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Addams Family (1991) – Filmkritik

„Familiengruft“

Verrückte Nachbarn hat wohl jeder. Wenn das nicht der Fall sein sollte, kann man sicher sein, dass man selbst der schräge Gesprächsstoff der Nachbarschaft ist. Aber die ADDAMS FAMILY spielt in einer ganz anderen Liga der Seltsamkeit. 1991 zeigt sie nicht zum ersten Mal mit diesem Kinofilm ihren düsteren, schrägen und vor allem verrückten Charakter. Die Figuren erfreuen bereits seit 1938 mit ihren Cartoons Fans des Grusels, Schreckens, von Monstern und Edgar Allan Poe. Immer weit über den schwarzhumorigen Anstand hinaus, zeigt die Familie jedoch auch viel Sympathie. Wem gehen permanent fröhliche Menschen nicht auch einmal auf die Nerven? Und manchmal möchte man lieber den Degen schwingen als Beschwerdebriefe zu schreiben. Die ADDAMS FAMILY strahlt Freiheit aus, das zu tun, was man will und die Person zu sein, die man sein möchte. Damals im Kino ein Erfolg und bei mir selbst dudelte in den 1990ern die Videokassette auch einige Mal durch den Rekorder, so dass ich bei der neusten Sichtung, dank des frischen Ultra-HD-Upgrades fürs Heimkino, jeden Gag zielsicher vorhersagen konnte. Aber der Film von Barry Sonnenfeld (MEN IN BLACK) hat noch einige andere Talente.

© capelight pictures

Handlung

Familienoberhaupt Gomez Addams (Raúl Juliá) kommt seit 25 Jahren nicht darüber hinweg, seinen geliebten Bruder Fester verloren zu haben. Doch auch in diesem Jahr will Gomez mit Hilfe einer Séance zu seinem Bruder im Jenseits Kontakt aufnehmen. Der Familie Addams ist der Umgang mit Tod, Sterben, Geistern und Düsterem wie auch Gruseligem nicht unvertraut. Nein, die Familie lebt es in jeder Minute. Zum Beispiel die Geschwister Wednesday (Christina Ricci) und Pugsley (Jimmy Workman) wollen sich zu gern gegenseitig im Spiel umbringen. Mutter Morticia (Anjelica Huston) schneidet lieber den Rosen den Kopf ab, bevor sie in die Vase kommen. Das Mädchen, ähm, Monster für alles ist der knurrige Lurch (Carel Struycken), der Butler im Hause, der nicht nur den Haushalt schmeißt, sondern auch den Chauffeur mimt und die Großmutter (Judith Malina) sorgt für die lebende wie auch schleimige Küche.

© capelight pictures

Bei besagter Jubiläums-Geisterbeschwörung klopft es an die Tür und der verschollen geglaubte Bruder bittet um Einlass. Jedoch ist es eigentlich Gordon Craven (Christopher Lloyd), der es mit seiner Mutter (Elizabeth Wilson) auf das Addams-Vermögen abgesehen hat. Die große, gotische Villa ist nicht nur reich an Spinnenweben, sondern auch an Gold im dunklen Verließ darunter.

Adel verpflichtet

Zugegeben – und hier treffen wir auch den allgemeinen Tenor der Filmkritiker – ADDAMS FAMILY ist nicht gerade mit einem spannenden Drehbuch gesegnet. Der vielgenutzte Plot des Doppelgängers ist erschreckend langweilig für eine solche, gerade nicht langweilige, Familie und vor allem die erste Filmhälfte hat eher die Aufgabe sich an bestimmten Gags – sicherlich Referenzen der Original-Cartoons – abzuarbeiten. Es ist nun einmal ein Unterhaltungsfilm für die ganze Familie und das klappt mit Bravour. Hinzu kommt, dass die Harmonie in der Familie beneidenswert ist. Kein böser Groll zwischen den Verwandten, die Eheleute Morticia und Gomez lieben und respektieren sich und die Kinder streiten sich nicht – sie wollen einfach einander umbringen. Diese schockierenden „Verrückten“, wie sie im Film immer wieder genannt werden, leben weit am Rande der Stadt mit dem eigenen Ahnengrab als Garten. Hier können sie sein wie sie sein wollen und müssen sich nicht den gängigen gesellschaftlichen Konventionen unterordnen. Der unermessliche Reichtum im Keller macht zudem unabhängig.

© capelight pictures

Dann sind wir natürlich auf ihrer Seite, wenn die Addams zum Ende vor das eigene Tor a.k.a. Gitterli gesetzt werden. Die Szenen darauf mit den dunklen Gestalten im normalen Leben haben mir bereits als Kind besonders gefallen.

Im Finale kämpfen die Bösen gegen die Bösen. Also die, die schon immer auf der dunklen Seite gelebt haben, gegen die Kriminellen. Die ADDAMS FAMILY verfügt über die besseren Fähigkeiten und gewinnt den Kampf. Als Bonus gibt es noch den Doppelgänger als neues Familienmitglied, der sich per Blitzschlag zum verschollenen Bruder zurückerinnert. Ebenfalls eine zu hollywoodeske Wendung für die groteske Grundthematik und ein auffällig sauberes Happy End für ein Unterwelten-Szenario.

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Heute noch der Hit

Was nach 30 Jahren und zig Wiederholungen immer noch zum Schmunzeln anregt, sind die beiden Nicht-Familienmitglieder, die weder sprechen wollen, noch können. Zum einen der Butler Lurch – anscheinend ein entfernter Verwandter von Frankensteins Monster – und zum anderen das vitale eiskalte Händchen – 1991 eine Sensation als visueller Effekt und heute noch ein charismatischer, lebendiger Begleiter durch die Story. Beide erinnern nicht nur in ihrer schauspielerischen Stärke an die Ära der Stummfilme, in der auch einige Ikonen wie DIE MUMIE, DER UNSICHTBARE oder DRACULA zur Referenzwelt der Addams passen. Eiskaltes Händchen und Lurch haben aber einfach ein sehr cooles Understatement in dieser extrovertierten Welt. Lurch testet bereitwillig vergiftete Limonade, nimmt es feuerspuckend und schulterzuckend hin. Eiskaltes Händchen rettet die Familie, irgendwie scheint es doch über mehr als nur den Tastsinn zu verfügen und gibt grandios im Pantomimenspiel mit Gomez die Gefahrensituation wieder – am Ende muss der Löffel-Morsecode helfen. Der Butler und der fünfgliedrige Freund der Familie sind trotz der Qualität der Hauptdarsteller auch heute noch Nebencharaktere, an die wir mit Freude zurückdenken.

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ADDAMS FAMILY daheim

Der Film lebte ein gutes Dasein im linearen Fernsehprogramm Ende der 1990er-Jahre. Nach der Blu-ray aus dem Jahre 2013, die nicht gerade großzügig aufgelegt wurde, war es schwierig an die Kindheitserinnerungen heranzukommen. Capelight Pictures hat das erkannt und präsentiert ADDAMS FAMILY nicht nur erneut auf Blu-ray, sondern zusätzlich in ULTRA HD mit Dolby Vision und HDR10. Das Bild sieht gut aus, hat aber einige unscharfe Szenen, vermutlich dem Basismaterial geschuldet. Außerdem sind ein paar Farbtemperaturwechsel zu erkennen. Das erinnert mich an die letzten Zeiten der analogen Filmkopien, wenn bei Blockbusterfilmen Filmrolle Akt 1, 3 und 5 in Spanien hergestellt wurden und 2, 4 und 6 in Italien. Beim Wechsel der Akte konnte man deutliche Farbunterschiede aufgrund der verschiedenen Kopiewerke sehen. Aber ich vermute, das fällt hier nicht schwer ins Gewicht, denn eines ist ADDAMS FAMILY auf keinen Fall: Hochglanzkino.

© capelight pictures
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Warum soll man nun zum Mediabook (UHD+BD) greifen? Ganz einfach, weil Marco Heiter das Booklet geschrieben hat. Marco macht sich in der Szene verhältnismäßig rar, was ein definitiver Gewinn ist, denn wenn der Kulturwissenschaftler einen Text zum Besten gibt, passt alles: Information, Kulturbezug, Interpretation und ein toller Schreibstil. Es ist auch immer zu erkennen, dass er nie für einen Film schreiben würde, der ihm nicht gefällt. Also, die paar Euro mehr sind für das 24-seitige-Booklet gut angelegt. Ach ja, den Marketing-Sticker wollen wir auch erwähnen. Es ist ein „Extended Cut“ neben der Kinofassung vorhanden, der ausschließlich eine längere Mamushka-Tanzszene enthält.

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Fazit

Die ADDAMS FAMILY gehört zur Familienkultur der 90er wie die Brotschneidemaschine in die Einbauküche und darf, wenn man die Zeit miterlebt hat, in keiner Filmsammlung fehlen. Auch wenn man neugierig ist, was Tim Burton oder Terry Gilliam aus der Produktion gemacht hätten, ist dem Film eine Originalität gelungen, die einem auch heute noch das eiskalte Händchen über die Schulter laufen lässt.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewAddams Family (1991)
OT: The Addams Family
Poster
Releaseseit dem 07.10.2022 im Mediabook (Ultra HD Blu-ray & Blu-ray) und auf DVD erhältlich.

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RegisseurBarry Sonnenfeld
Trailer
BesetzungAnjelica Huston (Morticia Addams)
Raul Julia (Gomez Addams)
Christopher Lloyd (Onkel Fester Addams)
Dan Hedaya (Tully Alford)
Elizabeth Wilson (Abigail Craven)
Judith Malina (Großmutter Addams)
Carel Struycken (Lurch)
Dana Ivey (Margaret Alford)
Paul Benedict (Richter Womack)
Christina Ricci (Wednesday Addams)
Jimmy Workman (Pugsley Addams)
Christopher Hart (Thing)
John Franklin (Cousin It)
DrehbuchCaroline Thompson
Larry Wilson
KameraOwen Roizman
MusikMarc Shaiman
SchnittDede Allen
Jim Miller
Filmlänge101 Minuten
FSKab 12 Jahren

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