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After Truth (2020) – Filmkritik

„Ästhetik der Ärgernisse“

50 SHADES OF GREY war ein großer Erfolg, ein Phänomen, ein paar LeserInnen werden davon sicher mal gehört haben. Kleines Problem beim Welterfolg: Das R-Rating, bzw. in Deutschland die FSK 16, verwehrte einer jugendlichen Zielgruppe den (legalen) Zugang zu Muttis Porno-Fantasie für Zwischendurch. Synthese: Eine der zahlreichen Fahrwasser-Trittbrett-Romane von E. L. James verfilmen, nur diesmal den ganzen Sex rausstreichen. So geschehen bei der letztjährigen Adaption von Anna Todds AFTER-Reihe (der Autor spart sich an dieser Stelle pubertäre Witzeleien mit dem Titel), ursprünglich eine Harry-Styles-Fan-Fiction. Am 3. September 2020 startete die Fortsetzung, nach AFTER PASSION kommt nun AFTER TRUTH. Man darf gespannt sein.

© 2020 Constantin Film Verleih GmbH

Im ersten Teil begann die genretypisch vermauerblümte Tessa Young (Josephine Langford) während ihres Literaturstudiums eine Affäre mit dem „heißen“ „Bad Boy“ Hardin (Hero Fiennes Tiffin), so ein Typ der Marke: Ich trage eine Lederjacke und lese dabei GREAT GATSBY (und interpretiere den Roman danach grandios falsch). Natürlich ist er eine arg zerklüftete Seele, gespaltenes Elternhaus, Alkoholproblem, aber who cares, er ist ja so hot. AFTER PASSION romantisierte und fetischisierte eine in jedem Sinne toxische Beziehung, in der der Junge das Mädchen als Müllhalde für seinen gesamten emotionalen Ballast nutzen und sie nur als reines Objekt fungieren darf. Das Ganze mit einer FSK 0.

© 2020 Constantin Film Verleih GmbH

In der Fortsetzung beginnt Tessa ein Praktikum bei einem renommierten Verlag, in dessen Betrieb noch die Verschwendungssucht einer intakten Branche im Stile der 70er-Jahre herrscht. Natürlich bekommt sie als Praktikantin ein eigenes Büro und der Job besteht im Wesentlichen darin, ein paar Manuskripte zu lesen und zu kategorisieren. Ein kleiner Flirt mit dem (natürlich) heißen, aber zynischen BWL-Boy Trevor (Dylan Sprouse) darf da auch nicht fehlen. Typisch für einen zweiten Teil eines Franchise entspinnt sich so fast eine leidenschaftliche Dreiecksgeschichte, in der Tessa wählen darf, ob sie lieber von einem Charisma befreiten, gestörten Alkoholiker oder einem Charisma befreiten Zahlenzähler objektifiziert werden möchte.

© 2020 Constantin Film Verleih GmbH

Konnte man dem ersten Teil noch anrechnen, dass er abseits seiner problematischen Geschichte noch ernsthaft so etwas wie Literaturaffinität vermitteln und die Wichtigkeit von Safer Sex propagieren wollte, so übernimmt AFTER TRUTH die austauschbare Ästhetik eines Hochglanzpornos. Menschen sind geleckte Oberflächen, Sex hat man nur, um diese Oberflächen in Szene zu setzen. Von Lust oder gar Liebe ist hier keine Spur. Geradezu bieder muten die Sexszenen unter der Dusche und im verlassenen Büro an, denn natürlich zeigt die Kamera nie mehr als den durchtrainierten Oberkörper von Fiennes. Prüderie und Porno verschmelzen so zu einem absurd aseptischen Kinoerlebnis, das zu Erleben das Ticket fast schon wieder wert wäre. Natürlich sind es auch allein die Männer, die Sex einfordern dürfen (und Hardin tut das eigentlich in den 100 Minuten Laufzeit auch pausenlos, Bedenken Tessas werden gekonnt und keck ignoriert, denn „Sie will es doch auch“).

© 2020 Constantin Film Verleih GmbH

Wenn Tessa an zwei dramaturgisch relevanten Punkten selbst Lust verspürt, bestraft sie die Handlung gleich mit einem Schicksalsschlag. Was der Film, der sich mit seiner FSK 12 immer noch offenkundig an ein Teenagerpublikum richtet, eben dieser Zielgruppe vermittelt, ist in höchstem Maße problematisch: Da ist auf der einen Seite Hardin, der in seiner toxischen Hypermaskulinität Probleme entweder mit seinem Penis oder seiner Brieftasche löst und auf der anderen Seite Tessa, die als das immer bereite Mädchen ohne Persönlichkeit sicher ein tolles Vorbild für heranwachsende Mädchen abgibt. Hardin darf selbstverständlich das Handy seiner Freundin kontrollieren, irrational eruptiv ausrasten und im Alkohol versinken; er ist ja schließlich soo heiß und hatte ja auch eine ganz schwierige Kindheit. Tessa hingegen wird in der Beziehung keine Rechte zugesprochen. Selbst ihr Geburtstagsgeschenk, ein „perfekter Tag“, an dem Hardin, Zitat: „Alles macht, was Tessa glücklich machen würde“, wird von selbigem unterwandert und mündet in ermüdenden Chanel-Werbeclip-Sexszenen.

© 2020 Constantin Film Verleih GmbH

Dass man als Zuschauer diese Warnsignale sofort bemerkt und Tessa förmlich zurufen möchte, sie sollte sich von diesem Typen fernhalten, hätte durchaus eine Signifikanz des Films sein können. Hätte AFTER TRUTH sich tatsächlich vorgenommen, eine Analyse einer (nach außen hin) offensichtlichen, giftigen Beziehung zu sein, so könnte man ihm eine Existenzberechtigung zugestehen. Aber AFTER TRUTH analysiert nicht, er glorifiziert und fetischisiert, interessiert sich weder für seine Figuren noch für den zu Grunde liegenden Konflikt. Ein ärgerlicheres und gefährlicheres Nichts ist selten über die Leinwand geflimmert.

© Fynn

Titel, Cast und CrewAfter Truth (2020)
OT: After We Collided
Poster
ReleaseKinostart: 03.09.2020
ab dem 01.07.2021 auf Blu-ray und DVD

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RegisseurRoger Kumble
Trailer
BesetzungJosephine Langford (Tessa Young)
Hero Fiennes Tiffin (Hardin Scott)
Louise Lombard (Trish Daniels)
Dylan Sprouse (Trevor Matthews)
Candice King (Kim)
Charlie Weber (Christian Vance)
Shane Paul McGhie (Landon Gibson)
DrehbuchAnna Todd
Mario Celaya
KameraLarry Reibman
FilmmusikJustin Caine Burnett
SchnittAnita Brandt Burgoyne
Filmlänge105 Minuten
FSKab 12 Jahren

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