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A Dark Song (2016) – Filmkritik

Filme, die schwarze Magie, Voodoo und andere Kulte zum Thema haben, gibt es reichlich. Ebenso viele Produktionen zeigen dabei mysteriöse Zeremonien und Rituale, die diese Kulte mit Leben erfüllen. Gewiss, wir sehen regelmäßig bekannte Bilder und Szenen, die sich allerdings von Film zu Film wiederholen. Darin kritzelt irgendein Auserwählter mysteriöse Symbole auf den Boden, rezitiert unheimliche Formeln und womöglich findet noch der ein oder andere Liter Blut seine Verwendung. All das soll am Ende das Heraufbeschwören von Dämonen, Geistern oder Toten möglich machen. Das eigentliche Ritual jedoch wird zu kurzen Augenblicken komprimiert und verdichtet. Doch ein Film, der sich rund sechzig Minuten Zeit nimmt für solch eine beschwerliche Zeremonie und den dazu nötigen Vorbereitungen, ist mir bisher noch nicht untergekommen. Vergleiche anzustellen ist schlichtweg unmöglich, ebenso fällt die Einordnung in ein Genre nicht leicht, denn es gibt nichts Vergleichbares mit A DARK SONG.

© Camera Obscura

Handlung

Sophia (Catherine Walker) trauert um ihren ermordeten Sohn. Beseelt von dem Wunsch, noch ein letztes Mal mit ihm zu sprechen, engagiert sie den Okkultisten Joseph Solomon (Steve Oram), der für sie das geheimnisvolle Abramelin-Ritual durchführen soll. Mit dessen Hilfe soll Sophias Schutzengel gerufen werden, der sich ihrer Wünsche annimmt. Dafür mietet Sophia ein altes, heruntergekommenes Anwesen in Wales. Abseits jeder Zivilisation soll dort das monatelange Ritual sorgfältig vorbereitet und schließlich auch durchgeführt werden. Im Verlauf der kräftezehrenden und komplizierten Handlungen, kommt es immer wieder zu teils heftigen Gewaltausbrüchen zwischen dem ungleichen Paar. Doch als Solomon herausfindet, dass Sophia ihn belogen hat, ist es fast schon zu spät, denn nun sind sie nicht mehr allein im Haus.

© Camera Obscura

Der Weg ist das Ziel, oder etwa nicht?

Atemberaubende, aber auch bedrückende Landschaftsaufnahmen rahmen das vor uns liegende Drama elegant ein. Gleichzeitig sind sie ein Spiegel der Gemütslage unserer innerlich zerrissenen Protagonistin. Ihre letzte Möglichkeit, endgültig mit der Vergangenheit abzuschließen, bildet dabei das mysteriöse Abramelin-Ritual und der Mann, der es ausführen kann: Joseph Solomon. Dieses Ritual dient nicht nur zur Herbeirufung eines Schutzengels, es soll die Dunkelheit aus unserem Inneren verbannen. Wer jetzt langweilige Séancen aus dem letzten Jahrhundert mit der obligatorischen Glasschieberei erwartet, wird überrascht werden. Ebenso verbleibt das alte Oujia-Brett in seiner Kiste auf dem staubigen Dachboden.

© Camera Obscura

In einer unaufgeregten Bildsprache begleiten Regisseur Liam Gavin und sein Kameramann Cathal Watters die Story sowie die beiden Protagonisten. Dabei erschaffen sie wohltemperierte Aufnahmen, die das Dramatische wie das Schreckliche niemals aus den Augen verlieren. Bewusst bleibt die Kamera dabei öfters auf Abstand zu beiden, beobachtet ihren verzweifelten Kampf mit ihren ganz eigenen Gedanken, Gefühlen, den Ängsten und ihrem Gewissen. Verstohlen betrachten wir durch Türschlitze oder verborgen hinter Autos dieses stetige Ringen, was uns Rezipienten unweigerlich die Rolle des Eindringlings aufdrängt. All das verstärkt noch den bedrohlichen Unterton, der von der ersten Minute an herrscht. Kurz nach Beginn ihrer selbst gewählten Isolation sehr verliert schnell Zeit und Raum jegliche Bedeutung für unsere Akteure, ebenso wie für den Betrachter. Mit jedem weiteren Schritt steigert sich die Spirale des Grauens in diesem ungewöhnlichen Kammerspiel. Der Score von Ray Harman hat großen Anteil daran, er ist eine Mischung aus modernen Horrorklängen und Musikfetzen aus einer Zeit, als Magier, Dämonen und Engel noch real waren. Er packt den Betrachter von der ersten Sekunde an den Hörnern und lässt ihn bis zum furiosen Finale nicht mehr los. Die Atmosphäre ist geprägt von Angst und Vorfreude, die durch den ungewöhnlichen Score noch extrem verstärkt wird: Vorfreude auf den Schutzengel von Sophia, der ihren letzten Wunsch erfüllen soll, aber auch Angst vor dem, was passieren könnte, wenn das Ritual fehlschlägt. Diese Ambivalenz steckt in jedem Atemzug von A DARK SONG und zieht sich wie ein roter Faden durch den Plot bis zur Katharsis im Finale. Doch Liam Gavins Film ist vor allem der Kampf zweier Charaktere, die das gleiche Ziel anstreben, aber auf völlig unterschiedlichen Wegen dorthin unterwegs sind. Es ist eine verquere Art einer ambivalenten Liebesgeschichte, die gespickt ist von Terror, Demütigungen und Verletzungen, und einer überraschenden, spröden Zärtlichkeit zweier gepeinigter und verlorener Seelen.

© Camera Obscura

Und genau diese beiden Protagonisten sind es, die mit einer spielenden Leichtigkeit den Film zu dem machen, was er letztendlich geworden ist. Auf der einen Seite sehen wir den viel beschäftigten Steve Oram (KILL LIST, 2011; THE WORLD‘S END, 2013), geboren in Leicestershire, England. Auf der anderen Seite die hauptsächlich in britischen TV-Serien arbeitende Catherine Walker (MORD AUF SHETLAND, 2013 – ), geboren in Dublin, Irland. Beide sprühen vor Energie und glänzen durch eine unheimliche Performance. Ihre so unterschiedlichen Charaktere sind mit viel Liebe und einer großen Bandbreite gezeichnet, die sie auf der Leinwand in allen Facetten genussvoll durchexerzieren, vor allem aber sind sie authentisch. Für den jungen Briten Liam Gavin hingegen ist A DARK SONG sein beeindruckendes Regiedebüt in Spielfilmlänge. Zuvor arbeitet er an einigen Kurzfilmen, bei denen er nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch verfasste, ebenso wie für sein vorliegendes Werk. Auf zahlreichen Filmfestivals hamsterte Gavins Film diverse Auszeichnungen ein.

© Camera Obscura

Reaktionen

Bei aller Freude an A DARK SONG, er ist beileibe nicht für jedermann, ähnlich wie STRANGE DREAMS. Da beide sich konsequent und bewusst dem „Mainstream-Trend“ verweigern, erfuhren sie bisher überwiegend negative und abwertende Kritiken, was nicht im Ansatz nachvollziehbar ist. Es bleibt zu hoffen, dass im Laufe der Zeit wieder ein reiferes Filmpublikum heranwächst, dass sich nicht von lächerlichen Horror-Teenie-Produktionen und vorhersehbaren Jump-Scares das Geld aus der Tasche ziehen lässt. Mit Filmen, über die in einigen Jahren kein Wort mehr verloren wird, die lediglich als Randnotiz im Kanon des Genres existieren. Ein erwachsenes Publikum, das den wahren Wert außergewöhnlicher wie ungewöhnlicher Produktionen zu schätzen vermag. Ähnlich der Entwicklung, die einst Ridley Scotts BLADE RUNNER (1982) durchmachte: in den ersten Jahren unbeachtet und als minderwertig abgetan, heute als unbestrittener Science-Fiction-Klassiker besungen und nicht mehr wegzudenken.

© Camera Obscura

Unvollkommene Vergleiche

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Einen kleinen Einstieg bietet Terence Fishers DIE BRAUT DES TEUFELS (THE DEVIL RIDES OUT, 1968) sowie Robert Eggers THE WITCH (THE VVITCH: A NEW-ENGLAND FOLKTALE, 2015), dass aber wirklich nur in einigen hauchdünnen Ansätzen. Zum einen, weil diese beiden herausragenden Werke deutlich dem Horrorgenre verhaftet sind, was man von A DARK SONG nur bedingt behaupten kann, wenn auch einiges darauf hindeuten mag. Zum anderen, weil sie eben nicht mit dieser schon angeführten Ausführlichkeit auf Zeremonien und Riten eingehen. Der tagtägliche Kampf wiederum, die Regeln sowie die Isolation beider Protagonisten erinnert mich dagegen sehr stark an THE LIGHTHOUSE (2016) und seiner Neuinterpretation DER LEUCHTTURM (THE LIGHTHOUSE, 2019). Jeder Versuch eines Vergleiches bleibt im Ansatz unvollkommen, weil, wie schon erwähnt, keine Möglichkeit dazu existiert, zumindest ist mir keine bekannt.

 

Fazit

Ohne weiter unnütze und minderwertige Worthülsen zu produzieren, kommen wir direkt auf den Punkt: A DARK SONG ist das Genre-Highlight der letzten Jahre.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewDark Song (2016)
Poster
Releaseab dem 07.10.2021 im Mediabook (Blu-ray+DVD)
ab dem 03.12.2021 auf Blu-ray und DVD

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RegisseurLiam Gavin
Trailer
BesetzungSteve Oram (Joseph Solomon)
Catherine Walker (Sophia)
Susan Loughnane (Victoria)
Mark Huberman (Neil Hughes)
Nathan Vos (Jack)
DrehbuchLiam Gavin
KameraCathal Watters
MusikRay Harman
SchnittAnna Maria O‘Flanagan
Filmlänge100 Minuten
FSKab 16 Jahren

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