-ray + DVD) erhältlich.

Direkt bestellen beim Label bestellen.
RegieSteven Spielberg
Trailer

Englisch
BesetzungRichard Dreyfuss (Pete Sandich)
Holly Hunter (Dorinda Durston)
Brad Johnson (Ted Baker)
John Goodman (Al Yackey)
Audrey Hepburn (Hap)
Roberts Blossom (Dave)
Marg Helgenberger (Rachel)
DrehbuchJerry Belson
Vorlagebasiert auf dem Film KAMPF IN DEN WOLKEN (1943)
KameraMikael Salomon
MusikJohn Williams
SchnittMichael Kahn
Filmlänge117 Minuten
FSKab 12 Jahren

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