„Das NYPD auf der Jagd“
In Manhattan leben 1,6 Millionen Menschen gerade einmal auf einer Fläche von 87,5 Quadratkilometern. Das macht 18.000 Menschen pro Quadratkilometer, in Berlin sind es gerade einmal 4.000. Manhattan ist nicht nur voller Leute, sondern auch voll mit Geld und es sind nicht nur die Immobilien gemeint. Die Wall Street als Epizentrum der Gier und die unbewohnten Statussymbole der Millionen-Dollar-Suiten rund um den Central Park wollen beschützt werden, und zwar von New York‘s Finest, dem NYPD. In den dunklen Schluchten der Wolkenkratzer und vielen Nebenstraßen gibt es dennoch ausreichend Platz, wo sich das organisierte Verbrechen problemlos bewegen kann. Wer eine Schwäche für Cop-Thriller in amerikanischen Metropolen hat, ist bei 21 BRIDGES genau richtig. Der Film handelt nämlich nicht von einem riesigen Bankraub, sondern vom schlimmsten aller Verbrechen in den Augen eines Polizisten, dem Mord an einem Kollegen.
Handlung
Andre Davis (Chadwick Boseman) ist ein New Yorker Detective wie es keinen Zweiten gibt. In seinen nicht einmal zehn Dienstjahren hat er die meisten tödlichen Schüsse des Reviers auf dem Konto. Ein Grund, dass sich die innere Abteilung Davis einmal vornimmt. Nicht, dass er denkt er sei Polizist, Richter und Vollstrecker in einem.
Um Mitternacht rauben Ray (Taylor Kitsch) und Michael (Stephan James) eine Weinbar in der Stadt aus. Sie haben den Tipp bekommen, dass hier leicht 30 Kilo reines Kokain abzustauben sind. Die Überraschung ist groß, als der Informant wohl eine Null vergessen hat. Die 300 Kilo bekommen sie kaum bewältigt und dann stehen auch noch ein paar Cops vor der Tür, die anscheinend eine langweilige Nachtschicht verbringen. Michael und Ray sind mit ihren automatischen Waffen und ihrer Präzision mörderisch effektiv. Nachdem die Polizei-Unterstützung ebenfalls tot auf dem Bürgersteig liegt, rasen sie durch die Straßen auf der Suche nach einem schnellen Abnehmer für ihre Millionen-Dollar-Beute. Sie haben nicht viel Zeit, denn Andre Davis beschließt am Tatort von acht toten Polizisten die Insel Manhattan bis zum Morgengrauen abzuriegeln. Für die New Yorker Polizei hat die Jagdsaison begonnen.
Der Kult
21 BRIDGES beginnt komplex mit einer Szene, die tief in drei Glaubensgemeinschaften einer Welt hineinblickt, welche man sich nur schwer vorstellen kann: Der 13-jährige Andre sitzt bei der Beerdigung seines Vaters, der im Dienst erschossen wurde. Der Priester erzählt seiner überwiegend afroamerikanischen Gemeinde, welche Stärke der zu früh verstorbene Polizist hinterlässt, seinen Sohn. Für Andre ist klar, er muss in die Fußstapfen seines Vaters treten, für seine einsame Mutter sorgen, die Gemeinschaft will es so und auch Gott. Die letzten Zweifel werden besiegelt, als der Sarg ins regnerische New York hinausgetragen wird und hunderte Polizisten in Paradeuniform dem verstorbenen Kollegen salutieren. Nicht etwa Religion oder ethnische Herkunft ist die stärkste Gemeinschaft, sondern die Bruderschaft der Staatsmacht. Ein guter Auftakt, um auch Unwissenden zu erklären, was es bedeutet in den USA ein Cop zu sein.
Die erste Filmhälfte bringt ein ordentliches Tempo in die Verbrecherjagd. Davis und seine zugeteilte Partnerin Frankie Burns, gespielt von einer belanglosen Sienna Miller (G.I. JOE, LAYER CAKE), sind auf der Jagd nach den Mördern. Dies wird packend aktuell mit Hilfe von Überwachungskameras, schnellen Kommunikationswegen und guter Detektivarbeit auf C.S.I.-Niveau vorangetrieben ohne auf billige Handkamerawackelei zu setzen. 21 BRIDGES bekommt auch Schwung durch den Handlungsstrang der beiden Verbrecher, die selbst im Zweifel sind, ob dies nur ein Versehen mit den vielen Drogen war oder ob sie in ein größeres Wespennest getreten sind.
Wer schon einige Filme dieser Art gesehen hat, wird sicherlich nach der ersten Hälfte ahnen, wohin die Geschichte führt. J.K. Simmons nur als Polizeirevier-Captain in die Besetzung zu holen, wäre auch zu verschwendetes Talent. Es soll aber nicht der einzige Plottwist zum Ende sein. Wer in der Filmmitte vermutet, wo die Handlung hinführt, kann sich entspannt zurücklehnen und die gute Kameraarbeit von Paul Cameron (COLLATERAL, MANN UNTER FEUER) genießen, aber auch die längste Strecke der New Yorker Subway zum Showdown erleben. 21 BRIDGES wurde übrigens zum größten Teil in Philadelphia gedreht, Straßensperrungen in New York kann sich wohl nur noch das Marvel-Studio leisten.
Themenkomplexe
Neben Religion, Familie und ethnischer Gemeinschaft in Amerikas Ostküstenmetropole kommen auch Aspekte des gesellschaftlichen Lebens im urbanen Raum vor. Die Verdrängung der mittelständigen Bevölkerung aus den überteuerten Stadtzentren. Wenn sich die Menschen, die in der Stadt jeden Tag leben, das Wohnen im Zentrum nicht mehr leisten können, stirbt es aus. Die Qual der langen Arbeitswege fordert Zeit, Nerven, Beziehungen und Familienleben. Michael und Ray sind als Exsoldaten traumatisiert und mörderisch gut ausgebildet, eine schlechte Kombination, wenn sie nach dem Armeedienst ohne berufliche Zukunft entlassen werden. 21 BRIDGES ist ein komplexes Geflecht aus Problemen unserer gesellschaftlichen Epoche und die immer wiederkehrende Gier des Einzelnen, sich zu nehmen was dieser will, ohne an die Konsequenzen für andere zu denken.
Die Hauptfigur Andre Davis ist gegenüber dieser Themenvarianz dann schon etwas zu sehr aus einem Guss. Er wirkt wie ein Auserwählter, der letzte Vertreter des Gesetzes ohne Laster und Sünden. Er stellt sich in den Dienst seiner Marke und legt nur seiner eigenen Moral Rechenschaft ab. Chadwick Boseman (BLACK PANTHER) sitzt diese Rolle des unantastbaren Cops wie maßgeschneidert. Bleibt zu hoffen, dass er in seinen zukünftigen Rollen auch mal etwas Schwäche zulässt. Die beeindruckendsten Rollen sind auch immer die, die sich auch menschliche Fehler zugestehen. (Anm. [29.08.2020] Leider ist Chadwick Boseman am 28.08.20 mit 43 Jahren verstorben.)
Fazit
Ein solider Cop-Thriller, dem man ohne Reue seine Zeit schenken kann, solide produziert und mit routinierten Talenten auf allen Ebenen der Filmkunst. Auch wenn 21 BRIDGES mehr erzählen möchte als eine Verbrecherjagd, gelingt es ihm leider nicht, länger in den Gedanken des Zuschauers zu verweilen. Aber nach dem Marvel-Spektakel eine gelungene Abwechslung für alle Beteiligten und stabile Basis für weitere Filmprojekte.
Titel, Cast und Crew | 21 Bridges (2019) |
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Poster | |
Release | Kinostart: 06.02.2020 ab dem 26.06.2020 auf DVD, Blu-ray und 4K-UHD Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Regisseur | Brian Kirk |
Trailer | |
Besetzung | Chadwick Boseman (Andre Davis) Sienna Miller (Frankie Burns) J.K. Simmons (Captain McKenna) Stephan James (Michael) Taylor Kitsch (Ray) Keith David (Deputy Chief Spencer) Alexander Siddig (Adi) Louis Cancelmi (Bush) |
Drehbuch | Adam Mervis Matthew Michael Carnahan |
Kamera | Paul Cameron |
Filmmusik | Alex Belcher Henry Jackman |
Schnitt | Tim Murrell |
Filmlänge | 109 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter