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57 Seconds (2023) – Filmkritik

„Unbedeutende Zeit“

Abkürzungen sind immer gut, vor allem wenn es Korrekturen der eigenen Fehler sind. Was wäre, wenn man einfach in der Zeit zurückreisen kann, um zum Beispiel doch nicht das Glas vom Tisch zu stoßen oder eine rote Ampel zu überfahren. Dieser Wunsch nach einem fehlerfreien Leben wird vor allem in Zeitschleife-Filmen deutlich. Man hat mehrere Möglichkeiten, um eine bestimmte Situation (SOURCE CODE, 2011) oder einen Tag (UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER, 1993) zu wiederholen und zu optimieren. Die Menschheit strebt nach Effizienz, also mussten Filme das auch. Das Erleben eines Films ist ja selbst nur ein Moment, den man beliebig oft sehen und somit wiederholen kann. Die Vermutung liegt ebenfalls nahe, dass der Gedanke der Zeitschleifen in den Produktionen des 21. Jahrhunderts ebenfalls dem Einfluss der Videospiele zu verdanken ist. Schwere Level, in denen man scheitert, müssen wiederholt und Bewegungen auswendig gelernt werden, damit sie doch noch gelingen. EDGE OF TOMORROW (2014) mit Tom Cruise und Emily Blunt ist wohl der beste Vertreter dieser cineastischen Gamification. Zeitreisen werden in letzter Zeit auch gern in günstigeren Unterhaltungsfilmen, wie dem hier besprochenen 57 SECONDS benutzt. Damit aber nicht jeder an diesem Film vorbeigeht, hat man sich zwei prominente Darsteller geleistet: der unverkennbare Morgan Freeman, der, wenn man es genau nimmt, seit der Batman-Trilogie in keinem guten Film mehr mitgespielt hat und Josh Hutcherson, der vor allem durch wehleidige Blicke in der Tribute-von-Panem-Trilogie auf sich aufmerksam machte. Wir bieten auch eine Abkürzung zu dieser Review an: Entweder der Sprung zum Fazit oder der direkte Hinweis: Man sollte die prominenten Schauspielernamen ignorieren und an 57 SECONDS vorbeigehen.

© Capelight Pictures

Handlung

Der Tech-Blogger Franklin Fox (Josh Hutcherson) schmuggelt sich auf ein großes Ankündigungsevent der IT-Firma Sci-Trinity mit dem visionären Gründer und CEO Anton Burrell (Morgan Freeman). Nachdem Franklin bei einem Anschlagsversuch das Leben von Burrell rettet, erhält er nicht nur einen Interviewtermin, sondern er findet einen kleinen Ring auf der Bühne. Es ist jedoch nicht nur ein Schmuckstück. Bei Kontakt mit dem schwarzen Kristall darin, reist der Träger 57 Sekunden in die Vergangenheit, nicht mehr und nicht weniger. Der Vorgang lässt sich nur wiederholen, wenn weitere 57 Sekunden vergangen sind. Man kann also nicht unendlich in die Vergangenheit reisen. Franklin nutzt seine neue Fähigkeit nicht nur bei seiner frischen Beziehung mit Jala (Lovie Simone), sondern auch fürs Spielcasino. Geld ist jedoch nicht alles. Mit Hilfe des Zeitsprungrings kann er endlich dem gewissenlosen Pharmaunternehmer Sig Thorensen (Greg Germann) das Handwerk legen.

© Capelight Pictures

Die Basics

57 SECONDS beginnt mit dem obligatorischen Zeitsprung. Dieser einfallslose Appetizer auf mögliche Spannung zu einem späteren Zeitpunkt, ist so sinnig wie der Bau von Flugtaxis als Klimaschutz. Aber es ist nun einmal der Zahn der digitalen Zeit. Die Konsumenten – ich meine das Publikum – wollen innerhalb der ersten Momente wissen, ob es sich lohnt weitere Lebenszeit zu investieren. Für diesen Film haben wir das bereits in der Einleitung beantwortet. Zu allem Überfluss gibt es zum Zeitsprung auch noch einen Erzähler aus dem Off, der praktischerweise gleich unsere Hauptfigur ist und beschreibt, was wir ohnehin schon sehen. Es wird also in den ersten Minuten bereits einiges getan, um eine spannende Handlung und unser Mitdenken zu verhindern. Das Budget war sicherlich überschaubar. Man kann davon ausgehen, dass die Hälfte an die beiden Schauspieler auf dem Filmposter ausgezahlt wurde, plus ein sicherlich nicht unerheblicher Anteil für Freemans maßgeschneiderte Anzüge. Die restlichen Dollars gingen für Kamera, Schnitt, Musik, Nebenrollen und Effekte im Billigsektor drauf.

© Capelight Pictures

Einem Film vorwerfen, dass er kein Geld hatte, ist zu einfach. Das ist schließlich das Besondere im 21. Jahrhundert: Filme zu produzieren war noch nie so günstig wie heute. Doch wenn es mit dem Drehbuch und der Kreativität nicht klappt, wird die Discount-Produktion unübersehbar. Da hilft gemieteter Luxus leider auch nicht über den Fakt der Ideenlosigkeit hinweg.

Schleife der Belanglosigkeit

Zur Auflockerung in diesem Verriss zwei Empfehlungen von hervorragenden Time-Loop-Movies mit unabhängiger Produktion und niedrigem Budget: COHERENCE (2013) und BEYOND THE INFINITE TWO MINUTES (2020). Was diese Filme von ihren einfachen Mitteln ablenkt, ist der philosophische Aspekt der Handlungen. Wir werden zum Nachdenken animiert. 57 SECONDS zwingt uns die Wiederholung langweiliger Szenen immer wieder erneut auf. Wenn es schon immer die gleiche Szene sein soll, dann kann man doch etwas neues Interessantes hinzufügen oder man lässt den ganzen Blödsinn sein und springt gleich in die finale Version. Hier sei einer der besten Zeitschleifenfilme der letzten Jahre erwähnt: PALM SPRINGS (2020). Protagonist Nyles gelingt es darin gottesgleich durch unsere Realität zu wandeln. Unserem Franklin müssen wir hier leider immer wieder beim Üben zusehen und das frustriert wie Super Mario Kart mit nur einem Controller.

© Capelight Pictures

Die Moral von der Geschichte

Schlechte Filme gibt es wie Sand am Meer, was aber bei 57 SECONDS richtig sauer macht, ist die eigene Doppelmoral. Franklin spielt sich als ehrenhafter Investigativ-Blogger auf. Für das Medium kommt er 20 Jahre zu spät – ich weiß, wovon ich spreche. Er nutzt seine gefundene Superkraft, um ein Mädchen am ersten Abend ins Bett zu kriegen. Dann erstmal Geld ranschaffen, ein Journalist schreibt am besten in einem Eames-Designersessel und der Freundin eine Staffelei kaufen, damit sie ihrem Hobby folgen kann. Weibliche Selbstbestimmung machen wir im nächsten Jahrhundert. Franklin geht bei seinen Roulettegewinnen auch extrem naiv vor, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er auffliegt. Aber die nächste Einkommensquelle ist der Bösewicht, bei dem er nun einen Job hat und unverschämt entlohnt wird. Erstmal eine Villa kaufen und andere die Arbeit machen lassen. Gerechtigkeit kommt nach der Entspannung im Swimmingpool. Als Jala herausfindet mit welchen Mitteln er zu Reichtum gekommen ist, fragt man sich, was sie denn die ganze Zeit geglaubt hat, wo das Geld herkommt. Vom Bloggen schon einmal nicht – auch hier spreche ich aus Erfahrung. Diese ganze scheinheilige Heldennummer bekommt am Ende noch den Hut aufgesetzt als er den Weltverbesserungsvorschlag ausschlägt. Das kann er wegen der neu entdeckten Moral machen, es wird aber dann ein anderer übernehmen. Vielleicht ist es besser so. Unser naiver Franklin legte die Latte nicht sonderlich hoch.

© Capelight Pictures

Fazit

Man muss ab und zu wieder schlechte Filme sehen, um die guten wertzuschätzen. Aber 57 SECONDS ist in einer solchen Spannweite langweilig, belanglos und scheinheilig, dass man – ihr ahnt es was jetzt kommt – in die Zeit vor den Film reisen möchte, um diesen Fehler nicht zu machen. Finger weg!

© Christoph Müller

Titel, Cast und Crew57 Seconds (2023)
Poster
Releaseseit dem 13.10.2023 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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RegieRusty Cundieff
Trailer
BesetzungJosh Hutcherson (Franklin Fox)
Morgan Freeman (Anton Burrell)
Greg Germann (Sig Thorensen)
Lovie Simone (Jala)
Bevin Bru (Rene Renzler)
Sammi Rotibi (Calvert)
DrehbuchMacon Blair
Rusty Cundieff
KameraAndrew Strahorn
MusikNathan Furst
SchnittJohn Quinn
Filmlänge99 Minuten
FSKab 16 Jahren

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